Durch diese Bestimmung, als formale, nicht materiale Einheit, ist die Idee scharf unterschieden von dem eudämoni- stischen Traum eines irgend einmal zu erreichenden Endzu- stands allseitiger Befriedigung und Stillung jedes Verlangens, wie ihn die religiösen Eschatologien und sozialistischen Utopien geträumt haben. Solche zeigen sich bei näherer Prüfung fast immer beherrscht vom zufälligen engen Erfahrungskreise und den je vorwaltenden, mitunter recht beschränkten empi- rischen Wünschen der Erdichter solcher Traumbilder. Die Einheit der Idee bedeutet dagegen die Einheit eines Grund- satzes, einer Methode. Die praktische Aufgabe allerdings, auf die sie uns hinweist, wird immer empirisch sein; sie schreibt vor, auf das absehbar höchste empirische Ziel unser Be- streben zu richten; immer mit dem Vorbehalt, wenn ein er- höhter Ausblick wiederum grössere Zwecke über den erst an- genommenen erkennen lässt, zu diesen grösseren Zwecken uns zu erheben. Insofern kennt auch der Wille, gerade unter der Leitung der Idee, kein Letztes, nämlich keine letzte empirische Aufgabe. Aber die Wahl der empirischen Aufgaben bekommt so allein Einheit und Richtung, und nichts als diese Einheit der Richtung ist das Letzte, was den Willen bestimmt.
Es droht also auch wiederum nicht die Gefahr, dass wir durch die Erhebung zur Idee die Erfahrung etwa ganz über- fliegen und in jenen "luftleeren Raum", von dem Kant ein- mal spricht, uns versteigen würden, in dem allerdings, wie jedes gegründete Erkennen, so auch jedes redliche Bestreben für den Menschen aufhört; da sein Wille wie sein Verstand nur in der Lebensluft der Erfahrung zu atmen und sich fort- zubewegen geschaffen ist. Man hat oft befürchtet, wer das Un- bedingte sich zum alleinigen Ziel setze, der werde in der That gar nichts erzielen, weil eben nichts, was man Kon- kretes wollen kann, ein Unbedingtes ist. Darauf antwortet die notwendige Zurückbeziehung der Idee auf die Erfahrung. Wille ist nicht bloss Erkenntnis des Ziels, sondern Streben zum Ziel. Ich will vom Zeitlichen aus das Ewige, richtiger: vom Ewigen aus das Zeitliche. Das ewige Gesetz der Idee
Durch diese Bestimmung, als formale, nicht materiale Einheit, ist die Idee scharf unterschieden von dem eudämoni- stischen Traum eines irgend einmal zu erreichenden Endzu- stands allseitiger Befriedigung und Stillung jedes Verlangens, wie ihn die religiösen Eschatologien und sozialistischen Utopien geträumt haben. Solche zeigen sich bei näherer Prüfung fast immer beherrscht vom zufälligen engen Erfahrungskreise und den je vorwaltenden, mitunter recht beschränkten empi- rischen Wünschen der Erdichter solcher Traumbilder. Die Einheit der Idee bedeutet dagegen die Einheit eines Grund- satzes, einer Methode. Die praktische Aufgabe allerdings, auf die sie uns hinweist, wird immer empirisch sein; sie schreibt vor, auf das absehbar höchste empirische Ziel unser Be- streben zu richten; immer mit dem Vorbehalt, wenn ein er- höhter Ausblick wiederum grössere Zwecke über den erst an- genommenen erkennen lässt, zu diesen grösseren Zwecken uns zu erheben. Insofern kennt auch der Wille, gerade unter der Leitung der Idee, kein Letztes, nämlich keine letzte empirische Aufgabe. Aber die Wahl der empirischen Aufgaben bekommt so allein Einheit und Richtung, und nichts als diese Einheit der Richtung ist das Letzte, was den Willen bestimmt.
Es droht also auch wiederum nicht die Gefahr, dass wir durch die Erhebung zur Idee die Erfahrung etwa ganz über- fliegen und in jenen „luftleeren Raum“, von dem Kant ein- mal spricht, uns versteigen würden, in dem allerdings, wie jedes gegründete Erkennen, so auch jedes redliche Bestreben für den Menschen aufhört; da sein Wille wie sein Verstand nur in der Lebensluft der Erfahrung zu atmen und sich fort- zubewegen geschaffen ist. Man hat oft befürchtet, wer das Un- bedingte sich zum alleinigen Ziel setze, der werde in der That gar nichts erzielen, weil eben nichts, was man Kon- kretes wollen kann, ein Unbedingtes ist. Darauf antwortet die notwendige Zurückbeziehung der Idee auf die Erfahrung. Wille ist nicht bloss Erkenntnis des Ziels, sondern Streben zum Ziel. Ich will vom Zeitlichen aus das Ewige, richtiger: vom Ewigen aus das Zeitliche. Das ewige Gesetz der Idee
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Durch diese Bestimmung, als formale, nicht materiale
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stands allseitiger Befriedigung und Stillung jedes Verlangens,
wie ihn die religiösen Eschatologien und sozialistischen Utopien
geträumt haben. Solche zeigen sich bei näherer Prüfung
fast immer beherrscht vom zufälligen engen Erfahrungskreise
und den je vorwaltenden, mitunter recht beschränkten empi-
rischen Wünschen der Erdichter solcher Traumbilder. Die
Einheit der Idee bedeutet dagegen die Einheit eines Grund-
satzes, einer Methode. Die praktische Aufgabe allerdings, auf
die sie uns hinweist, wird immer empirisch sein; sie schreibt
vor, auf das absehbar höchste empirische Ziel unser Be-
streben zu richten; immer mit dem Vorbehalt, wenn ein er-
höhter Ausblick wiederum grössere Zwecke über den erst an-
genommenen erkennen lässt, zu diesen grösseren Zwecken uns
zu erheben. Insofern kennt auch der Wille, gerade unter
der Leitung der Idee, kein Letztes, nämlich keine letzte
empirische Aufgabe. Aber die Wahl der empirischen
Aufgaben bekommt so allein Einheit und Richtung, und nichts
als diese Einheit der Richtung ist das Letzte, was den Willen
bestimmt.
Es droht also auch wiederum nicht die Gefahr, dass wir
durch die Erhebung zur Idee die Erfahrung etwa ganz über-
fliegen und in jenen „luftleeren Raum“, von dem Kant ein-
mal spricht, uns versteigen würden, in dem allerdings, wie
jedes gegründete Erkennen, so auch jedes redliche Bestreben
für den Menschen aufhört; da sein Wille wie sein Verstand
nur in der Lebensluft der Erfahrung zu atmen und sich fort-
zubewegen geschaffen ist. Man hat oft befürchtet, wer das Un-
bedingte sich zum alleinigen Ziel setze, der werde in der
That gar nichts erzielen, weil eben nichts, was man Kon-
kretes wollen kann, ein Unbedingtes ist. Darauf antwortet die
notwendige Zurückbeziehung der Idee auf die Erfahrung.
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/60>, abgerufen am 24.11.2024.
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