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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779.

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des Allvaters und der stillaufhorchenden Na-
tur ihr ein Geständniß wagen, das sich sei-
nem Herzen nur beym Silberglanz des trau-
lichen Mondes, auf einem Spatziergange
in dem sterbenden Hayn entreissen lasse.
Der besorgte Vater sezte hinzu, er fürchte,
der geistliche Nachtvogel dürfte Lottchen em-
pfindsam machen, und das sey das schlimm-
ste, was sich zutragen könne: denn em-
pfindsame Mädchen wären wie brausender
Most in neuen Gefäßen, die aller Reife
und eiserner Banden der väterlichen Autori-
tät und des Gehorsams spotteten. Dieweil
nun periculum in mora sey, wär nicht
rathsam mit den Sponsalien der Tochter
bis zum nächsten Mondenwechsel zu zögern;
denn da dürft es mit ihrem Herzen nicht
mehr res integra seyn. Daher wünsch' er
gar sehr, mein videtur zu vernehmen, wie
er, ohne mit seiner Costa in offenbaren Ehe-
zwist verwickelt zu werden, seine Absicht

aufs

des Allvaters und der ſtillaufhorchenden Na-
tur ihr ein Geſtaͤndniß wagen, das ſich ſei-
nem Herzen nur beym Silberglanz des trau-
lichen Mondes, auf einem Spatziergange
in dem ſterbenden Hayn entreiſſen laſſe.
Der beſorgte Vater ſezte hinzu, er fuͤrchte,
der geiſtliche Nachtvogel duͤrfte Lottchen em-
pfindſam machen, und das ſey das ſchlimm-
ſte, was ſich zutragen koͤnne: denn em-
pfindſame Maͤdchen waͤren wie brauſender
Moſt in neuen Gefaͤßen, die aller Reife
und eiſerner Banden der vaͤterlichen Autori-
taͤt und des Gehorſams ſpotteten. Dieweil
nun periculum in mora ſey, waͤr nicht
rathſam mit den Sponſalien der Tochter
bis zum naͤchſten Mondenwechſel zu zoͤgern;
denn da duͤrft es mit ihrem Herzen nicht
mehr res integra ſeyn. Daher wuͤnſch’ er
gar ſehr, mein videtur zu vernehmen, wie
er, ohne mit ſeiner Coſta in offenbaren Ehe-
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[160/0168] des Allvaters und der ſtillaufhorchenden Na- tur ihr ein Geſtaͤndniß wagen, das ſich ſei- nem Herzen nur beym Silberglanz des trau- lichen Mondes, auf einem Spatziergange in dem ſterbenden Hayn entreiſſen laſſe. Der beſorgte Vater ſezte hinzu, er fuͤrchte, der geiſtliche Nachtvogel duͤrfte Lottchen em- pfindſam machen, und das ſey das ſchlimm- ſte, was ſich zutragen koͤnne: denn em- pfindſame Maͤdchen waͤren wie brauſender Moſt in neuen Gefaͤßen, die aller Reife und eiſerner Banden der vaͤterlichen Autori- taͤt und des Gehorſams ſpotteten. Dieweil nun periculum in mora ſey, waͤr nicht rathſam mit den Sponſalien der Tochter bis zum naͤchſten Mondenwechſel zu zoͤgern; denn da duͤrft es mit ihrem Herzen nicht mehr res integra ſeyn. Daher wuͤnſch’ er gar ſehr, mein videtur zu vernehmen, wie er, ohne mit ſeiner Coſta in offenbaren Ehe- zwiſt verwickelt zu werden, ſeine Abſicht aufs

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/168>, abgerufen am 22.11.2024.