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Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.

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finden, nahm seine Hand mit beiden Händen und
weinte bitterlich. Das war zu viel für Fritz, er machte
sich los und trat schweigend an das Fenster. Die
Hand, die sie mit Thränen benetzt, legte er auf sein
klopfendes Herz und flehte um Kraft. Fest und ernst
setzte er sich dann zu ihr, sprach tröstliche Worte
zu ihr, aber berührte mehr ihr äußeres Leben. Klär¬
chen, die da meinte, sie hätte zu heftig ihre innere
Bewegung kund gethan und ihn dadurch verletzt, nahm
sich zusammen und versuchte ruhig und gelassen zu spre¬
chen. Das kleine Gretchen ward der Gegenstand der
Unterhaltung. Fritz sagte, wie er und Gretchen auch
solcher Freude entgegen sähen, wie dann die Kinder
zusammen spielen und groß werden könnten. Die
Tante und Gretchen kamen jetzt hinzu, und Klärchen
athmete leichter, die Unterhaltung ward ganz unbe¬
fangen. Die Tante sprach zu Fritz von Klärchens
Wunsch, die Scheidung von Günther so schnell als
möglich gerichtlich zu machen, was bei den vorliegen¬
den Umständen nicht schwer sein konnte. Klärchen
sprach dann von ihren Lebensplänen, daß sie wieder
nähen wolle und mit Gottes Hülfe ihr Kind ernähren
und erziehen. Sie drückte bei diesen Worten ihr Gret¬
chen innig und zärtlich an das Herz und bemerkte
nicht, wie der Tante Blicke wehmüthig auf dem Kinde
ruhten, dessen Augen so groß aus dem kleinen weißen
Gesichtchen herausschauten. Der Mutter schwere Krank¬
heit hatte natürlich auch das Kind halb verkommen
lassen; alle Sachverständige fürchteten für sein Leben,
und nur Klärchen ahnete nichts von dem gefährlichen
Zustande.

finden, nahm ſeine Hand mit beiden Händen und
weinte bitterlich. Das war zu viel für Fritz, er machte
ſich los und trat ſchweigend an das Fenſter. Die
Hand, die ſie mit Thränen benetzt, legte er auf ſein
klopfendes Herz und flehte um Kraft. Feſt und ernſt
ſetzte er ſich dann zu ihr, ſprach tröſtliche Worte
zu ihr, aber berührte mehr ihr äußeres Leben. Klär¬
chen, die da meinte, ſie hätte zu heftig ihre innere
Bewegung kund gethan und ihn dadurch verletzt, nahm
ſich zuſammen und verſuchte ruhig und gelaſſen zu ſpre¬
chen. Das kleine Gretchen ward der Gegenſtand der
Unterhaltung. Fritz ſagte, wie er und Gretchen auch
ſolcher Freude entgegen ſähen, wie dann die Kinder
zuſammen ſpielen und groß werden könnten. Die
Tante und Gretchen kamen jetzt hinzu, und Klärchen
athmete leichter, die Unterhaltung ward ganz unbe¬
fangen. Die Tante ſprach zu Fritz von Klärchens
Wunſch, die Scheidung von Günther ſo ſchnell als
möglich gerichtlich zu machen, was bei den vorliegen¬
den Umſtänden nicht ſchwer ſein konnte. Klärchen
ſprach dann von ihren Lebensplänen, daß ſie wieder
nähen wolle und mit Gottes Hülfe ihr Kind ernähren
und erziehen. Sie drückte bei dieſen Worten ihr Gret¬
chen innig und zärtlich an das Herz und bemerkte
nicht, wie der Tante Blicke wehmüthig auf dem Kinde
ruhten, deſſen Augen ſo groß aus dem kleinen weißen
Geſichtchen herausſchauten. Der Mutter ſchwere Krank¬
heit hatte natürlich auch das Kind halb verkommen
laſſen; alle Sachverſtändige fürchteten für ſein Leben,
und nur Klärchen ahnete nichts von dem gefährlichen
Zuſtande.

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[128/0134] finden, nahm ſeine Hand mit beiden Händen und weinte bitterlich. Das war zu viel für Fritz, er machte ſich los und trat ſchweigend an das Fenſter. Die Hand, die ſie mit Thränen benetzt, legte er auf ſein klopfendes Herz und flehte um Kraft. Feſt und ernſt ſetzte er ſich dann zu ihr, ſprach tröſtliche Worte zu ihr, aber berührte mehr ihr äußeres Leben. Klär¬ chen, die da meinte, ſie hätte zu heftig ihre innere Bewegung kund gethan und ihn dadurch verletzt, nahm ſich zuſammen und verſuchte ruhig und gelaſſen zu ſpre¬ chen. Das kleine Gretchen ward der Gegenſtand der Unterhaltung. Fritz ſagte, wie er und Gretchen auch ſolcher Freude entgegen ſähen, wie dann die Kinder zuſammen ſpielen und groß werden könnten. Die Tante und Gretchen kamen jetzt hinzu, und Klärchen athmete leichter, die Unterhaltung ward ganz unbe¬ fangen. Die Tante ſprach zu Fritz von Klärchens Wunſch, die Scheidung von Günther ſo ſchnell als möglich gerichtlich zu machen, was bei den vorliegen¬ den Umſtänden nicht ſchwer ſein konnte. Klärchen ſprach dann von ihren Lebensplänen, daß ſie wieder nähen wolle und mit Gottes Hülfe ihr Kind ernähren und erziehen. Sie drückte bei dieſen Worten ihr Gret¬ chen innig und zärtlich an das Herz und bemerkte nicht, wie der Tante Blicke wehmüthig auf dem Kinde ruhten, deſſen Augen ſo groß aus dem kleinen weißen Geſichtchen herausſchauten. Der Mutter ſchwere Krank¬ heit hatte natürlich auch das Kind halb verkommen laſſen; alle Sachverſtändige fürchteten für ſein Leben, und nur Klärchen ahnete nichts von dem gefährlichen Zuſtande.

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Zitationshilfe: Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/134>, abgerufen am 26.11.2024.