Ein gutes Anzeichen, dacht ich. Wollt weiter assimiliren, kam mir aber ein Queer- holz in den Weg, weshalb ich flugs aus- beugen mußt' daß ich dabey herum kam. Auch im Munde, fuhr ich fort, eben der denkende Geschmack. Hab das sonderlich observirt, als er bey Tisch das erste Glas Wein trank, wie er Gewächs und Jahr- gang mit denkendem Geschmack prüfte. Sehn Sie wohl: ieder Mensch nach seiner Art. Skweir West ist seiner Profession nach ein Kunstmaler, und Freund L. sagt ihm denkenden Künstlergeschmack aus dem Munde zu, obgleich der Mund mit der Ma- lerprofession nichts gemein hat. Mit grös- serm Rechte kan Vetter Anton vermöge des Mundes auf Geschmack Anspruch machen: Denn er braucht solchen tagtäglich, als ein Werkzeug des Geschmacks, bey Ausübung seiner Weinschmeckerprofession. Durch öf- tere Uebung hat sein Mund einen gewissen
Aus-
Ein gutes Anzeichen, dacht ich. Wollt weiter aſſimiliren, kam mir aber ein Queer- holz in den Weg, weshalb ich flugs aus- beugen mußt’ daß ich dabey herum kam. Auch im Munde, fuhr ich fort, eben der denkende Geſchmack. Hab das ſonderlich obſervirt, als er bey Tiſch das erſte Glas Wein trank, wie er Gewaͤchs und Jahr- gang mit denkendem Geſchmack pruͤfte. Sehn Sie wohl: ieder Menſch nach ſeiner Art. Skweir Weſt iſt ſeiner Profeſſion nach ein Kunſtmaler, und Freund L. ſagt ihm denkenden Kuͤnſtlergeſchmack aus dem Munde zu, obgleich der Mund mit der Ma- lerprofeſſion nichts gemein hat. Mit groͤſ- ſerm Rechte kan Vetter Anton vermoͤge des Mundes auf Geſchmack Anſpruch machen: Denn er braucht ſolchen tagtaͤglich, als ein Werkzeug des Geſchmacks, bey Ausuͤbung ſeiner Weinſchmeckerprofeſſion. Durch oͤf- tere Uebung hat ſein Mund einen gewiſſen
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Ein gutes Anzeichen, dacht ich. Wollt
weiter aſſimiliren, kam mir aber ein Queer-
holz in den Weg, weshalb ich flugs aus-
beugen mußt’ daß ich dabey herum kam.
Auch im Munde, fuhr ich fort, eben der
denkende Geſchmack. Hab das ſonderlich
obſervirt, als er bey Tiſch das erſte Glas
Wein trank, wie er Gewaͤchs und Jahr-
gang mit denkendem Geſchmack pruͤfte.
Sehn Sie wohl: ieder Menſch nach ſeiner
Art. Skweir Weſt iſt ſeiner Profeſſion
nach ein Kunſtmaler, und Freund L. ſagt
ihm denkenden Kuͤnſtlergeſchmack aus dem
Munde zu, obgleich der Mund mit der Ma-
lerprofeſſion nichts gemein hat. Mit groͤſ-
ſerm Rechte kan Vetter Anton vermoͤge des
Mundes auf Geſchmack Anſpruch machen:
Denn er braucht ſolchen tagtaͤglich, als ein
Werkzeug des Geſchmacks, bey Ausuͤbung
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/215>, abgerufen am 27.11.2024.
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