Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.sich ihm doch nahen dürfe, sie fühlte, daß alle Lust Bald darauf, -- Klärchen war allein mit ihrem ſich ihm doch nahen dürfe, ſie fühlte, daß alle Luſt Bald darauf, — Klärchen war allein mit ihrem <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0133" n="127"/> ſich ihm doch nahen dürfe, ſie fühlte, daß alle Luſt<lb/> und Herrlichkeit der Welt nichts iſt gegen den Frieden,<lb/> den er uns beut. Dieſer Frieden ward nur geſtört<lb/> durch die Erinnerung an die Vergangenheit. Ihre Schuld<lb/> kam ihr oft gar groß vor, aber wenn ſie ſah, wie<lb/> die Tante und Gretchen, ſchwache Menſchen wie ſie<lb/> ſelbſt, ihr nur mit Liebe und Theilnahme ihren Leicht¬<lb/> ſinn, ihre Liebloſigkeit und Verſpottung vergalten, wie<lb/> vielmehr mußte ſie bei dem Herrn Verzeihung finden.<lb/> Ja, der Herr nimmt an ihr reuevolles Herz. Aber<lb/> auch allen Menſchen, denen ſie Unrecht gethan, möchte<lb/> ſie ihre Reue ſagen. Vor allen zogen ihre ſtillen Ge¬<lb/> danken ſie zu Fritz Buchſtein hin; ſie hätte wiſſen mö¬<lb/> gen, ob er ſie nicht gar ſehr verachte und gering<lb/> ſchätze, ob ſie Gretchens Worten trauen und je ſein<lb/> Haus beſuchen dürft, ſie hätte ihm gern ihr demüthi¬<lb/> ges Herz gezeigt und ihn um Verzeihung für ihr lieb¬<lb/> loſes Betragen gegen ihn gebeten. Doch nach ihm<lb/> zu fragen wagte ſie nicht, und als Gretchen einſt er¬<lb/> wähnte: Fritz warte nur auf Erlaubniß, ſeinen Kran¬<lb/> kenbeſuch zu machen, konnte ſie kaum vor innerer Be¬<lb/> wegung dieſe Erlaubniß geben.</p><lb/> <p>Bald darauf, — Klärchen war allein mit ihrem<lb/> Kinde im Zimmer, — öffnete ſich die Thür und Fritz<lb/> trat ein. Klärchen hatte eben ſinnend in den letzten<lb/> Abendſchein geſchaut und gedacht, ob Fritz wirklich<lb/> kommen würde, als er plötzlich vor ihr ſtand. Sie<lb/> erhob ſich erſchrocken vom Stuhl, er aber nöthigte ſie<lb/> zum Sitzen und bot ihr einen freundlichen guten Abend.<lb/> Als er ihr ſo mild und theilnehmend in die Augen<lb/> ſah, ging ihr das Herz über, ſie konnte keine Worte<lb/></p> </body> </text> </TEI> [127/0133]
ſich ihm doch nahen dürfe, ſie fühlte, daß alle Luſt
und Herrlichkeit der Welt nichts iſt gegen den Frieden,
den er uns beut. Dieſer Frieden ward nur geſtört
durch die Erinnerung an die Vergangenheit. Ihre Schuld
kam ihr oft gar groß vor, aber wenn ſie ſah, wie
die Tante und Gretchen, ſchwache Menſchen wie ſie
ſelbſt, ihr nur mit Liebe und Theilnahme ihren Leicht¬
ſinn, ihre Liebloſigkeit und Verſpottung vergalten, wie
vielmehr mußte ſie bei dem Herrn Verzeihung finden.
Ja, der Herr nimmt an ihr reuevolles Herz. Aber
auch allen Menſchen, denen ſie Unrecht gethan, möchte
ſie ihre Reue ſagen. Vor allen zogen ihre ſtillen Ge¬
danken ſie zu Fritz Buchſtein hin; ſie hätte wiſſen mö¬
gen, ob er ſie nicht gar ſehr verachte und gering
ſchätze, ob ſie Gretchens Worten trauen und je ſein
Haus beſuchen dürft, ſie hätte ihm gern ihr demüthi¬
ges Herz gezeigt und ihn um Verzeihung für ihr lieb¬
loſes Betragen gegen ihn gebeten. Doch nach ihm
zu fragen wagte ſie nicht, und als Gretchen einſt er¬
wähnte: Fritz warte nur auf Erlaubniß, ſeinen Kran¬
kenbeſuch zu machen, konnte ſie kaum vor innerer Be¬
wegung dieſe Erlaubniß geben.
Bald darauf, — Klärchen war allein mit ihrem
Kinde im Zimmer, — öffnete ſich die Thür und Fritz
trat ein. Klärchen hatte eben ſinnend in den letzten
Abendſchein geſchaut und gedacht, ob Fritz wirklich
kommen würde, als er plötzlich vor ihr ſtand. Sie
erhob ſich erſchrocken vom Stuhl, er aber nöthigte ſie
zum Sitzen und bot ihr einen freundlichen guten Abend.
Als er ihr ſo mild und theilnehmend in die Augen
ſah, ging ihr das Herz über, ſie konnte keine Worte
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |