Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

die 44 Köpfe betrug, hatten wir 9 Menschen
durch den Tod verloren.

Unthätigkeit und träge Muße waren mir
unleidlich. Jch engagirte mich daher sofort
wieder, als Unter-Steuermann, auf das Schiff
de goede Verwachting, unter Kapitain Sie-
wert, welches schon im Texel lag, nach St.
Eustaz bestimmt war, und kurz vor Anfang
des Jahres 1760 die Anker lichtete. Die
späte Jahrszeit ließ uns eine schwere stürmi-
sche Fahrt in der Nordsee und im Kanal er-
warten. Auch traf diese Befürchtung nur zu
pünktlich ein: denn wir büßten nicht nur
mehrere Segel, sondern auch Stengen und
Raaen ein, und 5 Matrosen, sammt dem
Schiffszimmermann, hatten das Unglück, ohne
Rettung über Bord gespült zu werden. So
kamen wir, in einem äusserst beschädigten Zu-
stande, in St. Eustaz an; bewirkten jedoch
binnen vier Wochen unsre Ausbesserung und
Rückladung, und mochten kaum die Hälfte
unsers Weges nach Holland zurückgelegt ha-
ben, als wir von einem englischen Kriegs-
schiffe genommen wurden. Die gesammte
Mannschaft, bis auf 4 Mann, mußte an des-
sen Bord hinüberwandern; und so wurden
wir im Monat Mai nach Portsmouth auf-
gebracht. Unser Prozeß, ob recht oder un-
recht, kam zu einer kurzen Entscheidung: denn
da man für gut fand, in unsrer Fracht fran-

zösisches

die 44 Koͤpfe betrug, hatten wir 9 Menſchen
durch den Tod verloren.

Unthaͤtigkeit und traͤge Muße waren mir
unleidlich. Jch engagirte mich daher ſofort
wieder, als Unter-Steuermann, auf das Schiff
de goede Verwachting, unter Kapitain Sie-
wert, welches ſchon im Texel lag, nach St.
Euſtaz beſtimmt war, und kurz vor Anfang
des Jahres 1760 die Anker lichtete. Die
ſpaͤte Jahrszeit ließ uns eine ſchwere ſtuͤrmi-
ſche Fahrt in der Nordſee und im Kanal er-
warten. Auch traf dieſe Befuͤrchtung nur zu
puͤnktlich ein: denn wir buͤßten nicht nur
mehrere Segel, ſondern auch Stengen und
Raaen ein, und 5 Matroſen, ſammt dem
Schiffszimmermann, hatten das Ungluͤck, ohne
Rettung uͤber Bord geſpuͤlt zu werden. So
kamen wir, in einem aͤuſſerſt beſchaͤdigten Zu-
ſtande, in St. Euſtaz an; bewirkten jedoch
binnen vier Wochen unſre Ausbeſſerung und
Ruͤckladung, und mochten kaum die Haͤlfte
unſers Weges nach Holland zuruͤckgelegt ha-
ben, als wir von einem engliſchen Kriegs-
ſchiffe genommen wurden. Die geſammte
Mannſchaft, bis auf 4 Mann, mußte an deſ-
ſen Bord hinuͤberwandern; und ſo wurden
wir im Monat Mai nach Portsmouth auf-
gebracht. Unſer Prozeß, ob recht oder un-
recht, kam zu einer kurzen Entſcheidung: denn
da man fuͤr gut fand, in unſrer Fracht fran-

