(was an der Kunst Kunst, an der Religion Religion ist u. s. f.) die Rede ist. Das fällt weder ausserhalb sozialer Regelung, noch ist es durch den Begriff Wirtschaft irgend zu decken. Der Beruf des Juristen und Staatsmannes, des Gelehrten und Erziehers, des Künstlers, des Geistlichen ist kein wirtschaft- licher, er untersteht aber ohne Zweifel, nicht bloss sofern er auch eine wirtschaftliche Seite hat, sondern nach seinem eigen- tümlichen Zweck, sozialer Regelung. Also ist Wirtschaft zwar eine, und eine vorzüglich wichtige Materie sozialer Regelung, aber nicht die Materie derselben, mithin nicht gleichzusetzen mit der Materie des sozialen Lebens.
Die gleiche relative Selbständigkeit zeigt zweitens die Klasse der regierenden Thätigkeiten. So wie an jeder menschlichen, insbesondere sozialen Thätigkeit der erforderliche Krafteinsatz und die um deswillen nötige Sorge für verfügbare Kraft unter eine eigene Erwägung fällt, so ist an jeder Thätig- keit ferner die Regelung, insbesondere die soziale Regelung als Gegenstand einer eigenen vorsorgenden Thätigkeit ins Auge zu fassen, wobei sowohl die einzusetzenden Kräfte wie der sonstige, besondere Zweck der Thätigkeit als gegeben genommen wird, also für diese eigentümliche Erwägung nicht in Frage steht. Dies findet schon auf das isolierte Leben des Einzelnen Anwendung. Auch für ihn ist ein Eigenes gegenüber der direkt auf den jeweiligen Zweck gerichteten Arbeit die Entwerfung und genaue Innehaltung eines festen Arbeits- planes. Aber eine unvergleichlich grössere Bedeutung und zugleich einen ganz bestimmten neuen Sinn gewinnt diese Aufgabe, sofern es sich um soziale Thätigkeit, d. h. nicht bloss um den Willen des Einzelnen und dessen Gewalt über den Trieb, sondern um Willensbeziehungen unter Mehreren, bald unabsehbar Vielen handelt. Doch ist die Aufgabe darum in letzter Betrachtung ganz dieselbe: Unter- werfung der einzelnen, ohne das bloss triebartigen Thätigkeit unter den voraus aufgestellten Gesamtplan auf bestimmten Zweck gerichteten Thuns.
Wieder kann in der Abgrenzung dieses zweiten Gebietes sozialer Berufe die Erwägung nicht irre machen, dass Regelung
(was an der Kunst Kunst, an der Religion Religion ist u. s. f.) die Rede ist. Das fällt weder ausserhalb sozialer Regelung, noch ist es durch den Begriff Wirtschaft irgend zu decken. Der Beruf des Juristen und Staatsmannes, des Gelehrten und Erziehers, des Künstlers, des Geistlichen ist kein wirtschaft- licher, er untersteht aber ohne Zweifel, nicht bloss sofern er auch eine wirtschaftliche Seite hat, sondern nach seinem eigen- tümlichen Zweck, sozialer Regelung. Also ist Wirtschaft zwar eine, und eine vorzüglich wichtige Materie sozialer Regelung, aber nicht die Materie derselben, mithin nicht gleichzusetzen mit der Materie des sozialen Lebens.
Die gleiche relative Selbständigkeit zeigt zweitens die Klasse der regierenden Thätigkeiten. So wie an jeder menschlichen, insbesondere sozialen Thätigkeit der erforderliche Krafteinsatz und die um deswillen nötige Sorge für verfügbare Kraft unter eine eigene Erwägung fällt, so ist an jeder Thätig- keit ferner die Regelung, insbesondere die soziale Regelung als Gegenstand einer eigenen vorsorgenden Thätigkeit ins Auge zu fassen, wobei sowohl die einzusetzenden Kräfte wie der sonstige, besondere Zweck der Thätigkeit als gegeben genommen wird, also für diese eigentümliche Erwägung nicht in Frage steht. Dies findet schon auf das isolierte Leben des Einzelnen Anwendung. Auch für ihn ist ein Eigenes gegenüber der direkt auf den jeweiligen Zweck gerichteten Arbeit die Entwerfung und genaue Innehaltung eines festen Arbeits- planes. Aber eine unvergleichlich grössere Bedeutung und zugleich einen ganz bestimmten neuen Sinn gewinnt diese Aufgabe, sofern es sich um soziale Thätigkeit, d. h. nicht bloss um den Willen des Einzelnen und dessen Gewalt über den Trieb, sondern um Willensbeziehungen unter Mehreren, bald unabsehbar Vielen handelt. Doch ist die Aufgabe darum in letzter Betrachtung ganz dieselbe: Unter- werfung der einzelnen, ohne das bloss triebartigen Thätigkeit unter den voraus aufgestellten Gesamtplan auf bestimmten Zweck gerichteten Thuns.
Wieder kann in der Abgrenzung dieses zweiten Gebietes sozialer Berufe die Erwägung nicht irre machen, dass Regelung
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[154/0170]
(was an der Kunst Kunst, an der Religion Religion ist u. s. f.)
die Rede ist. Das fällt weder ausserhalb sozialer Regelung,
noch ist es durch den Begriff Wirtschaft irgend zu decken.
Der Beruf des Juristen und Staatsmannes, des Gelehrten und
Erziehers, des Künstlers, des Geistlichen ist kein wirtschaft-
licher, er untersteht aber ohne Zweifel, nicht bloss sofern er
auch eine wirtschaftliche Seite hat, sondern nach seinem eigen-
tümlichen Zweck, sozialer Regelung. Also ist Wirtschaft zwar
eine, und eine vorzüglich wichtige Materie sozialer Regelung,
aber nicht die Materie derselben, mithin nicht gleichzusetzen
mit der Materie des sozialen Lebens.
Die gleiche relative Selbständigkeit zeigt zweitens die
Klasse der regierenden Thätigkeiten. So wie an jeder
menschlichen, insbesondere sozialen Thätigkeit der erforderliche
Krafteinsatz und die um deswillen nötige Sorge für verfügbare
Kraft unter eine eigene Erwägung fällt, so ist an jeder Thätig-
keit ferner die Regelung, insbesondere die soziale Regelung
als Gegenstand einer eigenen vorsorgenden Thätigkeit
ins Auge zu fassen, wobei sowohl die einzusetzenden Kräfte
wie der sonstige, besondere Zweck der Thätigkeit als gegeben
genommen wird, also für diese eigentümliche Erwägung nicht
in Frage steht. Dies findet schon auf das isolierte Leben des
Einzelnen Anwendung. Auch für ihn ist ein Eigenes gegenüber
der direkt auf den jeweiligen Zweck gerichteten Arbeit die
Entwerfung und genaue Innehaltung eines festen Arbeits-
planes. Aber eine unvergleichlich grössere Bedeutung und
zugleich einen ganz bestimmten neuen Sinn gewinnt diese
Aufgabe, sofern es sich um soziale Thätigkeit, d. h. nicht
bloss um den Willen des Einzelnen und dessen Gewalt über
den Trieb, sondern um Willensbeziehungen unter
Mehreren, bald unabsehbar Vielen handelt. Doch ist die
Aufgabe darum in letzter Betrachtung ganz dieselbe: Unter-
werfung der einzelnen, ohne das bloss triebartigen Thätigkeit
unter den voraus aufgestellten Gesamtplan auf bestimmten
Zweck gerichteten Thuns.
Wieder kann in der Abgrenzung dieses zweiten Gebietes
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/170>, abgerufen am 29.11.2024.
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