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Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.

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IV. Theil Anmerckungen
"worüber, wenn wir ihnen nahe kommen solten, unsere Vernunfft erstarren,
"und unsere Augen verblenden würden. Und gehen alle in ihrer gewissen
"Ordnung, daß man hier unten ihren gewissen Lauf ablernen, der Planeten
"Zusammenkünffte, Entgegensetzungen und Finsternisse zuvor, ehe sie ge-
"schehen, beschreiben, und also wie die Einwohner des Himmels auf gewisse
"Maß künfftige Dinge wissen können. Diß ist es, was wir über unserm
"Haupte in regione aetherea schweben sehen. Wenden wir unsere Augen
"ad regionem elementarem, in der wir wandeln, und theils mit Füssen be-
"treten, so finden wir daselbst der Wunder so viel, daß sie nicht alle zu erzeh-
"len und zu beschreiben seynd. Wie mancherley Vögel in der Lufft, da im-
"mer einer schöner als der ander bekleidet und gezieret? Wie vielerley Arten
"Fische im Meer und fliessenden Wassern, wie vielerley Thiere auf Erden,
"was für köstliche Dinge finden wir im Schooß der Erden? Wenn man durch
"die tria regna animalium, vegetabilium & mineralium gehen will, was
"für Wunder trifft man da nicht an? und zwar an unterschiedlichen Orten
"der Welt, da die Natur an einem Orte immer herrlicher, reicher und
"künstlicher sich erzeigt, als am andern, davon die Historien-Schreiber,
"Naturkündiger und Chymici zu sagen wissen." Daß man deßwegen billig
mit David ausruffen mag: O Domine Dominus noster, quam admira-
bile est nomen tuum in universa terra?
HErr unser Herrscher, wie herr-
lich ist dein Name in allen Landen?
Und abermal: HErr, wie sind
deine Wercke so groß und viel, du hast sie alle weislich geordnet,
und die Erde ist voll deiner Güte. Wer ihr achtet, hat eitel Lust
daran.

David, Paulus und andere heilige Männer ermuntern uns also zur
erbaulichen und nützlichen Betrachtung der Natur-Wunder, zum Theil
aber ist die Begierde darzu auch in uns selbst dermassen eingepflantzet, daß
niemand, weß Glaub- oder Unglaubens, weß Standes oder Alters er auch
sey, nicht einen innerlichen Trieb darzu empfinden solte. Woher nun diese
innerliche Bewegung bey uns ihren Ursprung habe, ist schon hiebevor weit-
läufftig vorgestellet worden: Daß nemlich unsere Seelen, auch nach dem
Verlust des vormaligen Göttlichen Ebenbildes durch den betrübten Sün-
den-Fall unserer ersten Eltern, von dem Höchsten noch so viel Vermögen be-
halten, durch ämsige Nachforschung einen grossen Begriff der vorigen
Vollkommenheit in der so unbegreifflichen und fast unaussprechlichen Ge-
heimniß-vollen Erkänntniß der Natur erlangen zu können. Ja ein
rechtschaffener Christ kan die Natur-Wissenschafft wegen ihres herrlichen
Nutzens fast gar nicht entbähren. Die Philosophi haben darinnen unter-

schied-

IV. Theil Anmerckungen
„woruͤber, wenn wir ihnen nahe kommen ſolten, unſere Vernunfft erſtarren,
„und unſere Augen verblenden wuͤrden. Und gehen alle in ihrer gewiſſen
„Ordnung, daß man hier unten ihren gewiſſen Lauf ablernen, der Planeten
„Zuſammenkuͤnffte, Entgegenſetzungen und Finſterniſſe zuvor, ehe ſie ge-
„ſchehen, beſchreiben, und alſo wie die Einwohner des Himmels auf gewiſſe
„Maß kuͤnfftige Dinge wiſſen koͤnnen. Diß iſt es, was wir uͤber unſerm
„Haupte in regione ætherea ſchweben ſehen. Wenden wir unſere Augen
ad regionem elementarem, in der wir wandeln, und theils mit Fuͤſſen be-
„treten, ſo finden wir daſelbſt der Wunder ſo viel, daß ſie nicht alle zu erzeh-
„len und zu beſchreiben ſeynd. Wie mancherley Voͤgel in der Lufft, da im-
„mer einer ſchoͤner als der ander bekleidet und gezieret? Wie vielerley Arten
„Fiſche im Meer und flieſſenden Waſſern, wie vielerley Thiere auf Erden,
„was fuͤr koͤſtliche Dinge finden wir im Schooß der Erden? Weñ man durch
„die tria regna animalium, vegetabilium & mineralium gehen will, was
„fuͤr Wunder trifft man da nicht an? und zwar an unterſchiedlichen Orten
„der Welt, da die Natur an einem Orte immer herrlicher, reicher und
„kuͤnſtlicher ſich erzeigt, als am andern, davon die Hiſtorien-Schreiber,
„Naturkuͤndiger und Chymici zu ſagen wiſſen.‟ Daß man deßwegen billig
mit David ausruffen mag: O Domine Dominus noſter, quam admira-
bile eſt nomen tuum in univerſa terra?
HErr unſer Herrſcher, wie herr-
lich iſt dein Name in allen Landen?
Und abermal: HErr, wie ſind
deine Wercke ſo groß und viel, du haſt ſie alle weislich geordnet,
und die Erde iſt voll deiner Guͤte. Wer ihr achtet, hat eitel Luſt
daran.

