Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

von bräunlicher Farbe und rothen Haaren.
Eine drollige Komposition! die ich nicht in
der Natur zu seyn vermuthete, wenn ich
sie nicht über Tisch zum vis a vis gehabt
hätte. Jch iudizirt' daraus für eine zu-
künftige Schwiegertochter eben nicht viel
anlockendes: denn ob der Ehrenmann wohl
nicht darnach aussah, als wenn er mit den
Königreichen würd' Schach gespielt haben,
wenn ihn das Schicksal von der Weintonne
auf den Thron oder ins Kabinet verpflanzt
hätte: so schiens doch, als wenn er in sei-
nen vier Pfählen ein strenger Despot sey,
und da ieden Stein im Schachspiel nach
seinem Willen rückte. Ausser dem war er
in seinen Handlungen sehr pünktlich und
taktmäßig, völlig der Mann nach der Uhr,
glaub daß er so gar in immer gleichen
Zeitlängen, den Tag über zwölfmal wie
der egyptische Kynokephalus, das Wasser
lasse.

Dage-

von braͤunlicher Farbe und rothen Haaren.
Eine drollige Kompoſition! die ich nicht in
der Natur zu ſeyn vermuthete, wenn ich
ſie nicht uͤber Tiſch zum vis à vis gehabt
haͤtte. Jch iudizirt’ daraus fuͤr eine zu-
kuͤnftige Schwiegertochter eben nicht viel
anlockendes: denn ob der Ehrenmann wohl
nicht darnach ausſah, als wenn er mit den
Koͤnigreichen wuͤrd’ Schach geſpielt haben,
wenn ihn das Schickſal von der Weintonne
auf den Thron oder ins Kabinet verpflanzt
haͤtte: ſo ſchiens doch, als wenn er in ſei-
nen vier Pfaͤhlen ein ſtrenger Deſpot ſey,
und da ieden Stein im Schachſpiel nach
ſeinem Willen ruͤckte. Auſſer dem war er
in ſeinen Handlungen ſehr puͤnktlich und
taktmaͤßig, voͤllig der Mann nach der Uhr,
glaub daß er ſo gar in immer gleichen
Zeitlaͤngen, den Tag uͤber zwoͤlfmal wie
der egyptiſche Kynokephalus, das Waſſer
laſſe.

Dage-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0196" n="188"/>
von bra&#x0364;unlicher Farbe und rothen Haaren.<lb/>
Eine drollige Kompo&#x017F;ition! die ich nicht in<lb/>
der Natur zu &#x017F;eyn vermuthete, wenn ich<lb/>
&#x017F;ie nicht u&#x0364;ber Ti&#x017F;ch zum <hi rendition="#aq">vis à vis</hi> gehabt<lb/>
ha&#x0364;tte. Jch iudizirt&#x2019; daraus fu&#x0364;r eine zu-<lb/>
ku&#x0364;nftige Schwiegertochter eben nicht viel<lb/>
anlockendes: denn ob der Ehrenmann wohl<lb/>
nicht darnach aus&#x017F;ah, als wenn er mit den<lb/><hi rendition="#fr">Ko&#x0364;nigreichen wu&#x0364;rd&#x2019; Schach ge&#x017F;pielt</hi> haben,<lb/>
wenn ihn das Schick&#x017F;al von der Weintonne<lb/>
auf den Thron oder ins Kabinet verpflanzt<lb/>
ha&#x0364;tte: &#x017F;o &#x017F;chiens doch, als wenn er in &#x017F;ei-<lb/>
nen vier Pfa&#x0364;hlen ein &#x017F;trenger De&#x017F;pot &#x017F;ey,<lb/>
und da ieden Stein im Schach&#x017F;piel nach<lb/>
&#x017F;einem Willen ru&#x0364;ckte. Au&#x017F;&#x017F;er dem war er<lb/>
in &#x017F;einen Handlungen &#x017F;ehr pu&#x0364;nktlich und<lb/>
taktma&#x0364;ßig, vo&#x0364;llig der Mann nach der Uhr,<lb/>
glaub daß er &#x017F;o gar in immer gleichen<lb/>
Zeitla&#x0364;ngen, den Tag u&#x0364;ber zwo&#x0364;lfmal wie<lb/>
der egypti&#x017F;che Kynokephalus, das Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
la&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Dage-</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0196] von braͤunlicher Farbe und rothen Haaren. Eine drollige Kompoſition! die ich nicht in der Natur zu ſeyn vermuthete, wenn ich ſie nicht uͤber Tiſch zum vis à vis gehabt haͤtte. Jch iudizirt’ daraus fuͤr eine zu- kuͤnftige Schwiegertochter eben nicht viel anlockendes: denn ob der Ehrenmann wohl nicht darnach ausſah, als wenn er mit den Koͤnigreichen wuͤrd’ Schach geſpielt haben, wenn ihn das Schickſal von der Weintonne auf den Thron oder ins Kabinet verpflanzt haͤtte: ſo ſchiens doch, als wenn er in ſei- nen vier Pfaͤhlen ein ſtrenger Deſpot ſey, und da ieden Stein im Schachſpiel nach ſeinem Willen ruͤckte. Auſſer dem war er in ſeinen Handlungen ſehr puͤnktlich und taktmaͤßig, voͤllig der Mann nach der Uhr, glaub daß er ſo gar in immer gleichen Zeitlaͤngen, den Tag uͤber zwoͤlfmal wie der egyptiſche Kynokephalus, das Waſſer laſſe. Dage-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/196
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/196>, abgerufen am 24.04.2024.