Dagegen machte Vetter Anton Junior keine üble Figur, war von lebhaftem An- sehen, als trieb er sein Gewerb ämsig, die väterlichen Weine zu kosten und den Keller zu revidiren. Seine Konstitution versprach einen rüstigen Stammhalter; nur mocht' ihm der Rost des Knabenscheues noch nicht abgerieben seyn; die Suada präsidirte we- nigstens nicht auf seinen Lippen, wiewohl Huarts Bemerkung hier nicht zutraf, daß der Sohn oft den großen Verstand des Vaters bezahlen müsse. Er thät ängstlich und befangen bey jedem Wort, das er vor- bracht', und schielte so verstohlen nach dem Mädchen, als seys nach einer verbotenen Frucht.
Sein Auge dumm und ehrlich, Schien gänzlich nicht gefährlich.
Jch urtheilt', daß er damit eben keine Er- oberung machen dürfte; wiewohl der Witz- ler F*aff, als einer der Waden nnd Nasen
Philo-
Dagegen machte Vetter Anton Junior keine uͤble Figur, war von lebhaftem An- ſehen, als trieb er ſein Gewerb aͤmſig, die vaͤterlichen Weine zu koſten und den Keller zu revidiren. Seine Konſtitution verſprach einen ruͤſtigen Stammhalter; nur mocht’ ihm der Roſt des Knabenſcheues noch nicht abgerieben ſeyn; die Suada praͤſidirte we- nigſtens nicht auf ſeinen Lippen, wiewohl Huarts Bemerkung hier nicht zutraf, daß der Sohn oft den großen Verſtand des Vaters bezahlen muͤſſe. Er thaͤt aͤngſtlich und befangen bey jedem Wort, das er vor- bracht’, und ſchielte ſo verſtohlen nach dem Maͤdchen, als ſeys nach einer verbotenen Frucht.
Sein Auge dumm und ehrlich, Schien gaͤnzlich nicht gefaͤhrlich.
Jch urtheilt’, daß er damit eben keine Er- oberung machen duͤrfte; wiewohl der Witz- ler F*aff, als einer der Waden nnd Naſen
Philo-
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Dagegen machte Vetter Anton Junior
keine uͤble Figur, war von lebhaftem An-
ſehen, als trieb er ſein Gewerb aͤmſig, die
vaͤterlichen Weine zu koſten und den Keller
zu revidiren. Seine Konſtitution verſprach
einen ruͤſtigen Stammhalter; nur mocht’
ihm der Roſt des Knabenſcheues noch nicht
abgerieben ſeyn; die Suada praͤſidirte we-
nigſtens nicht auf ſeinen Lippen, wiewohl
Huarts Bemerkung hier nicht zutraf, daß
der Sohn oft den großen Verſtand des
Vaters bezahlen muͤſſe. Er thaͤt aͤngſtlich
und befangen bey jedem Wort, das er vor-
bracht’, und ſchielte ſo verſtohlen nach dem
Maͤdchen, als ſeys nach einer verbotenen
Frucht.
Sein Auge dumm und ehrlich,
Schien gaͤnzlich nicht gefaͤhrlich.
Jch urtheilt’, daß er damit eben keine Er-
oberung machen duͤrfte; wiewohl der Witz-
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/197>, abgerufen am 22.11.2024.
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