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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899.

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der sozialen Thätigkeit bedeutet und bedeuten muss, doch noch
eine nähere Bestimmung, sofern er eine Seite des sozialen
Lebens bezeichnen soll: soziale Wirtschaft allerdings setzt
soziale Regelung voraus*). Indessen ist der Begriff der
Regelung bezw. sozialen Regelung von weiterem Umfang als
der der zu regelnden bezw. sozial zu regelnden Wirtschaft.
Denn wenn auch jede menschliche Thätigkeit unter wirtschaft-
liche, jede soziale Thätigkeit unter sozialwirtschaftliche Er-
wägung fällt, so berührt diese doch nur eine einzige Seite an
dieser, den Verbrauch und Ersatz der aufzuwendenden Kraft.
Nun geht in der Beschaffung von Kräften der Zweck mensch-
licher Thätigkeit doch nicht auf; die Regelung der Thätigkeit
aber, und so auch die soziale Regelung, erstreckt sich auf den
ganzen Zweck der zu regelnden Thätigkeit, nicht auf diese
Seite allein. Sozialer Regelung bedarf auch diejenige soziale
Thätigkeit, die zur Durchführung und beständigen Aufrecht-
erhaltung wie auch Abänderung der sozialen Regelung
selbst
erforderlich ist: die Rechtspflege, die Gesetzgebung.
Das fällt nicht unter den Begriff Wirtschaft. Sozialer Rege-
lung bedarf ebenfalls eine jede gemeinschaftliche Pflege der
Bildung in Wissenschaft, Sittlichkeit, Kunst, Religion. Das
alles lässt sich füglich nicht unter den Begriff Wirtschaft zwin-
gen, sofern nämlich nicht von dabei vorkommenden Ausgaben
und Einnahmen, Unterhalt der beamteten Personen, Sorge für
Baulichkeiten und sonstigen äusseren Bedarf, oder auch der
äusseren Oekonomie der dazu nötigen Arbeit, Bestimmung der
Arbeitszeit nach Rücksichten der Kraftsparung u. dergl., sondern
von dem eigentümlichen Zweck dieser Thätigkeiten

*) Nach Stammlers zweifellos richtiger Bestimmung; dem ich nur
nicht beistimmen kann in der Ablehnung jedes gemeinsamen Begriffs
individualer und sozialer Wirtschaft, und ferner nicht in der Gleichsetzung
der Wirtschaft mit der Materie des sozialen Lebens. Wirtschaft überhaupt
verhält sich zu sozialer Wirtschaft nicht anders als Willensregelung über-
haupt zu sozialer Willensregelung, Menschenvernunft überhaupt zu sozialer
Vernunft. Materie der sozialen Regelung aber, und also des sozialen
Lebens, ist nicht die wirtschaftliche Thätigkeit allein, sondern jede soziale
Thätigkeit, auch die regierende und die bildende. Vgl. weiter unten im
Text, und Arch. II 329 ff.

der sozialen Thätigkeit bedeutet und bedeuten muss, doch noch
eine nähere Bestimmung, sofern er eine Seite des sozialen
Lebens bezeichnen soll: soziale Wirtschaft allerdings setzt
soziale Regelung voraus*). Indessen ist der Begriff der
Regelung bezw. sozialen Regelung von weiterem Umfang als
der der zu regelnden bezw. sozial zu regelnden Wirtschaft.
Denn wenn auch jede menschliche Thätigkeit unter wirtschaft-
liche, jede soziale Thätigkeit unter sozialwirtschaftliche Er-
wägung fällt, so berührt diese doch nur eine einzige Seite an
dieser, den Verbrauch und Ersatz der aufzuwendenden Kraft.
Nun geht in der Beschaffung von Kräften der Zweck mensch-
licher Thätigkeit doch nicht auf; die Regelung der Thätigkeit
aber, und so auch die soziale Regelung, erstreckt sich auf den
ganzen Zweck der zu regelnden Thätigkeit, nicht auf diese
Seite allein. Sozialer Regelung bedarf auch diejenige soziale
Thätigkeit, die zur Durchführung und beständigen Aufrecht-
erhaltung wie auch Abänderung der sozialen Regelung
selbst
erforderlich ist: die Rechtspflege, die Gesetzgebung.
Das fällt nicht unter den Begriff Wirtschaft. Sozialer Rege-
lung bedarf ebenfalls eine jede gemeinschaftliche Pflege der
Bildung in Wissenschaft, Sittlichkeit, Kunst, Religion. Das
alles lässt sich füglich nicht unter den Begriff Wirtschaft zwin-
gen, sofern nämlich nicht von dabei vorkommenden Ausgaben
und Einnahmen, Unterhalt der beamteten Personen, Sorge für
Baulichkeiten und sonstigen äusseren Bedarf, oder auch der
äusseren Oekonomie der dazu nötigen Arbeit, Bestimmung der
Arbeitszeit nach Rücksichten der Kraftsparung u. dergl., sondern
von dem eigentümlichen Zweck dieser Thätigkeiten

