Ach denck ich, ists schon hie so schön, Und läst uns GOtt so lieblichs sehn, Auf dieser armen Erden: Was will doch wol nach dieser Welt, Dort in dem schönen Himmels-Zelt, Und güldnem Schlosse werden!
Solchen Nutzen haben Musea im Geistlichen. Jm Weltlichen a- ber ist derselbige auch vielfältig. "Denn vernünfftige Menschen, die den "weltlichen Thorheiten und nichtigen Unwesen nicht so gar ergeben, sondern "derer Natur und Verstand sich auf etwas höheres erstrecket, haben ihre "meiste Beliebung und Ergötzung nächst Beobachtung der Gottesfurcht, ihr "Gemüth mit herrlichen Wissenschafften der natürlichen und ungemeinen "Dinge zu zieren, und so viel in dieser Sterblichkeit zugelassen wird, voll- "kommen zu machen." Solche herrliche Ingenia werden bisweilen auch getrieben, zu erforschen, was in weit entlegenen Ländern anzutreffen. Da- hero sich mancher mit grossen Unkosten, Beschwerde und Ungemach, ja gar mit Leib- und Lebens-Gefahr auf gefährliche Reisen begeben muß, um da- durch sein curieuses Verlangen, allerley fremde und rare Sachen zu sehen, ein Genügen zu geben. Einer solchen beschwerlichen Reise haben sich offt- mals hohe und vornehme Personen unternommen, als z. E. der Fürst von Radzivil, der wohlgereiste Herr Thevenot, Monconys, della Valle, Tavernier; und wer kan sich aller curieusen Gemüther entsinnen, deren grosses und fast unersättliches Verlangen, um allerley ungemeine rare Dinge nur besehen und erkennen zu mögen, sie bis zu den entlegensten Welt-Theilen geführet hat? Dabey es sich denn offt begibt, daß manche, wenn sie nun alles besehen, und einen Vorrath vieler raren Dinge allenthalben gesammlet, mit dem sie nunmehro wiederum zurück nach ihrem Vaterlande kehren, und den Nutzen davon erst recht geniessen wollen, daß alsdenn in dem Begriff ihrer Rückrei- se entweder durch einen unverhofften Unfall, oder auch durch eine zustossende natürliche Kranckheit das gantze Concept auf einmal zerrissen und ver- nichtet wird. Solcher Mühseligkeit aber überheben uns die nie genug ge- priesene Stifftungen der Raritäten-Kammern, Cabinetter, oder insgemein derer Museorum, da man solche rare, wunderbare und fremde Sachen zu- sammen getragen findet, und wo man ohne einige Gefahr solche Dinge in Augenschein bekommen kan, die man sonst ausser dem auf weiten Reisen, und doch kaum einmal, unmüglich alle antreffen wird. Dieser Nutze wäre allein genug, grosse Potentaten und andre, so des Vermögens sind, zu bewe- gen, daß sie zur Erforschung der Natur und Beförderung der Wissenschaff-
ten
IV. Theil Anmerckungen
Ach denck ich, iſts ſchon hie ſo ſchoͤn, Und laͤſt uns GOtt ſo lieblichs ſehn, Auf dieſer armen Erden: Was will doch wol nach dieſer Welt, Dort in dem ſchoͤnen Himmels-Zelt, Und guͤldnem Schloſſe werden!
Solchen Nutzen haben Muſea im Geiſtlichen. Jm Weltlichen a- ber iſt derſelbige auch vielfaͤltig. „Denn vernuͤnfftige Menſchen, die den „weltlichen Thorheiten und nichtigen Unweſen nicht ſo gar ergeben, ſondern „derer Natur und Verſtand ſich auf etwas hoͤheres erſtrecket, haben ihre „meiſte Beliebung und Ergoͤtzung naͤchſt Beobachtung der Gottesfurcht, ihr „Gemuͤth mit herrlichen Wiſſenſchafften der natuͤrlichen und ungemeinen „Dinge zu zieren, und ſo viel in dieſer Sterblichkeit zugelaſſen wird, voll- „kommen zu machen.‟ Solche herrliche Ingenia werden bisweilen auch getrieben, zu erforſchen, was in weit entlegenen Laͤndern anzutreffen. Da- hero ſich mancher mit groſſen Unkoſten, Beſchwerde und Ungemach, ja gar mit Leib- und Lebens-Gefahr auf gefaͤhrliche Reiſen begeben muß, um da- durch ſein curieuſes Verlangen, allerley fremde und rare Sachen zu ſehen, ein Genuͤgen zu geben. Einer ſolchen beſchwerlichen Reiſe haben ſich offt- mals hohe und vornehme Perſonen unternommen, als z. E. der Fuͤrſt von Radzivil, der wohlgereiſte Herr Thevenot, Monconys, della Valle, Tavernier; und wer kan ſich aller curieuſen Gemuͤther entſinnen, deren groſſes und faſt unerſaͤttliches Verlangen, um allerley