bey Dutzenden sich bewilligen zu lassen; so würden die Geschwornen, ungeachtet der Motifen aus dem Magen, nie einen High- wayman in der Mittagsstunde einstimmig verurtheilen gehangen zu werden; so wär in keiner Rathsversammlung, die sich zwischen den beyden Extremen, dem ehrwürdigen Senat des alten Roms biß auf den zeitigen zu Schilda herab, gedenken läßt, iemals ein einmüthiges Conclusum abgefaßt worden; und so säßen die Burgholzheimer Richter noch immer auf ihrer physiognomischen Ge- richtsbank, und zankten über das zu fällen- de Decisum. Da sich aber die Jaherren an das Spörtlerische Gutachten insgesamt anschlossen, so ging dieses gar bald in seine volle Rechtskraft über.
Nach Maßgabe dieses physiognomischen Rechtsspruches, wurde der scheele Veitel, ein angeblicher Erzdieb, seines beharrlichen Ableugnens aller ihm imputirten Diebstähle
unge-
bey Dutzenden ſich bewilligen zu laſſen; ſo wuͤrden die Geſchwornen, ungeachtet der Motifen aus dem Magen, nie einen High- wayman in der Mittagsſtunde einſtimmig verurtheilen gehangen zu werden; ſo waͤr in keiner Rathsverſammlung, die ſich zwiſchen den beyden Extremen, dem ehrwuͤrdigen Senat des alten Roms biß auf den zeitigen zu Schilda herab, gedenken laͤßt, iemals ein einmuͤthiges Concluſum abgefaßt worden; und ſo ſaͤßen die Burgholzheimer Richter noch immer auf ihrer phyſiognomiſchen Ge- richtsbank, und zankten uͤber das zu faͤllen- de Deciſum. Da ſich aber die Jaherren an das Spoͤrtleriſche Gutachten insgeſamt anſchloſſen, ſo ging dieſes gar bald in ſeine volle Rechtskraft uͤber.
Nach Maßgabe dieſes phyſiognomiſchen Rechtsſpruches, wurde der ſcheele Veitel, ein angeblicher Erzdieb, ſeines beharrlichen Ableugnens aller ihm imputirten Diebſtaͤhle
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bey Dutzenden ſich bewilligen zu laſſen; ſo
wuͤrden die Geſchwornen, ungeachtet der
Motifen aus dem Magen, nie einen High-
wayman in der Mittagsſtunde einſtimmig
verurtheilen gehangen zu werden; ſo waͤr in
keiner Rathsverſammlung, die ſich zwiſchen
den beyden Extremen, dem ehrwuͤrdigen
Senat des alten Roms biß auf den zeitigen
zu Schilda herab, gedenken laͤßt, iemals ein
einmuͤthiges Concluſum abgefaßt worden;
und ſo ſaͤßen die Burgholzheimer Richter
noch immer auf ihrer phyſiognomiſchen Ge-
richtsbank, und zankten uͤber das zu faͤllen-
de Deciſum. Da ſich aber die Jaherren
an das Spoͤrtleriſche Gutachten insgeſamt
anſchloſſen, ſo ging dieſes gar bald in ſeine
volle Rechtskraft uͤber.
Nach Maßgabe dieſes phyſiognomiſchen
Rechtsſpruches, wurde der ſcheele Veitel,
ein angeblicher Erzdieb, ſeines beharrlichen
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/44>, abgerufen am 25.11.2024.
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