gel machte sich bitter fühlbar. Tante Rieke wagte Klärchen nicht anzusprechen, weil sie ja durch eigne Schuld in diese Verlegenheit gekommen war, und auch die Mutter hatte nicht Muth dazu, weil Tante Rieke ihr Weihnachten schon die Miethe geben mußte. So ward denn für jetzt beschlossen, Klärchens Flitterstaat zu verkaufen, den sie um Alles in der Welt doch nicht wieder getragen haben würde. Frau Krauter war sehr zufrieden damit. Wir helfen uns noch einige Wochen hin, dachte sie, länger kann das Würmchen nicht mehr leben, und dann ist Klärchen doppelt fleißig und die Noth hat ein Ende. Der schwarze seidene Mantel und der Sammethut machten den Anfang, dann folg¬ ten allerhand Kleinigkeiten, für die aber sehr wenig eingenommen wurde, und da Tag und Nacht geheizt werden mußte, auch außer Essen und Trinken noch Medizin und allerlei andere Dinge zu beschaffen wa¬ ren, so war bald die Kasse wieder so leer wie zuvor, und Klärchen stand am dritten Weihnachtstage trostlos vor den leeren Kommodenkasten. Noch fand sich eini¬ ges Unbedeutende, das sie sich eigentlich schämte aus¬ zubieten, aber die Mutter brachte einen Thaler dafür. Das Schlimme bei diesem Verkaufen war nur, daß Klärchen für den Flitterstaat nichts Derbes und Festes in der Stelle hatte. Ein Deckentuch war ihr einziges warmes Kleidungsstück und hatte auch bei dem milden Wetter ausgereicht; jetzt hatte sie weder einen Mantel, noch ein warmes Kleid, und konnte kaum die warme Stube verlassen. Aber auch diese Stube war nicht mehr warm zu machen; am Sylvester-Morgen blieb Frau Krauter im Bett liegen, um nicht zu frieren,
gel machte ſich bitter fühlbar. Tante Rieke wagte Klärchen nicht anzuſprechen, weil ſie ja durch eigne Schuld in dieſe Verlegenheit gekommen war, und auch die Mutter hatte nicht Muth dazu, weil Tante Rieke ihr Weihnachten ſchon die Miethe geben mußte. So ward denn für jetzt beſchloſſen, Klärchens Flitterſtaat zu verkaufen, den ſie um Alles in der Welt doch nicht wieder getragen haben würde. Frau Krauter war ſehr zufrieden damit. Wir helfen uns noch einige Wochen hin, dachte ſie, länger kann das Würmchen nicht mehr leben, und dann iſt Klärchen doppelt fleißig und die Noth hat ein Ende. Der ſchwarze ſeidene Mantel und der Sammethut machten den Anfang, dann folg¬ ten allerhand Kleinigkeiten, für die aber ſehr wenig eingenommen wurde, und da Tag und Nacht geheizt werden mußte, auch außer Eſſen und Trinken noch Medizin und allerlei andere Dinge zu beſchaffen wa¬ ren, ſo war bald die Kaſſe wieder ſo leer wie zuvor, und Klärchen ſtand am dritten Weihnachtstage troſtlos vor den leeren Kommodenkaſten. Noch fand ſich eini¬ ges Unbedeutende, das ſie ſich eigentlich ſchämte aus¬ zubieten, aber die Mutter brachte einen Thaler dafür. Das Schlimme bei dieſem Verkaufen war nur, daß Klärchen für den Flitterſtaat nichts Derbes und Feſtes in der Stelle hatte. Ein Deckentuch war ihr einziges warmes Kleidungsſtück und hatte auch bei dem milden Wetter ausgereicht; jetzt hatte ſie weder einen Mantel, noch ein warmes Kleid, und konnte kaum die warme Stube verlaſſen. Aber auch dieſe Stube war nicht mehr warm zu machen; am Sylveſter-Morgen blieb Frau Krauter im Bett liegen, um nicht zu frieren,
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gel machte ſich bitter fühlbar. Tante Rieke wagte
Klärchen nicht anzuſprechen, weil ſie ja durch eigne
Schuld in dieſe Verlegenheit gekommen war, und auch
die Mutter hatte nicht Muth dazu, weil Tante Rieke
ihr Weihnachten ſchon die Miethe geben mußte. So
ward denn für jetzt beſchloſſen, Klärchens Flitterſtaat
zu verkaufen, den ſie um Alles in der Welt doch nicht
wieder getragen haben würde. Frau Krauter war ſehr
zufrieden damit. Wir helfen uns noch einige Wochen
hin, dachte ſie, länger kann das Würmchen nicht mehr
leben, und dann iſt Klärchen doppelt fleißig und die
Noth hat ein Ende. Der ſchwarze ſeidene Mantel
und der Sammethut machten den Anfang, dann folg¬
ten allerhand Kleinigkeiten, für die aber ſehr wenig
eingenommen wurde, und da Tag und Nacht geheizt
werden mußte, auch außer Eſſen und Trinken noch
Medizin und allerlei andere Dinge zu beſchaffen wa¬
ren, ſo war bald die Kaſſe wieder ſo leer wie zuvor,
und Klärchen ſtand am dritten Weihnachtstage troſtlos
vor den leeren Kommodenkaſten. Noch fand ſich eini¬
ges Unbedeutende, das ſie ſich eigentlich ſchämte aus¬
zubieten, aber die Mutter brachte einen Thaler dafür.
Das Schlimme bei dieſem Verkaufen war nur, daß
Klärchen für den Flitterſtaat nichts Derbes und Feſtes
in der Stelle hatte. Ein Deckentuch war ihr einziges
warmes Kleidungsſtück und hatte auch bei dem milden
Wetter ausgereicht; jetzt hatte ſie weder einen Mantel,
noch ein warmes Kleid, und konnte kaum die warme
Stube verlaſſen. Aber auch dieſe Stube war nicht
mehr warm zu machen; am Sylveſter-Morgen blieb
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Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/140>, abgerufen am 15.08.2024.
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