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Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.

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von Museis insgemein.
ten keine Unkosten spareten, grosse Musea anzulegen, und darinn mit eifri-
gem Fleiß einen Vorrath von allerley raren und ungemeinen Sachen zusam-
men zu bringen. Dieses hat auch schon vor langer Zeit grosse Herren be-
wogen, daß sie zum Theil zu ihrer eigenen, theils auch wol zur gemeinen Ge-
müths-Belustigung solche Oerter angeordnet, woselbst sie ihr Vergnügen in
Anschauung curieuser Dinge gehabt: Solche bestehen aber nicht allemal in
Sachen von grosser Pracht und Splendeur, sondern offtmals in einer gehei-
men Bedeutung; wie wir denn von dem mächtigen Kayser Augusto lesen, daß
er in seinem Land- und Lust-Hause unfern der Stadt Rom, an statt vor-
trefflicher Statuen und rarer Gemählde, die Wände mit lauter Köpffen und
andern Gliedmassen von ungeheuren Thieren, Riesen-Knochen, item aller-
ley Helden-Rüstung etc. behangen gehabt. Jnsgemein hat man sich in wohl-
bestellten Museis die drey Haupt-Stücke vorzustellen, welche vornemlich des
Menschen Gemüth an sich ziehen, und eine fernere Betrachtung erwecken.
Nemlich die wunderbare Geschöpffe GOttes, die köst-und künstliche Ar-"
beit der Menschen-Kinder, und denn die Geschichte oder Beschreibung der"
Creaturen, welche wir aus den Büchern daselbst erlernen." Jedes Stück
ist so vielfach, daß man von dem Auge wohl sagen mag, es sehe sich darinnen
nimmer satt, und vom Verstande, er betrachte sich nimmer satt. Kayser,
Könige, Fürsten und Herren erweisen, daß ihre grosse Hof-Haltung und
Pracht niemaln so viel kosten müsse, davon sie auch nicht etwas solten dazu
anwenden, welches ihnen bey ihren müßigen Stunden, und zur Erleichte-
rung ihrer schweren Regiments-Sorgen, einige Gemüths-Ergötzung geben
kan; wovon wir in vorigen drey Theilen sind überzeugt worden. Nicht
weniger haben sich auch Privat-Personen zu aller Zeit, mit nicht geringem
Nutzen, auf dergleichen Sammlung curieuser Dinge gelegt, wie wir auch
bereits gesehen haben. Nichts aber ist, welches den Nutzen und Ruhm eines
Musei dieses oder jenen edlen oder unedlen Besitzers mehr erheben, und bis
in ferne Lande ausbreiten mag, als wenn selbige nicht nur zu ihrer eignen
Wissenschafft und Belustigung, sondern auch andre Liebhaber und curieuse
Gemüther den Nutzen durch Anschauen derselben geniessen lassen. "Dero-"
halben sage ich mit jenem Autore, daß eines ieden vernünfftigen Besitzers"
dieses oder jenen Musei seine Absicht auf zweyerley Endzweck müsse vor-"
nemlich gerichtet seyn: Nemlich einmal zur Beförderung der Ehre GOt-"
tes, und seine Wunder und Allmacht täglich in anreitzenden Beyspielen vor"
Augen zu stellen; und zum andern muß ihr Wille dahin gehen, daß denen,"
so nach nützlichen Künsten trachten, damit sie dermaleins ihrem Vaterlande"
oder andern Herrschafften ersprießliche Dienste leisten können, allein"

