Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

uns dem Sinken nahe. Jn dieser Noth blieb
uns nichts übrig, als das Schiff vor dem
Winde hinlaufen zu lassen, die Lucken zu
öffnen und von unsrer Ladung soviel möglich
über Bord zu schaffen. Aber noch immer
konnten wir keinen Hafen sehen oder erreichen,
als wir mit Einbruch der Nacht in die Schee-
ren an der südlichsten Spitze von Norwegen
geriethen, wo wir zwar mit Mühe auf 70
bis 80 Klafter vor Anker kamen, aber doch
nicht verhindern konnten, daß das Hintertheil
des Schiffs auf eine Klippe stieß. Durch
die Gewalt dieses Stoßes zerbrach das Ruder
sammt dem Hinter-Steeven, und das Wasser
im Raume stieg mit jeder Viertelstunde hö-
her. Wir brachten eine Nacht voll entsetz-
licher Angst zu und sahen unsern gewissen
Tod vor Augen.

Endlich aber dämmerte etwas Tageslicht
auf und zeigte uns eine Oeffnung zwischen
den Scheeren, die wir augenblicklich benutz-
ten, indem wir unser Ankertau kappten, zu-
gleich aber auch eines Lootsen mächtig wur-
den, der uns in den Hafen von Klewen,
nahe bei Mandal, führte. Froh des geret-
teten Lebens besserten wir hier unser hart be-
schädigtes Schiff aus; konnten aber erst im
Merz 1761, und mit stark verminderter La-
dung, wieder in See gehen; worauf wir denn
im April unsern Bestimmungsort erreichten,

uns dem Sinken nahe. Jn dieſer Noth blieb
uns nichts uͤbrig, als das Schiff vor dem
Winde hinlaufen zu laſſen, die Lucken zu
oͤffnen und von unſrer Ladung ſoviel moͤglich
uͤber Bord zu ſchaffen. Aber noch immer
konnten wir keinen Hafen ſehen oder erreichen,
als wir mit Einbruch der Nacht in die Schee-
ren an der ſuͤdlichſten Spitze von Norwegen
geriethen, wo wir zwar mit Muͤhe auf 70
bis 80 Klafter vor Anker kamen, aber doch
nicht verhindern konnten, daß das Hintertheil
des Schiffs auf eine Klippe ſtieß. Durch
die Gewalt dieſes Stoßes zerbrach das Ruder
ſammt dem Hinter-Steeven, und das Waſſer
im Raume ſtieg mit jeder Viertelſtunde hoͤ-
her. Wir brachten eine Nacht voll entſetz-
licher Angſt zu und ſahen unſern gewiſſen
Tod vor Augen.

Endlich aber daͤmmerte etwas Tageslicht
auf und zeigte uns eine Oeffnung zwiſchen
den Scheeren, die wir augenblicklich benutz-
ten, indem wir unſer Ankertau kappten, zu-
gleich aber auch eines Lootſen maͤchtig wur-
den, der uns in den Hafen von Klewen,
nahe bei Mandal, fuͤhrte. Froh des geret-
teten Lebens beſſerten wir hier unſer hart be-
ſchaͤdigtes Schiff aus; konnten aber erſt im
Merz 1761, und mit ſtark verminderter La-
dung, wieder in See gehen; worauf wir denn
im April unſern Beſtimmungsort erreichten,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0131" n="115"/>
uns dem Sinken nahe. Jn die&#x017F;er Noth blieb<lb/>
uns nichts u&#x0364;brig, als das Schiff vor dem<lb/>
Winde hinlaufen zu la&#x017F;&#x017F;en, die Lucken zu<lb/>
o&#x0364;ffnen und von un&#x017F;rer Ladung &#x017F;oviel mo&#x0364;glich<lb/>
u&#x0364;ber Bord zu &#x017F;chaffen. Aber noch immer<lb/>
konnten wir keinen Hafen &#x017F;ehen oder erreichen,<lb/>
als wir mit Einbruch der Nacht in die Schee-<lb/>
ren an der &#x017F;u&#x0364;dlich&#x017F;ten Spitze von Norwegen<lb/>
geriethen, wo wir zwar mit Mu&#x0364;he auf 70<lb/>
bis 80 Klafter vor Anker kamen, aber doch<lb/>
nicht verhindern konnten, daß das Hintertheil<lb/>
des Schiffs auf eine Klippe &#x017F;tieß. Durch<lb/>
die Gewalt die&#x017F;es Stoßes zerbrach das Ruder<lb/>
&#x017F;ammt dem Hinter-Steeven, und das Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
im Raume &#x017F;tieg mit jeder Viertel&#x017F;tunde ho&#x0364;-<lb/>
her. Wir brachten eine Nacht voll ent&#x017F;etz-<lb/>
licher Ang&#x017F;t zu und &#x017F;ahen un&#x017F;ern gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Tod vor Augen.</p><lb/>
        <p>Endlich aber da&#x0364;mmerte etwas Tageslicht<lb/>
auf und zeigte uns eine Oeffnung zwi&#x017F;chen<lb/>
den Scheeren, die wir augenblicklich benutz-<lb/>
ten, indem wir un&#x017F;er Ankertau kappten, zu-<lb/>
gleich aber auch eines Loot&#x017F;en ma&#x0364;chtig wur-<lb/>
den, der uns in den Hafen von Klewen,<lb/>
nahe bei Mandal, fu&#x0364;hrte. Froh des geret-<lb/>
teten Lebens be&#x017F;&#x017F;erten wir hier un&#x017F;er hart be-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;digtes Schiff aus; konnten aber er&#x017F;t im<lb/>
Merz 1761, und mit &#x017F;tark verminderter La-<lb/>
dung, wieder in See gehen; worauf wir denn<lb/>
im April un&#x017F;ern Be&#x017F;timmungsort erreichten,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0131] uns dem Sinken nahe. Jn dieſer Noth blieb uns nichts uͤbrig, als das Schiff vor dem Winde hinlaufen zu laſſen, die Lucken zu oͤffnen und von unſrer Ladung ſoviel moͤglich uͤber Bord zu ſchaffen. Aber noch immer konnten wir keinen Hafen ſehen oder erreichen, als wir mit Einbruch der Nacht in die Schee- ren an der ſuͤdlichſten Spitze von Norwegen geriethen, wo wir zwar mit Muͤhe auf 70 bis 80 Klafter vor Anker kamen, aber doch nicht verhindern konnten, daß das Hintertheil des Schiffs auf eine Klippe ſtieß. Durch die Gewalt dieſes Stoßes zerbrach das Ruder ſammt dem Hinter-Steeven, und das Waſſer im Raume ſtieg mit jeder Viertelſtunde hoͤ- her. Wir brachten eine Nacht voll entſetz- licher Angſt zu und ſahen unſern gewiſſen Tod vor Augen. Endlich aber daͤmmerte etwas Tageslicht auf und zeigte uns eine Oeffnung zwiſchen den Scheeren, die wir augenblicklich benutz- ten, indem wir unſer Ankertau kappten, zu- gleich aber auch eines Lootſen maͤchtig wur- den, der uns in den Hafen von Klewen, nahe bei Mandal, fuͤhrte. Froh des geret- teten Lebens beſſerten wir hier unſer hart be- ſchaͤdigtes Schiff aus; konnten aber erſt im Merz 1761, und mit ſtark verminderter La- dung, wieder in See gehen; worauf wir denn im April unſern Beſtimmungsort erreichten,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/131
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/131>, abgerufen am 07.05.2024.