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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

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schen Sinn auf einige Augenblicke einzu-
schläfern, und ich eben nicht Lust habe zu
botanisiren, meine Phantasie zuweilen un-
vorsetzlich von Bildern belebt wird, die mich
überzeugen, daß mein Herz, ungeachtet
aller empfundenen Kränkungen, die erste
Liebe noch fest hält; und ich fühl es, daß
ihr Band im Grunde unauflößlich ist. Wenn
ich aber Thatsache und Physiognomie wie-
der vergleiche: so werd' ich überzeugt, daß
die Frau, die unter Eidschwüren und Buß-
thränen, mir ihre Treue von neuem gelobte,
die erste beste Piquetparthie wieder anneh-
men würde, die sich ihr darböthe. Dann
versezt sich die Liebe, aus der Faser der
Jmagination, in die Thränendrüse, und
fucht durch diese ihren Ausgang. Jst es
nicht traurig zu denken, daß Menschen, die
ein natürlicher Jnstinkt mit einander verei-
niget hat, wie ein Paar Haubenkrähen; die
gemeinschaftlicher Vortheil zusammen fes-

selt;
E 3

ſchen Sinn auf einige Augenblicke einzu-
ſchlaͤfern, und ich eben nicht Luſt habe zu
botaniſiren, meine Phantaſie zuweilen un-
vorſetzlich von Bildern belebt wird, die mich
uͤberzeugen, daß mein Herz, ungeachtet
aller empfundenen Kraͤnkungen, die erſte
Liebe noch feſt haͤlt; und ich fuͤhl es, daß
ihr Band im Grunde unaufloͤßlich iſt. Wenn
ich aber Thatſache und Phyſiognomie wie-
der vergleiche: ſo werd’ ich uͤberzeugt, daß
die Frau, die unter Eidſchwuͤren und Buß-
thraͤnen, mir ihre Treue von neuem gelobte,
die erſte beſte Piquetparthie wieder anneh-
men wuͤrde, die ſich ihr darboͤthe. Dann
verſezt ſich die Liebe, aus der Faſer der
Jmagination, in die Thraͤnendruͤſe, und
fucht durch dieſe ihren Ausgang. Jſt es
nicht traurig zu denken, daß Menſchen, die
ein natuͤrlicher Jnſtinkt mit einander verei-
niget hat, wie ein Paar Haubenkraͤhen; die
gemeinſchaftlicher Vortheil zuſammen feſ-

ſelt;
E 3
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[69/0069] ſchen Sinn auf einige Augenblicke einzu- ſchlaͤfern, und ich eben nicht Luſt habe zu botaniſiren, meine Phantaſie zuweilen un- vorſetzlich von Bildern belebt wird, die mich uͤberzeugen, daß mein Herz, ungeachtet aller empfundenen Kraͤnkungen, die erſte Liebe noch feſt haͤlt; und ich fuͤhl es, daß ihr Band im Grunde unaufloͤßlich iſt. Wenn ich aber Thatſache und Phyſiognomie wie- der vergleiche: ſo werd’ ich uͤberzeugt, daß die Frau, die unter Eidſchwuͤren und Buß- thraͤnen, mir ihre Treue von neuem gelobte, die erſte beſte Piquetparthie wieder anneh- men wuͤrde, die ſich ihr darboͤthe. Dann verſezt ſich die Liebe, aus der Faſer der Jmagination, in die Thraͤnendruͤſe, und fucht durch dieſe ihren Ausgang. Jſt es nicht traurig zu denken, daß Menſchen, die ein natuͤrlicher Jnſtinkt mit einander verei- niget hat, wie ein Paar Haubenkraͤhen; die gemeinſchaftlicher Vortheil zuſammen feſ- ſelt; E 3

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/69>, abgerufen am 22.11.2024.