Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

Einige Tage später befanden wir uns
Morgens unter Ouessant, als ich eben mit
meiner Wache fertig war; und da der Ka-
pitain auf's Deck kam, um mich abzulösen,
bedeutete ich ihn: "Dort haben wir Ouessant.
Wir dürfen nicht südlicher steuern, als Süd-
südwest, wenn wir nicht hier in die Bucht
zwischen den Klippen verfallen wollen." --
Jch war auch zu dieser wohlgemeynten Wei-
sung um so befugter, weil ich ohnehin auf
dem Schiffe meist Alles allein zu leiten hatte:
denn mit des Mannes Steuerkunst war es
herzlich schlecht bestellt, indem er zwar einige
Reisen nach Ostindien, aber nur als Zimmer-
mann, gemacht hatte. Seine Anstellung als
Schiffer hatte er lediglich der Gunst einiger
Rheeder in Königsberg, den Verwandten sei-
ner Frau, zu danken. Auch wurden von sei-
nen früheren Fahrten allerlei seltsame Dinge
erzählt, die sein Ungeschick zu einem solchen
Posten sattsam bewiesen. Als Seemann konnt'
er es übrigens mit den Bravsten aufnehmen.

Während ich in meine Koje zur Ruhe
gieng, nahm Jener sein Werkgeräth und machte
sich an der Zimmerung des Bootes etwas zu
schaffen Ehe mir aber noch die Augen recht
zufielen, kam er aus demselben hervor, trat
zu dem Matrosen am Steuer, und fragte:
"Was steuert Jhr?" -- "Südsüdwest, Herr!"
war die Antwort. -- "Ei, warum nicht gar!

Einige Tage ſpaͤter befanden wir uns
Morgens unter Oueſſant, als ich eben mit
meiner Wache fertig war; und da der Ka-
pitain auf’s Deck kam, um mich abzuloͤſen,
bedeutete ich ihn: „Dort haben wir Oueſſant.
Wir duͤrfen nicht ſuͤdlicher ſteuern, als Suͤd-
ſuͤdweſt, wenn wir nicht hier in die Bucht
zwiſchen den Klippen verfallen wollen.‟ —
Jch war auch zu dieſer wohlgemeynten Wei-
ſung um ſo befugter, weil ich ohnehin auf
dem Schiffe meiſt Alles allein zu leiten hatte:
denn mit des Mannes Steuerkunſt war es
herzlich ſchlecht beſtellt, indem er zwar einige
Reiſen nach Oſtindien, aber nur als Zimmer-
mann, gemacht hatte. Seine Anſtellung als
Schiffer hatte er lediglich der Gunſt einiger
Rheeder in Koͤnigsberg, den Verwandten ſei-
ner Frau, zu danken. Auch wurden von ſei-
nen fruͤheren Fahrten allerlei ſeltſame Dinge
erzaͤhlt, die ſein Ungeſchick zu einem ſolchen
Poſten ſattſam bewieſen. Als Seemann konnt’
er es uͤbrigens mit den Bravſten aufnehmen.

