Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.im Haus Frau Meisterin werden. Frau Bendler Fritz ward es gar eng um das Herz als er im Haus Frau Meiſterin werden. Frau Bendler Fritz ward es gar eng um das Herz als er <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0027" n="21"/> im Haus Frau Meiſterin werden. Frau Bendler<lb/> hatte Gretchen ganz und gar adoptirt, und mit Aus¬<lb/> nahme einiger Legate ſollte ſie einſt ihre alleinige Er¬<lb/> bin ſein.</p><lb/> <p>Fritz ward es gar eng um das Herz als er<lb/> das hörte, und hatte er ſchon vorher wenig Muth<lb/> gehabt, nach Klärchen Krauter zu fragen, ſo wagte<lb/> er es jetzt gar nicht. Am Sonntag nun ſollte er hin¬<lb/> über zur Frau Nachbarin gehen, aber er bat den Va¬<lb/> ter, gar nicht von der Sache zu reden, da er nicht<lb/> wiſſe, wie er dem Gretchen gefallen möchte. Der<lb/> Vater ſchmunzelte. Das ſei nicht gefährlich, meinte<lb/> er, Gretchen habe bei ſeinen Briefen die ſchönſten<lb/> Thränen geweint. Fritz ſchmunzelte nicht, ſein Herz<lb/> ward immer ſchwerer; denn wenn Gretchen auch ein<lb/> braves Mädchen war, ſo hatte ſie doch nicht dunkel¬<lb/> blaue Augen, war nicht ſeine Jugendliebe, und hatte<lb/> ihn nicht auf ſeiner ganzen Wanderſchaft begleitet.<lb/> Als er am Sonntag Morgen aus der Kirche kam und<lb/> unter den Kirchgängern Frau Bendler in Begleitung<lb/> einer jugendlichen Geſtalt erkannte, konnte er ſie un¬<lb/> möglich anreden; er ſchlich ſich von der Seite, er hatte<lb/> dem Vater auch nur verſprochen, gegen Abend ſeine<lb/> Bekanntſchaft drüben zu erneuern. Am Nachmittag<lb/> aber trieb ihn ſeine Unruhe und Sehnſucht vor Klär¬<lb/> chens Fenſter vorüber. Er konnte ſie nicht entdecken,<lb/> nur ihre Mutter ſaß am Fenſter, und zum Glück<lb/> ſchaute ſie nicht auf, ſonſt hätte ſie wohl ſeine Ge¬<lb/> danken auf ſeiner Stirn leſen müſſen. Er ging zum<lb/> Thore hinaus, und kehrte, nachdem er eine Strecke auf<lb/> der Chauſſee entlang gegangen war, wieder um. Da<lb/></p> </body> </text> </TEI> [21/0027]
im Haus Frau Meiſterin werden. Frau Bendler
hatte Gretchen ganz und gar adoptirt, und mit Aus¬
nahme einiger Legate ſollte ſie einſt ihre alleinige Er¬
bin ſein.
Fritz ward es gar eng um das Herz als er
das hörte, und hatte er ſchon vorher wenig Muth
gehabt, nach Klärchen Krauter zu fragen, ſo wagte
er es jetzt gar nicht. Am Sonntag nun ſollte er hin¬
über zur Frau Nachbarin gehen, aber er bat den Va¬
ter, gar nicht von der Sache zu reden, da er nicht
wiſſe, wie er dem Gretchen gefallen möchte. Der
Vater ſchmunzelte. Das ſei nicht gefährlich, meinte
er, Gretchen habe bei ſeinen Briefen die ſchönſten
Thränen geweint. Fritz ſchmunzelte nicht, ſein Herz
ward immer ſchwerer; denn wenn Gretchen auch ein
braves Mädchen war, ſo hatte ſie doch nicht dunkel¬
blaue Augen, war nicht ſeine Jugendliebe, und hatte
ihn nicht auf ſeiner ganzen Wanderſchaft begleitet.
Als er am Sonntag Morgen aus der Kirche kam und
unter den Kirchgängern Frau Bendler in Begleitung
einer jugendlichen Geſtalt erkannte, konnte er ſie un¬
möglich anreden; er ſchlich ſich von der Seite, er hatte
dem Vater auch nur verſprochen, gegen Abend ſeine
Bekanntſchaft drüben zu erneuern. Am Nachmittag
aber trieb ihn ſeine Unruhe und Sehnſucht vor Klär¬
chens Fenſter vorüber. Er konnte ſie nicht entdecken,
nur ihre Mutter ſaß am Fenſter, und zum Glück
ſchaute ſie nicht auf, ſonſt hätte ſie wohl ſeine Ge¬
danken auf ſeiner Stirn leſen müſſen. Er ging zum
Thore hinaus, und kehrte, nachdem er eine Strecke auf
der Chauſſee entlang gegangen war, wieder um. Da
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