Philosophen, sein Glück ihm dennoch nicht würde versagt haben. Lieblich wars anzu- schauen, wie das sanfte Mädchen, ob- schon von drey Seiten her belagert, ihrer Schanze so wohl wahrnahm, daß ihr nicht abzumerken war, auf welchem Bollwerk sie die weisse Fahne ausstecken würde um zu kapituliren.
Ueber Tisch wurde von den gleichgültig- sten Dingen gesprochen; aber die Panto- mime welche die Gesellschaft während der Mahlzeit aufführte, erklärte mir vieles, die vorseyende Freyerintrigue betreffend. Erst bemerkt' ich, daß ieder Freyer wußte was der Andre im Schilde führte, wenn sichs schon keiner öffentlich austhät. Zum an- dern war ersichtlich, daß auch Lottchen von dem geheimen Anliegen eines iedweden gute Kundschaft hatte, und wohl wußte, daß sie der goldue Apfel sey, um den die Par- theyen sich zankten. Und ob sie gleich bey
dem
Philoſophen, ſein Gluͤck ihm dennoch nicht wuͤrde verſagt haben. Lieblich wars anzu- ſchauen, wie das ſanfte Maͤdchen, ob- ſchon von drey Seiten her belagert, ihrer Schanze ſo wohl wahrnahm, daß ihr nicht abzumerken war, auf welchem Bollwerk ſie die weiſſe Fahne ausſtecken wuͤrde um zu kapituliren.
Ueber Tiſch wurde von den gleichguͤltig- ſten Dingen geſprochen; aber die Panto- mime welche die Geſellſchaft waͤhrend der Mahlzeit auffuͤhrte, erklaͤrte mir vieles, die vorſeyende Freyerintrigue betreffend. Erſt bemerkt’ ich, daß ieder Freyer wußte was der Andre im Schilde fuͤhrte, wenn ſichs ſchon keiner oͤffentlich austhaͤt. Zum an- dern war erſichtlich, daß auch Lottchen von dem geheimen Anliegen eines iedweden gute Kundſchaft hatte, und wohl wußte, daß ſie der goldue Apfel ſey, um den die Par- theyen ſich zankten. Und ob ſie gleich bey
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Philoſophen, ſein Gluͤck ihm dennoch nicht
wuͤrde verſagt haben. Lieblich wars anzu-
ſchauen, wie das ſanfte Maͤdchen, ob-
ſchon von drey Seiten her belagert, ihrer
Schanze ſo wohl wahrnahm, daß ihr nicht
abzumerken war, auf welchem Bollwerk
ſie die weiſſe Fahne ausſtecken wuͤrde um
zu kapituliren.
Ueber Tiſch wurde von den gleichguͤltig-
ſten Dingen geſprochen; aber die Panto-
mime welche die Geſellſchaft waͤhrend der
Mahlzeit auffuͤhrte, erklaͤrte mir vieles, die
vorſeyende Freyerintrigue betreffend. Erſt
bemerkt’ ich, daß ieder Freyer wußte was
der Andre im Schilde fuͤhrte, wenn ſichs
ſchon keiner oͤffentlich austhaͤt. Zum an-
dern war erſichtlich, daß auch Lottchen von
dem geheimen Anliegen eines iedweden gute
Kundſchaft hatte, und wohl wußte, daß
ſie der goldue Apfel ſey, um den die Par-
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/198>, abgerufen am 22.11.2024.
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