Waͤhrend ich in meine Koje zur Ruhe
gieng, nahm Jener ſein Werkgeraͤth und machte
ſich an der Zimmerung des Bootes etwas zu
ſchaffen Ehe mir aber noch die Augen recht
zufielen, kam er aus demſelben hervor, trat
zu dem Matroſen am Steuer, und fragte:
„Was ſteuert Jhr?‟ — „Suͤdſuͤdweſt, Herr!‟
war die Antwort. — „Ei, warum nicht gar!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0134" n="118"/>
        <p>Einige Tage &#x017F;pa&#x0364;ter befanden wir uns<lb/>
Morgens unter Oue&#x017F;&#x017F;ant, als ich eben mit<lb/>
meiner Wache fertig war; und da der Ka-<lb/>
pitain auf&#x2019;s Deck kam, um mich abzulo&#x0364;&#x017F;en,<lb/>
bedeutete ich ihn: &#x201E;Dort haben wir Oue&#x017F;&#x017F;ant.<lb/>
Wir du&#x0364;rfen nicht &#x017F;u&#x0364;dlicher &#x017F;teuern, als Su&#x0364;d-<lb/>
&#x017F;u&#x0364;dwe&#x017F;t, wenn wir nicht hier in die Bucht<lb/>
zwi&#x017F;chen den Klippen verfallen wollen.&#x201F; &#x2014;<lb/>
Jch war auch zu die&#x017F;er wohlgemeynten Wei-<lb/>
&#x017F;ung um &#x017F;o befugter, weil ich ohnehin auf<lb/>
dem Schiffe mei&#x017F;t Alles allein zu leiten hatte:<lb/>
denn mit des Mannes Steuerkun&#x017F;t war es<lb/>
herzlich &#x017F;chlecht be&#x017F;tellt, indem er zwar einige<lb/>
Rei&#x017F;en nach O&#x017F;tindien, aber nur als Zimmer-<lb/>
mann, gemacht hatte. Seine An&#x017F;tellung als<lb/>
Schiffer hatte er lediglich der Gun&#x017F;t einiger<lb/>
Rheeder in Ko&#x0364;nigsberg, den Verwandten &#x017F;ei-<lb/>
ner Frau, zu danken. Auch wurden von &#x017F;ei-<lb/>
nen fru&#x0364;heren Fahrten allerlei &#x017F;elt&#x017F;ame Dinge<lb/>
erza&#x0364;hlt, die &#x017F;ein Unge&#x017F;chick zu einem &#x017F;olchen<lb/>
Po&#x017F;ten &#x017F;att&#x017F;am bewie&#x017F;en. Als Seemann konnt&#x2019;<lb/>
er es u&#x0364;brigens mit den Brav&#x017F;ten aufnehmen.</p><lb/>
        <p>Wa&#x0364;hrend ich in meine Koje zur Ruhe<lb/>
gieng, nahm Jener &#x017F;ein Werkgera&#x0364;th und machte<lb/>
&#x017F;ich an der Zimmerung des Bootes etwas zu<lb/>
&#x017F;chaffen Ehe mir aber noch die Augen recht<lb/>
zufielen, kam er aus dem&#x017F;elben hervor, trat<lb/>
zu dem Matro&#x017F;en am Steuer, und fragte:<lb/>
&#x201E;Was &#x017F;teuert Jhr?&#x201F; &#x2014; &#x201E;Su&#x0364;d&#x017F;u&#x0364;dwe&#x017F;t, Herr!&#x201F;<lb/>
war die Antwort. &#x2014; &#x201E;Ei, warum nicht gar!<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0134] Einige Tage ſpaͤter befanden wir uns Morgens unter Oueſſant, als ich eben mit meiner Wache fertig war; und da der Ka- pitain auf’s Deck kam, um mich abzuloͤſen, bedeutete ich ihn: „Dort haben wir Oueſſant. Wir duͤrfen nicht ſuͤdlicher ſteuern, als Suͤd- ſuͤdweſt, wenn wir nicht hier in die Bucht zwiſchen den Klippen verfallen wollen.‟ — Jch war auch zu dieſer wohlgemeynten Wei- ſung um ſo befugter, weil ich ohnehin auf dem Schiffe meiſt Alles allein zu leiten hatte: denn mit des Mannes Steuerkunſt war es herzlich ſchlecht beſtellt, indem er zwar einige Reiſen nach Oſtindien, aber nur als Zimmer- mann, gemacht hatte. Seine Anſtellung als Schiffer hatte er lediglich der Gunſt einiger Rheeder in Koͤnigsberg, den Verwandten ſei- ner Frau, zu danken. Auch wurden von ſei- nen fruͤheren Fahrten allerlei ſeltſame Dinge erzaͤhlt, die ſein Ungeſchick zu einem ſolchen Poſten ſattſam bewieſen. Als Seemann konnt’ er es uͤbrigens mit den Bravſten aufnehmen. Waͤhrend ich in meine Koje zur Ruhe gieng, nahm Jener ſein Werkgeraͤth und machte ſich an der Zimmerung des Bootes etwas zu ſchaffen Ehe mir aber noch die Augen recht zufielen, kam er aus demſelben hervor, trat zu dem Matroſen am Steuer, und fragte: „Was ſteuert Jhr?‟ — „Suͤdſuͤdweſt, Herr!‟ war die Antwort. — „Ei, warum nicht gar!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/134
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/134>, abgerufen am 09.10.2024.