ungemeine rare Dinge nur beſehen und erkennen zu moͤgen, ſie bis zu den entlegenſten Welt-Theilen gefuͤhret hat? Dabey es ſich denn offt begibt, daß manche, wenn ſie nun alles beſehen, und einen Vorrath vieler raren Dinge allenthalben geſammlet, mit dem ſie nunmehro wiederum zuruͤck nach ihrem Vaterlande kehren, und den Nutzen davon erſt recht genieſſen wollen, daß alsdenn in dem Begriff ihrer Ruͤckrei- ſe entweder durch einen unverhofften Unfall, oder auch durch eine zuſtoſſende natuͤrliche Kranckheit das gantze Concept auf einmal zerriſſen und ver- nichtet wird. Solcher Muͤhſeligkeit aber uͤberheben uns die nie genug ge- prieſene Stifftungen der Raritaͤten-Kammern, Cabinetter, oder insgemein derer Muſeorum, da man ſolche rare, wunderbare und fremde Sachen zu- ſammen getragen findet, und wo man ohne einige Gefahr ſolche Dinge in Augenſchein bekommen kan, die man ſonſt auſſer dem auf weiten Reiſen, und doch kaum einmal, unmuͤglich alle antreffen wird. Dieſer Nutze waͤre allein genug, groſſe Potentaten und andre, ſo des Vermoͤgens ſind, zu bewe- gen, daß ſie zur Erforſchung der Natur und Befoͤrderung der Wiſſenſchaff-
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IV. Theil Anmerckungen
Ach denck ich, iſts ſchon hie ſo ſchoͤn,
Und laͤſt uns GOtt ſo lieblichs ſehn,
Auf dieſer armen Erden:
Was will doch wol nach dieſer Welt,
Dort in dem ſchoͤnen Himmels-Zelt,
Und guͤldnem Schloſſe werden!
Solchen Nutzen haben Muſea im Geiſtlichen. Jm Weltlichen a-
ber iſt derſelbige auch vielfaͤltig. „Denn vernuͤnfftige Menſchen, die den
„weltlichen Thorheiten und nichtigen Unweſen nicht ſo gar ergeben, ſondern
„derer Natur und Verſtand ſich auf etwas hoͤheres erſtrecket, haben ihre
„meiſte Beliebung und Ergoͤtzung naͤchſt Beobachtung der Gottesfurcht, ihr
„Gemuͤth mit herrlichen Wiſſenſchafften der natuͤrlichen und ungemeinen
„Dinge zu zieren, und ſo viel in dieſer Sterblichkeit zugelaſſen wird, voll-
„kommen zu machen.‟ Solche herrliche Ingenia werden bisweilen auch
getrieben, zu erforſchen, was in weit entlegenen Laͤndern anzutreffen. Da-
hero ſich mancher mit groſſen Unkoſten, Beſchwerde und Ungemach, ja gar
mit Leib- und Lebens-Gefahr auf gefaͤhrliche Reiſen begeben muß, um da-
durch ſein curieuſes Verlangen, allerley fremde und rare Sachen zu ſehen,
ein Genuͤgen zu geben. Einer ſolchen beſchwerlichen Reiſe haben ſich offt-
mals hohe und vornehme Perſonen unternommen, als z. E. der Fuͤrſt von
Radzivil, der wohlgereiſte Herr Thevenot, Monconys, della Valle, Tavernier;
und wer kan ſich aller curieuſen Gemuͤther entſinnen, deren groſſes und faſt
unerſaͤttliches Verlangen, um allerley ungemeine rare Dinge nur beſehen
und erkennen zu moͤgen, ſie bis zu den entlegenſten Welt-Theilen gefuͤhret
hat? Dabey es ſich denn offt begibt, daß manche, wenn ſie nun alles beſehen,
und einen Vorrath vieler raren Dinge allenthalben geſammlet, mit dem ſie
nunmehro wiederum zuruͤck nach ihrem Vaterlande kehren, und den Nutzen
davon erſt recht genieſſen wollen, daß alsdenn in dem Begriff ihrer Ruͤckrei-
ſe entweder durch einen unverhofften Unfall, oder auch durch eine zuſtoſſende
natuͤrliche Kranckheit das gantze Concept auf einmal zerriſſen und ver-
nichtet wird. Solcher Muͤhſeligkeit aber uͤberheben uns die nie genug ge-
prieſene Stifftungen der Raritaͤten-Kammern, Cabinetter, oder insgemein
derer Muſeorum, da man ſolche rare, wunderbare und fremde Sachen zu-
ſammen getragen findet, und wo man ohne einige Gefahr ſolche Dinge in
Augenſchein bekommen kan, die man ſonſt auſſer dem auf weiten Reiſen,
und doch kaum einmal, unmuͤglich alle antreffen wird. Dieſer Nutze waͤre
allein genug, groſſe Potentaten und andre, ſo des Vermoͤgens ſind, zu bewe-
gen, daß ſie zur Erforſchung der Natur und Befoͤrderung der Wiſſenſchaff-
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Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/480>, abgerufen am 22.11.2024.
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