der Mensch von einem außernatürlichen Zu- stand etwas ahndet; hernach an iede schwa- che Faser sich anhängt und unversehens her- vor bricht; bald im Kopf, bald in den Füßen tobt, im Unterleibe rumort, die Lung entzündet, oder die Nieren züchtiget. So auch der Liebestrieb, wenn ihn gleich der Mithridat der Zwietracht, des Spleens, der Eifersucht, umwickelt und eine Zeitlang unthätig macht, dennoch bricht er bey der geringsten Veranlassung hervor, hängt sich an die Faser der Jmagination, ströhmt aus der Thränenfistel der Melancholey, wirft sich aufs Nervensystem der Empfindsamkeit, und kommt unter irgend einer Chamäleons- gestalt zum Vorschein, wo der Arzt so we- nig als der Kranke weiß, wie er damit dran ist.
"Jch wills Jhnen nicht bergen, daß zuweilen bey meinen einsamen Spaziergän- gen, wenn es mir gelingt den physiognomi-
schen
der Menſch von einem außernatuͤrlichen Zu- ſtand etwas ahndet; hernach an iede ſchwa- che Faſer ſich anhaͤngt und unverſehens her- vor bricht; bald im Kopf, bald in den Fuͤßen tobt, im Unterleibe rumort, die Lung entzuͤndet, oder die Nieren zuͤchtiget. So auch der Liebestrieb, wenn ihn gleich der Mithridat der Zwietracht, des Spleens, der Eiferſucht, umwickelt und eine Zeitlang unthaͤtig macht, dennoch bricht er bey der geringſten Veranlaſſung hervor, haͤngt ſich an die Faſer der Jmagination, ſtroͤhmt aus der Thraͤnenfiſtel der Melancholey, wirft ſich aufs Nervenſyſtem der Empfindſamkeit, und kommt unter irgend einer Chamaͤleons- geſtalt zum Vorſchein, wo der Arzt ſo we- nig als der Kranke weiß, wie er damit dran iſt.
„Jch wills Jhnen nicht bergen, daß zuweilen bey meinen einſamen Spaziergaͤn- gen, wenn es mir gelingt den phyſiognomi-
ſchen
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der Menſch von einem außernatuͤrlichen Zu-
ſtand etwas ahndet; hernach an iede ſchwa-
che Faſer ſich anhaͤngt und unverſehens her-
vor bricht; bald im Kopf, bald in den
Fuͤßen tobt, im Unterleibe rumort, die
Lung entzuͤndet, oder die Nieren zuͤchtiget.
So auch der Liebestrieb, wenn ihn gleich
der Mithridat der Zwietracht, des Spleens,
der Eiferſucht, umwickelt und eine Zeitlang
unthaͤtig macht, dennoch bricht er bey der
geringſten Veranlaſſung hervor, haͤngt ſich
an die Faſer der Jmagination, ſtroͤhmt aus
der Thraͤnenfiſtel der Melancholey, wirft
ſich aufs Nervenſyſtem der Empfindſamkeit,
und kommt unter irgend einer Chamaͤleons-
geſtalt zum Vorſchein, wo der Arzt ſo we-
nig als der Kranke weiß, wie er damit
dran iſt.
„Jch wills Jhnen nicht bergen, daß
zuweilen bey meinen einſamen Spaziergaͤn-
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/68>, abgerufen am 23.07.2024.
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