in derjenigen formalen Einheit gesucht werden kann, in der alle besonderen Zwecke sich vereinigen. Dem letzten Sinn des Sollens (wie er oben erklärt worden) genügt auch keine bloss empirische Zusammenstimmung der Zwecke, denn über diese lässt sich immer hinausfragen: wozu? -- das heisst eben, zu welchem letzten Ende dient, auf welche letzte Einheit oder Uebereinstimmung zielt diese empirisch begrenzte, also bedingte, abschlusslose Uebereinstimmung, die es immer offen lässt, dass der erweiterten und wieder erweiterten Er- fahrung von neuem eine, bloss jetzt nicht bemerkte Nicht- übereinstimmung sich entdeckt. Einzig die Uebereinstimmung selbst und als solche kann, nicht um eines Andern willen, sondern an sich, bedingungslos gewollt werden. Nur über sie kann nicht ferner hinausgefragt werden, worauf sie ziele, denn diese Frage hat gar keinen andern angebbaren Sinn als den der Forschung nach der letzten Einheit der Zwecke.
Dieses letzten Abschlusses aber kann der Wille auch gar nicht entraten. Ohne ihn bleibt nicht, wie im theoretischen Erkennen, bloss eine letzte Neugier ungestillt, sondern es würde an dem allerersten Anfang des Wollens fehlen, da eben alles Bedingte bei zureichender Besinnung nur bedingt gewollt werden kann, d. h. gewollt um eines Andern willen, das zu- vor gewollt sein muss. Der Abschluss ist aber auch eben darum möglich und jederzeit möglich, weil er ein bloss ge- danklicher ist und zu sein braucht. Im Gedanken erreiche ich das Ziel durch die blosse Zurückbesinnung auf das Ur- gesetz der Einheit, der Uebereinstimmung der Zwecke unter sich, welches ja nur der letzte, uneingeschränkteste Ausdruck ist für das Grundgesetz des Bewusstseins überhaupt. Einheit also ist das Endziel des Willens. Habe ich im Gesichtspunkt meines Denkens, in der blossen Idee Einheit unter meinen Zwecken gestiftet, so habe ich den gesuchten Endpunkt er- reicht, so vermag mein Gedanke hierbei stehen zu bleiben und zu sagen: so wäre es endlich gut, d. h. in Richtigkeit. Es giebt nicht nur keine Nötigung, sondern auch gar keine Mög- lichkeit über diese formale, ebendamit aber und insoweit un- bedingte Einheit auch nur fragend hinauszugehen.
in derjenigen formalen Einheit gesucht werden kann, in der alle besonderen Zwecke sich vereinigen. Dem letzten Sinn des Sollens (wie er oben erklärt worden) genügt auch keine bloss empirische Zusammenstimmung der Zwecke, denn über diese lässt sich immer hinausfragen: wozu? — das heisst eben, zu welchem letzten Ende dient, auf welche letzte Einheit oder Uebereinstimmung zielt diese empirisch begrenzte, also bedingte, abschlusslose Uebereinstimmung, die es immer offen lässt, dass der erweiterten und wieder erweiterten Er- fahrung von neuem eine, bloss jetzt nicht bemerkte Nicht- übereinstimmung sich entdeckt. Einzig die Uebereinstimmung selbst und als solche kann, nicht um eines Andern willen, sondern an sich, bedingungslos gewollt werden. Nur über sie kann nicht ferner hinausgefragt werden, worauf sie ziele, denn diese Frage hat gar keinen andern angebbaren Sinn als den der Forschung nach der letzten Einheit der Zwecke.
Dieses letzten Abschlusses aber kann der Wille auch gar nicht entraten. Ohne ihn bleibt nicht, wie im theoretischen Erkennen, bloss eine letzte Neugier ungestillt, sondern es würde an dem allerersten Anfang des Wollens fehlen, da eben alles Bedingte bei zureichender Besinnung nur bedingt gewollt werden kann, d. h. gewollt um eines Andern willen, das zu- vor gewollt sein muss. Der Abschluss ist aber auch eben darum möglich und jederzeit möglich, weil er ein bloss ge- danklicher ist und zu sein braucht. Im Gedanken erreiche ich das Ziel durch die blosse Zurückbesinnung auf das Ur- gesetz der Einheit, der Uebereinstimmung der Zwecke unter sich, welches ja nur der letzte, uneingeschränkteste Ausdruck ist für das Grundgesetz des Bewusstseins überhaupt. Einheit also ist das Endziel des Willens. Habe ich im Gesichtspunkt meines Denkens, in der blossen Idee Einheit unter meinen Zwecken gestiftet, so habe ich den gesuchten Endpunkt er- reicht, so vermag mein Gedanke hierbei stehen zu bleiben und zu sagen: so wäre es endlich gut, d. h. in Richtigkeit. Es giebt nicht nur keine Nötigung, sondern auch gar keine Mög- lichkeit über diese formale, ebendamit aber und insoweit un- bedingte Einheit auch nur fragend hinauszugehen.
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in derjenigen formalen Einheit gesucht werden kann, in der
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des Sollens (wie er oben erklärt worden) genügt auch keine
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über diese lässt sich immer hinausfragen: wozu? — das
heisst eben, zu welchem letzten Ende dient, auf welche letzte
Einheit oder Uebereinstimmung zielt diese empirisch begrenzte,
also bedingte, abschlusslose Uebereinstimmung, die es immer
offen lässt, dass der erweiterten und wieder erweiterten Er-
fahrung von neuem eine, bloss jetzt nicht bemerkte Nicht-
übereinstimmung sich entdeckt. Einzig die Uebereinstimmung
selbst und als solche kann, nicht um eines Andern willen,
sondern an sich, bedingungslos gewollt werden. Nur über sie
kann nicht ferner hinausgefragt werden, worauf sie ziele, denn
diese Frage hat gar keinen andern angebbaren Sinn als den
der Forschung nach der letzten Einheit der Zwecke.
Dieses letzten Abschlusses aber kann der Wille auch gar
nicht entraten. Ohne ihn bleibt nicht, wie im theoretischen
Erkennen, bloss eine letzte Neugier ungestillt, sondern es
würde an dem allerersten Anfang des Wollens fehlen, da eben
alles Bedingte bei zureichender Besinnung nur bedingt gewollt
werden kann, d. h. gewollt um eines Andern willen, das zu-
vor gewollt sein muss. Der Abschluss ist aber auch eben
darum möglich und jederzeit möglich, weil er ein bloss ge-
danklicher ist und zu sein braucht. Im Gedanken erreiche
ich das Ziel durch die blosse Zurückbesinnung auf das Ur-
gesetz der Einheit, der Uebereinstimmung der Zwecke unter
sich, welches ja nur der letzte, uneingeschränkteste Ausdruck
ist für das Grundgesetz des Bewusstseins überhaupt. Einheit
also ist das Endziel des Willens. Habe ich im Gesichtspunkt
meines Denkens, in der blossen Idee Einheit unter meinen
Zwecken gestiftet, so habe ich den gesuchten Endpunkt er-
reicht, so vermag mein Gedanke hierbei stehen zu bleiben und
zu sagen: so wäre es endlich gut, d. h. in Richtigkeit. Es
giebt nicht nur keine Nötigung, sondern auch gar keine Mög-
lichkeit über diese formale, ebendamit aber und insoweit un-
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/59>, abgerufen am 24.11.2024.
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