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von Muſeis insgemein.
ten keine Unkoſten ſpareten, groſſe Muſea anzulegen, und darinn mit eifri-
gem Fleiß einen Vorrath von allerley raren und ungemeinen Sachen zuſam-
men zu bringen. Dieſes hat auch ſchon vor langer Zeit groſſe Herren be-
wogen, daß ſie zum Theil zu ihrer eigenen, theils auch wol zur gemeinen Ge-
muͤths-Beluſtigung ſolche Oerter angeordnet, woſelbſt ſie ihr Vergnuͤgen in
Anſchauung curieuſer Dinge gehabt: Solche beſtehen aber nicht allemal in
Sachen von groſſer Pracht und Splendeur, ſondern offtmals in einer gehei-
men Bedeutung; wie wir denn von dem maͤchtigen Kayſer Auguſto leſen, daß
er in ſeinem Land- und Luſt-Hauſe unfern der Stadt Rom, an ſtatt vor-
trefflicher Statuen und rarer Gemaͤhlde, die Waͤnde mit lauter Koͤpffen und
andern Gliedmaſſen von ungeheuren Thieren, Rieſen-Knochen, item aller-
ley Helden-Ruͤſtung ꝛc. behangen gehabt. Jnsgemein hat man ſich in wohl-
beſtellten Muſeis die drey Haupt-Stuͤcke vorzuſtellen, welche vornemlich des
Menſchen Gemuͤth an ſich ziehen, und eine fernere Betrachtung erwecken.
Nemlich die wunderbare Geſchoͤpffe GOttes, die koͤſt-und kuͤnſtliche Ar-„
beit der Menſchen-Kinder, und denn die Geſchichte oder Beſchreibung der„
Creaturen, welche wir aus den Buͤchern daſelbſt erlernen.‟ Jedes Stuͤck
iſt ſo vielfach, daß man von dem Auge wohl ſagen mag, es ſehe ſich darinnen
nimmer ſatt, und vom Verſtande, er betrachte ſich nimmer ſatt. Kayſer,
Koͤnige, Fuͤrſten und Herren erweiſen, daß ihre groſſe Hof-Haltung und
Pracht niemaln ſo viel koſten muͤſſe, davon ſie auch nicht etwas ſolten dazu
anwenden, welches ihnen bey ihren muͤßigen Stunden, und zur Erleichte-
rung ihrer ſchweren Regiments-Sorgen, einige Gemuͤths-Ergoͤtzung geben
kan; wovon wir in vorigen drey Theilen ſind uͤberzeugt worden. Nicht
weniger haben ſich auch Privat-Perſonen zu aller Zeit, mit nicht geringem
Nutzen, auf dergleichen Sammlung curieuſer Dinge gelegt, wie wir auch
bereits geſehen haben. Nichts aber iſt, welches den Nutzen und Ruhm eines
Muſei dieſes oder jenen edlen oder unedlen Beſitzers mehr erheben, und bis
in ferne Lande ausbreiten mag, als wenn ſelbige nicht nur zu ihrer eignen
Wiſſenſchafft und Beluſtigung, ſondern auch andre Liebhaber und curieuſe
Gemuͤther den Nutzen durch Anſchauen derſelben genieſſen laſſen. „Dero-„
halben ſage ich mit jenem Autore, daß eines ieden vernuͤnfftigen Beſitzers„
dieſes oder jenen Muſei ſeine Abſicht auf zweyerley Endzweck muͤſſe vor-„
nemlich gerichtet ſeyn: Nemlich einmal zur Befoͤrderung der Ehre GOt-„
tes, und ſeine Wunder und Allmacht taͤglich in anreitzenden Beyſpielen vor„
Augen zu ſtellen; und zum andern muß ihr Wille dahin gehen, daß denen,„
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[453/0481] von Muſeis insgemein. ten keine Unkoſten ſpareten, groſſe Muſea anzulegen, und darinn mit eifri- gem Fleiß einen Vorrath von allerley raren und ungemeinen Sachen zuſam- men zu bringen. Dieſes hat auch ſchon vor langer Zeit groſſe Herren be- wogen, daß ſie zum Theil zu ihrer eigenen, theils auch wol zur gemeinen Ge- muͤths-Beluſtigung ſolche Oerter angeordnet, woſelbſt ſie ihr Vergnuͤgen in Anſchauung curieuſer Dinge gehabt: Solche beſtehen aber nicht allemal in Sachen von groſſer Pracht und Splendeur, ſondern offtmals in einer gehei- men Bedeutung; wie wir denn von dem maͤchtigen Kayſer Auguſto leſen, daß er in ſeinem Land- und Luſt-Hauſe unfern der Stadt Rom, an ſtatt vor- trefflicher Statuen und rarer Gemaͤhlde, die Waͤnde mit lauter Koͤpffen und andern Gliedmaſſen von ungeheuren Thieren, Rieſen-Knochen, item aller- ley Helden-Ruͤſtung ꝛc. behangen gehabt. Jnsgemein hat man ſich in wohl- beſtellten Muſeis die drey Haupt-Stuͤcke vorzuſtellen, welche vornemlich des Menſchen Gemuͤth an ſich ziehen, und eine fernere Betrachtung erwecken. Nemlich die wunderbare Geſchoͤpffe GOttes, die koͤſt-und kuͤnſtliche Ar-„ beit der Menſchen-Kinder, und denn die Geſchichte oder Beſchreibung der„ Creaturen, welche wir aus den Buͤchern daſelbſt erlernen.‟ Jedes Stuͤck iſt ſo vielfach, daß man von dem Auge wohl ſagen mag, es ſehe ſich darinnen nimmer ſatt, und vom Verſtande, er betrachte ſich nimmer ſatt. Kayſer, Koͤnige, Fuͤrſten und Herren erweiſen, daß ihre groſſe Hof-Haltung und Pracht niemaln ſo viel koſten muͤſſe, davon ſie auch nicht etwas ſolten dazu anwenden, welches ihnen bey ihren muͤßigen Stunden, und zur Erleichte- rung ihrer ſchweren Regiments-Sorgen, einige Gemuͤths-Ergoͤtzung geben kan; wovon wir in vorigen drey Theilen ſind uͤberzeugt worden. Nicht weniger haben ſich auch Privat-Perſonen zu aller Zeit, mit nicht geringem Nutzen, auf dergleichen Sammlung curieuſer Dinge gelegt, wie wir auch bereits geſehen haben. Nichts aber iſt, welches den Nutzen und Ruhm eines Muſei dieſes oder jenen edlen oder unedlen Beſitzers mehr erheben, und bis in ferne Lande ausbreiten mag, als wenn ſelbige nicht nur zu ihrer eignen Wiſſenſchafft und Beluſtigung, ſondern auch andre Liebhaber und curieuſe Gemuͤther den Nutzen durch Anſchauen derſelben genieſſen laſſen. „Dero-„ halben ſage ich mit jenem Autore, daß eines ieden vernuͤnfftigen Beſitzers„ dieſes oder jenen Muſei ſeine Abſicht auf zweyerley Endzweck muͤſſe vor-„ nemlich gerichtet ſeyn: Nemlich einmal zur Befoͤrderung der Ehre GOt-„ tes, und ſeine Wunder und Allmacht taͤglich in anreitzenden Beyſpielen vor„ Augen zu ſtellen; und zum andern muß ihr Wille dahin gehen, daß denen,„ ſo nach nuͤtzlichen Kuͤnſten trachten, damit ſie dermaleins ihrem Vaterlande„ oder andern Herrſchafften erſprießliche Dienſte leiſten koͤnnen, allein„ we- L l l 3

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Zitationshilfe: Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/481>, abgerufen am 22.11.2024.