Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.gen, sie saß allein in der Stube, ihr schlummerndes Aber dieser seligen Stunde folgten viele bange, gen, ſie ſaß allein in der Stube, ihr ſchlummerndes Aber dieſer ſeligen Stunde folgten viele bange, <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0139" n="133"/> gen, ſie ſaß allein in der Stube, ihr ſchlummerndes<lb/> Gretchen auf dem Schooße. Schneeflocken fielen leiſe<lb/> nieder, Klärchen ſchaute ſtill hinein, es war ihr, als<lb/> ob ſie durch die weiße Decke doch die ganze Herrlich¬<lb/> keit des Himmels ſähe; ſie fühlte eine Glückſeligkeit<lb/> von da oben ſich in ihr Herz hinabſenken, wie ſie nie<lb/> gefühlt. Sie faltete die Hände: O Du lieber himm¬<lb/> liſcher Vater, halte mich ſo wie Du mich in dieſem<lb/> Augenblicke hältſt, ich fühle mich an Deinem Herzen,<lb/> ich könnte Dir Alles geben, ja auch das Liebſte hier.<lb/> Sie ſah auf ihr bleiches Kind, aber fühlte eine ſelige<lb/> Verklärung im Herzen. Da ſchlug das kleine Gret¬<lb/> chen die matten Augen auf, die Mutter drückte es<lb/> heiß an ihr Herz und ſchluchzte: O Herr, aber gieb<lb/> Du Kraft! ich bin ſchwach, ſehr ſchwach! Sie fühlte<lb/> die Verheißung vom Tode ihres Kindes, und ihr Herz<lb/> konnte ſich beugen.</p><lb/> <p>Aber dieſer ſeligen Stunde folgten viele bange,<lb/> ſie fing wieder an zu zagen, zu ringen, zu hoffen,<lb/> auf Mittel zu ſinnen, wie dem Kinde zu helfen ſei.<lb/> Beſonders glaubte ſie, daß ihre eigne Pflege nöthig<lb/> ſei, und ging deswegen nicht zum Nähen aus, wie<lb/> auch Frau Krauter darüber böſe war; denn wenn Klär¬<lb/> chen meinte, im Hauſe eben ſo viel verdienen zu kön¬<lb/> nen, merkten ſie bald an der Kaſſe, daß dem nicht<lb/> ſo war. Stundenlang trug ſich Klärchen mit dem<lb/> Kinde, oder ſaß von Kummer und Wachen ermattet<lb/> mit müßigen Händen. Bis vierzehn Tage vor Weih¬<lb/> nachten ging es leidlich, der Hausſtand hatte noch<lb/> nicht Mangel gelitten, da trat aber ſtatt des bisheri¬<lb/> gen milden Wetters ſtrenge Kälte ein, und Holzman¬<lb/></p> </body> </text> </TEI> [133/0139]
gen, ſie ſaß allein in der Stube, ihr ſchlummerndes
Gretchen auf dem Schooße. Schneeflocken fielen leiſe
nieder, Klärchen ſchaute ſtill hinein, es war ihr, als
ob ſie durch die weiße Decke doch die ganze Herrlich¬
keit des Himmels ſähe; ſie fühlte eine Glückſeligkeit
von da oben ſich in ihr Herz hinabſenken, wie ſie nie
gefühlt. Sie faltete die Hände: O Du lieber himm¬
liſcher Vater, halte mich ſo wie Du mich in dieſem
Augenblicke hältſt, ich fühle mich an Deinem Herzen,
ich könnte Dir Alles geben, ja auch das Liebſte hier.
Sie ſah auf ihr bleiches Kind, aber fühlte eine ſelige
Verklärung im Herzen. Da ſchlug das kleine Gret¬
chen die matten Augen auf, die Mutter drückte es
heiß an ihr Herz und ſchluchzte: O Herr, aber gieb
Du Kraft! ich bin ſchwach, ſehr ſchwach! Sie fühlte
die Verheißung vom Tode ihres Kindes, und ihr Herz
konnte ſich beugen.
Aber dieſer ſeligen Stunde folgten viele bange,
ſie fing wieder an zu zagen, zu ringen, zu hoffen,
auf Mittel zu ſinnen, wie dem Kinde zu helfen ſei.
Beſonders glaubte ſie, daß ihre eigne Pflege nöthig
ſei, und ging deswegen nicht zum Nähen aus, wie
auch Frau Krauter darüber böſe war; denn wenn Klär¬
chen meinte, im Hauſe eben ſo viel verdienen zu kön¬
nen, merkten ſie bald an der Kaſſe, daß dem nicht
ſo war. Stundenlang trug ſich Klärchen mit dem
Kinde, oder ſaß von Kummer und Wachen ermattet
mit müßigen Händen. Bis vierzehn Tage vor Weih¬
nachten ging es leidlich, der Hausſtand hatte noch
nicht Mangel gelitten, da trat aber ſtatt des bisheri¬
gen milden Wetters ſtrenge Kälte ein, und Holzman¬
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