zoͤſiſches
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0128" n="112"/>
die 44 Ko&#x0364;pfe betrug, hatten wir 9 Men&#x017F;chen<lb/>
durch den Tod verloren.</p><lb/>
        <p>Untha&#x0364;tigkeit und tra&#x0364;ge Muße waren mir<lb/>
unleidlich. Jch engagirte mich daher &#x017F;ofort<lb/>
wieder, als Unter-Steuermann, auf das Schiff<lb/><hi rendition="#aq">de goede Verwachting,</hi> unter Kapitain Sie-<lb/>
wert, welches &#x017F;chon im Texel lag, nach St.<lb/>
Eu&#x017F;taz be&#x017F;timmt war, und kurz vor Anfang<lb/>
des Jahres 1760 die Anker lichtete. Die<lb/>
&#x017F;pa&#x0364;te Jahrszeit ließ uns eine &#x017F;chwere &#x017F;tu&#x0364;rmi-<lb/>
&#x017F;che Fahrt in der Nord&#x017F;ee und im Kanal er-<lb/>
warten. Auch traf die&#x017F;e Befu&#x0364;rchtung nur zu<lb/>
pu&#x0364;nktlich ein: denn wir bu&#x0364;ßten nicht nur<lb/>
mehrere Segel, &#x017F;ondern auch Stengen und<lb/>
Raaen ein, und 5 Matro&#x017F;en, &#x017F;ammt dem<lb/>
Schiffszimmermann, hatten das Unglu&#x0364;ck, ohne<lb/>
Rettung u&#x0364;ber Bord ge&#x017F;pu&#x0364;lt zu werden. So<lb/>
kamen wir, in einem a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;t be&#x017F;cha&#x0364;digten Zu-<lb/>
&#x017F;tande, in St. Eu&#x017F;taz an; bewirkten jedoch<lb/>
binnen vier Wochen un&#x017F;re Ausbe&#x017F;&#x017F;erung und<lb/>
Ru&#x0364;ckladung, und mochten kaum die Ha&#x0364;lfte<lb/>
un&#x017F;ers Weges nach Holland zuru&#x0364;ckgelegt ha-<lb/>
ben, als wir von einem engli&#x017F;chen Kriegs-<lb/>
&#x017F;chiffe genommen wurden. Die ge&#x017F;ammte<lb/>
Mann&#x017F;chaft, bis auf 4 Mann, mußte an de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Bord hinu&#x0364;berwandern; und &#x017F;o wurden<lb/>
wir im Monat Mai nach Portsmouth auf-<lb/>
gebracht. Un&#x017F;er Prozeß, ob recht oder un-<lb/>
recht, kam zu einer kurzen Ent&#x017F;cheidung: denn<lb/>
da man fu&#x0364;r gut fand, in un&#x017F;rer Fracht fran-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;ches</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0128] die 44 Koͤpfe betrug, hatten wir 9 Menſchen durch den Tod verloren. Unthaͤtigkeit und traͤge Muße waren mir unleidlich. Jch engagirte mich daher ſofort wieder, als Unter-Steuermann, auf das Schiff de goede Verwachting, unter Kapitain Sie- wert, welches ſchon im Texel lag, nach St. Euſtaz beſtimmt war, und kurz vor Anfang des Jahres 1760 die Anker lichtete. Die ſpaͤte Jahrszeit ließ uns eine ſchwere ſtuͤrmi- ſche Fahrt in der Nordſee und im Kanal er- warten. Auch traf dieſe Befuͤrchtung nur zu puͤnktlich ein: denn wir buͤßten nicht nur mehrere Segel, ſondern auch Stengen und Raaen ein, und 5 Matroſen, ſammt dem Schiffszimmermann, hatten das Ungluͤck, ohne Rettung uͤber Bord geſpuͤlt zu werden. So kamen wir, in einem aͤuſſerſt beſchaͤdigten Zu- ſtande, in St. Euſtaz an; bewirkten jedoch binnen vier Wochen unſre Ausbeſſerung und Ruͤckladung, und mochten kaum die Haͤlfte unſers Weges nach Holland zuruͤckgelegt ha- ben, als wir von einem engliſchen Kriegs- ſchiffe genommen wurden. Die geſammte Mannſchaft, bis auf 4 Mann, mußte an deſ- ſen Bord hinuͤberwandern; und ſo wurden wir im Monat Mai nach Portsmouth auf- gebracht. Unſer Prozeß, ob recht oder un- recht, kam zu einer kurzen Entſcheidung: denn da man fuͤr gut fand, in unſrer Fracht fran- zoͤſiſches

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/128
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/128>, abgerufen am 07.05.2024.