David, Paulus und andere heilige Maͤnner ermuntern uns alſo zur
erbaulichen und nuͤtzlichen Betrachtung der Natur-Wunder, zum Theil
aber iſt die Begierde darzu auch in uns ſelbſt dermaſſen eingepflantzet, daß
niemand, weß Glaub- oder Unglaubens, weß Standes oder Alters er auch
ſey, nicht einen innerlichen Trieb darzu empfinden ſolte. Woher nun dieſe
innerliche Bewegung bey uns ihren Urſprung habe, iſt ſchon hiebevor weit-
laͤufftig vorgeſtellet worden: Daß nemlich unſere Seelen, auch nach dem
Verluſt des vormaligen Goͤttlichen Ebenbildes durch den betruͤbten Suͤn-
den-Fall unſerer erſten Eltern, von dem Hoͤchſten noch ſo viel Vermoͤgen be-
halten, durch aͤmſige Nachforſchung einen groſſen Begriff der vorigen
Vollkommenheit in der ſo unbegreifflichen und faſt unausſprechlichen Ge-
heimniß-vollen Erkaͤnntniß der Natur erlangen zu koͤnnen. Ja ein
rechtſchaffener Chriſt kan die Natur-Wiſſenſchafft wegen ihres herrlichen
Nutzens faſt gar nicht entbaͤhren. Die Philoſophi haben darinnen unter-

ſchied-
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[438/0466] IV. Theil Anmerckungen „woruͤber, wenn wir ihnen nahe kommen ſolten, unſere Vernunfft erſtarren, „und unſere Augen verblenden wuͤrden. Und gehen alle in ihrer gewiſſen „Ordnung, daß man hier unten ihren gewiſſen Lauf ablernen, der Planeten „Zuſammenkuͤnffte, Entgegenſetzungen und Finſterniſſe zuvor, ehe ſie ge- „ſchehen, beſchreiben, und alſo wie die Einwohner des Himmels auf gewiſſe „Maß kuͤnfftige Dinge wiſſen koͤnnen. Diß iſt es, was wir uͤber unſerm „Haupte in regione ætherea ſchweben ſehen. Wenden wir unſere Augen „ad regionem elementarem, in der wir wandeln, und theils mit Fuͤſſen be- „treten, ſo finden wir daſelbſt der Wunder ſo viel, daß ſie nicht alle zu erzeh- „len und zu beſchreiben ſeynd. Wie mancherley Voͤgel in der Lufft, da im- „mer einer ſchoͤner als der ander bekleidet und gezieret? Wie vielerley Arten „Fiſche im Meer und flieſſenden Waſſern, wie vielerley Thiere auf Erden, „was fuͤr koͤſtliche Dinge finden wir im Schooß der Erden? Weñ man durch „die tria regna animalium, vegetabilium & mineralium gehen will, was „fuͤr Wunder trifft man da nicht an? und zwar an unterſchiedlichen Orten „der Welt, da die Natur an einem Orte immer herrlicher, reicher und „kuͤnſtlicher ſich erzeigt, als am andern, davon die Hiſtorien-Schreiber, „Naturkuͤndiger und Chymici zu ſagen wiſſen.‟ Daß man deßwegen billig mit David ausruffen mag: O Domine Dominus noſter, quam admira- bile eſt nomen tuum in univerſa terra? HErr unſer Herrſcher, wie herr- lich iſt dein Name in allen Landen? Und abermal: HErr, wie ſind deine Wercke ſo groß und viel, du haſt ſie alle weislich geordnet, und die Erde iſt voll deiner Guͤte. Wer ihr achtet, hat eitel Luſt daran. David, Paulus und andere heilige Maͤnner ermuntern uns alſo zur erbaulichen und nuͤtzlichen Betrachtung der Natur-Wunder, zum Theil aber iſt die Begierde darzu auch in uns ſelbſt dermaſſen eingepflantzet, daß niemand, weß Glaub- oder Unglaubens, weß Standes oder Alters er auch ſey, nicht einen innerlichen Trieb darzu empfinden ſolte. Woher nun dieſe innerliche Bewegung bey uns ihren Urſprung habe, iſt ſchon hiebevor weit- laͤufftig vorgeſtellet worden: Daß nemlich unſere Seelen, auch nach dem Verluſt des vormaligen Goͤttlichen Ebenbildes durch den betruͤbten Suͤn- den-Fall unſerer erſten Eltern, von dem Hoͤchſten noch ſo viel Vermoͤgen be- halten, durch aͤmſige Nachforſchung einen groſſen Begriff der vorigen Vollkommenheit in der ſo unbegreifflichen und faſt unausſprechlichen Ge- heimniß-vollen Erkaͤnntniß der Natur erlangen zu koͤnnen. Ja ein rechtſchaffener Chriſt kan die Natur-Wiſſenſchafft wegen ihres herrlichen Nutzens faſt gar nicht entbaͤhren. Die Philoſophi haben darinnen unter- ſchied-

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Zitationshilfe: Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/466>, abgerufen am 23.11.2024.