gesetzt: doch schoß oder stach Niemand. Dagegen rissen sie mich bei den Haaren auf's Deck nieder; Einige hielten mich an Kopf und Füßen fest; Andre schlugen mit den flachen Klingen auf mich drein, daß mir schier Hören und Sehen vergieng. Endlich wollten doch die Barmherzigsten meine weitere Mißhandlung nicht gestatten; doch gieng es nicht ohne einige Fußtritte ab; und Einer, der mir nun noch die Stie- feln von den Füßen zog; schlug mir sie zum Beschlusse um die Ohren; zog sie selbst auf der Stelle an, und machte sich darauf mit seinen feinen Gesellen, zusammen drei- zehn an der Zahl, an Bord ihres Kaper- schiffes zurück.
Mein Zustand war so jämmerlich, daß unser Schiffsvolk mich für halb todt in meine Koje trug. Nicht genug aber, daß ich, der ich mich kaum regen konnte, der Regierung des Schiffes abgieng: sondern nun entstand auch in der nächsten Nacht ein Sturm, gegen den die Uebrigen sich zu schwach fühlten, die Segel einzunehmen. Dies hatte die Folge, daß bald auch der große Mast brach und mit seiner ganzen Takelage über Bord ging. Nun trieben wir, als ein Wrack, in der See, und hätten wahrscheinlich unsern Untergang gefunden, wenn nicht Tages darauf eine hol- ländische Fischer-Schuyt in unsre Nähe ge-
geſetzt: doch ſchoß oder ſtach Niemand. Dagegen riſſen ſie mich bei den Haaren auf’s Deck nieder; Einige hielten mich an Kopf und Fuͤßen feſt; Andre ſchlugen mit den flachen Klingen auf mich drein, daß mir ſchier Hoͤren und Sehen vergieng. Endlich wollten doch die Barmherzigſten meine weitere Mißhandlung nicht geſtatten; doch gieng es nicht ohne einige Fußtritte ab; und Einer, der mir nun noch die Stie- feln von den Fuͤßen zog; ſchlug mir ſie zum Beſchluſſe um die Ohren; zog ſie ſelbſt auf der Stelle an, und machte ſich darauf mit ſeinen feinen Geſellen, zuſammen drei- zehn an der Zahl, an Bord ihres Kaper- ſchiffes zuruͤck.
Mein Zuſtand war ſo jaͤmmerlich, daß unſer Schiffsvolk mich fuͤr halb todt in meine Koje trug. Nicht genug aber, daß ich, der ich mich kaum regen konnte, der Regierung des Schiffes abgieng: ſondern nun entſtand auch in der naͤchſten Nacht ein Sturm, gegen den die Uebrigen ſich zu ſchwach fuͤhlten, die Segel einzunehmen. Dies hatte die Folge, daß bald auch der große Maſt brach und mit ſeiner ganzen Takelage uͤber Bord ging. Nun trieben wir, als ein Wrack, in der See, und haͤtten wahrſcheinlich unſern Untergang gefunden, wenn nicht Tages darauf eine hol- laͤndiſche Fiſcher-Schuyt in unſre Naͤhe ge-
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geſetzt: doch ſchoß oder ſtach Niemand.
Dagegen riſſen ſie mich bei den Haaren
auf’s Deck nieder; Einige hielten mich an
Kopf und Fuͤßen feſt; Andre ſchlugen
mit den flachen Klingen auf mich drein,
daß mir ſchier Hoͤren und Sehen vergieng.
Endlich wollten doch die Barmherzigſten
meine weitere Mißhandlung nicht geſtatten;
doch gieng es nicht ohne einige Fußtritte
ab; und Einer, der mir nun noch die Stie-
feln von den Fuͤßen zog; ſchlug mir ſie
zum Beſchluſſe um die Ohren; zog ſie ſelbſt
auf der Stelle an, und machte ſich darauf
mit ſeinen feinen Geſellen, zuſammen drei-
zehn an der Zahl, an Bord ihres Kaper-
ſchiffes zuruͤck.
Mein Zuſtand war ſo jaͤmmerlich, daß
unſer Schiffsvolk mich fuͤr halb todt in meine
Koje trug. Nicht genug aber, daß ich, der
ich mich kaum regen konnte, der Regierung
des Schiffes abgieng: ſondern nun entſtand
auch in der naͤchſten Nacht ein Sturm, gegen
den die Uebrigen ſich zu ſchwach fuͤhlten, die
Segel einzunehmen. Dies hatte die Folge,
daß bald auch der große Maſt brach und
mit ſeiner ganzen Takelage uͤber Bord ging.
Nun trieben wir, als ein Wrack, in der See,
und haͤtten wahrſcheinlich unſern Untergang
gefunden, wenn nicht Tages darauf eine hol-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/119>, abgerufen am 16.02.2025.
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