*) Nach Stammlers zweifellos richtiger Bestimmung; dem ich nur
nicht beistimmen kann in der Ablehnung jedes gemeinsamen Begriffs
individualer und sozialer Wirtschaft, und ferner nicht in der Gleichsetzung
der Wirtschaft mit der Materie des sozialen Lebens. Wirtschaft überhaupt
verhält sich zu sozialer Wirtschaft nicht anders als Willensregelung über-
haupt zu sozialer Willensregelung, Menschenvernunft überhaupt zu sozialer
Vernunft. Materie der sozialen Regelung aber, und also des sozialen
Lebens, ist nicht die wirtschaftliche Thätigkeit allein, sondern jede soziale
Thätigkeit, auch die regierende und die bildende. Vgl. weiter unten im
Text, und Arch. II 329 ff.
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[153/0169] der sozialen Thätigkeit bedeutet und bedeuten muss, doch noch eine nähere Bestimmung, sofern er eine Seite des sozialen Lebens bezeichnen soll: soziale Wirtschaft allerdings setzt soziale Regelung voraus *). Indessen ist der Begriff der Regelung bezw. sozialen Regelung von weiterem Umfang als der der zu regelnden bezw. sozial zu regelnden Wirtschaft. Denn wenn auch jede menschliche Thätigkeit unter wirtschaft- liche, jede soziale Thätigkeit unter sozialwirtschaftliche Er- wägung fällt, so berührt diese doch nur eine einzige Seite an dieser, den Verbrauch und Ersatz der aufzuwendenden Kraft. Nun geht in der Beschaffung von Kräften der Zweck mensch- licher Thätigkeit doch nicht auf; die Regelung der Thätigkeit aber, und so auch die soziale Regelung, erstreckt sich auf den ganzen Zweck der zu regelnden Thätigkeit, nicht auf diese Seite allein. Sozialer Regelung bedarf auch diejenige soziale Thätigkeit, die zur Durchführung und beständigen Aufrecht- erhaltung wie auch Abänderung der sozialen Regelung selbst erforderlich ist: die Rechtspflege, die Gesetzgebung. Das fällt nicht unter den Begriff Wirtschaft. Sozialer Rege- lung bedarf ebenfalls eine jede gemeinschaftliche Pflege der Bildung in Wissenschaft, Sittlichkeit, Kunst, Religion. Das alles lässt sich füglich nicht unter den Begriff Wirtschaft zwin- gen, sofern nämlich nicht von dabei vorkommenden Ausgaben und Einnahmen, Unterhalt der beamteten Personen, Sorge für Baulichkeiten und sonstigen äusseren Bedarf, oder auch der äusseren Oekonomie der dazu nötigen Arbeit, Bestimmung der Arbeitszeit nach Rücksichten der Kraftsparung u. dergl., sondern von dem eigentümlichen Zweck dieser Thätigkeiten *) Nach Stammlers zweifellos richtiger Bestimmung; dem ich nur nicht beistimmen kann in der Ablehnung jedes gemeinsamen Begriffs individualer und sozialer Wirtschaft, und ferner nicht in der Gleichsetzung der Wirtschaft mit der Materie des sozialen Lebens. Wirtschaft überhaupt verhält sich zu sozialer Wirtschaft nicht anders als Willensregelung über- haupt zu sozialer Willensregelung, Menschenvernunft überhaupt zu sozialer Vernunft. Materie der sozialen Regelung aber, und also des sozialen Lebens, ist nicht die wirtschaftliche Thätigkeit allein, sondern jede soziale Thätigkeit, auch die regierende und die bildende. Vgl. weiter unten im Text, und Arch. II 329 ff.

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Zitationshilfe: Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/169>, abgerufen am 29.11.2024.