Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

sind, unbekümmert läßt: so irrts ihn we-
nig zu wissen, ob durch die Fregmente die
Physiognomik zu einem gewissen Grad der
Vollkommenheit gediehen sey; oder obs da-
mit die Bewandniß habe, wie mit ienem
Gukkasten, von dem der Eigner rühmte,
daß er darinn eine Vorstellung zeigen wolle,
die nicht Abbildung oder Nachahmung, son-
dern wahre Natur in ihrer ungeschminkten
Darstellung sey. Als sich nun die Zu-
schauer Haufenweiß herzudrängten, die Sel-
tenheit in Augenschein zu nehmen, ließ er
Einen nach dem Andern vors Augenglaß
treten und hinein schauen. Alle sahen im
Grunde nichts: denn es war inwendig
stockdunkel. Wie sich nun ieder Beschauer
darob höchlich verwunderte, sprach der Sa-
vojer: das sey ein Stück der egyptischen
Finsterniß in natura, was er zeige, und
weiter enthalte sein Gukkasten nichts, als
eine ewige undurchdringliche Nacht.

Konnts

ſind, unbekuͤmmert laͤßt: ſo irrts ihn we-
nig zu wiſſen, ob durch die Fregmente die
Phyſiognomik zu einem gewiſſen Grad der
Vollkommenheit gediehen ſey; oder obs da-
mit die Bewandniß habe, wie mit ienem
Gukkaſten, von dem der Eigner ruͤhmte,
daß er darinn eine Vorſtellung zeigen wolle,
die nicht Abbildung oder Nachahmung, ſon-
dern wahre Natur in ihrer ungeſchminkten
Darſtellung ſey. Als ſich nun die Zu-
ſchauer Haufenweiß herzudraͤngten, die Sel-
tenheit in Augenſchein zu nehmen, ließ er
Einen nach dem Andern vors Augenglaß
treten und hinein ſchauen. Alle ſahen im
Grunde nichts: denn es war inwendig
ſtockdunkel. Wie ſich nun ieder Beſchauer
darob hoͤchlich verwunderte, ſprach der Sa-
vojer: das ſey ein Stuͤck der egyptiſchen
Finſterniß in natura, was er zeige, und
weiter enthalte ſein Gukkaſten nichts, als
eine ewige undurchdringliche Nacht.

Konnts
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0204" n="204"/>
&#x017F;ind, unbeku&#x0364;mmert la&#x0364;ßt: &#x017F;o irrts ihn we-<lb/>
nig zu wi&#x017F;&#x017F;en, ob durch die Fregmente die<lb/>
Phy&#x017F;iognomik zu einem gewi&#x017F;&#x017F;en Grad der<lb/>
Vollkommenheit gediehen &#x017F;ey; oder obs da-<lb/>
mit die Bewandniß habe, wie mit ienem<lb/>
Gukka&#x017F;ten, von dem der Eigner ru&#x0364;hmte,<lb/>
daß er darinn eine Vor&#x017F;tellung zeigen wolle,<lb/>
die nicht Abbildung oder Nachahmung, &#x017F;on-<lb/>
dern wahre Natur in ihrer unge&#x017F;chminkten<lb/>
Dar&#x017F;tellung &#x017F;ey. Als &#x017F;ich nun die Zu-<lb/>
&#x017F;chauer Haufenweiß herzudra&#x0364;ngten, die Sel-<lb/>
tenheit in Augen&#x017F;chein zu nehmen, ließ er<lb/>
Einen nach dem Andern vors Augenglaß<lb/>
treten und hinein &#x017F;chauen. Alle &#x017F;ahen im<lb/>
Grunde nichts: denn es war inwendig<lb/>
&#x017F;tockdunkel. Wie &#x017F;ich nun ieder Be&#x017F;chauer<lb/>
darob ho&#x0364;chlich verwunderte, &#x017F;prach der Sa-<lb/>
vojer: das &#x017F;ey ein Stu&#x0364;ck der egypti&#x017F;chen<lb/>
Fin&#x017F;terniß in <hi rendition="#aq">natura,</hi> was er zeige, und<lb/>
weiter enthalte &#x017F;ein Gukka&#x017F;ten nichts, als<lb/>
eine ewige undurchdringliche Nacht.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Konnts</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[204/0204] ſind, unbekuͤmmert laͤßt: ſo irrts ihn we- nig zu wiſſen, ob durch die Fregmente die Phyſiognomik zu einem gewiſſen Grad der Vollkommenheit gediehen ſey; oder obs da- mit die Bewandniß habe, wie mit ienem Gukkaſten, von dem der Eigner ruͤhmte, daß er darinn eine Vorſtellung zeigen wolle, die nicht Abbildung oder Nachahmung, ſon- dern wahre Natur in ihrer ungeſchminkten Darſtellung ſey. Als ſich nun die Zu- ſchauer Haufenweiß herzudraͤngten, die Sel- tenheit in Augenſchein zu nehmen, ließ er Einen nach dem Andern vors Augenglaß treten und hinein ſchauen. Alle ſahen im Grunde nichts: denn es war inwendig ſtockdunkel. Wie ſich nun ieder Beſchauer darob hoͤchlich verwunderte, ſprach der Sa- vojer: das ſey ein Stuͤck der egyptiſchen Finſterniß in natura, was er zeige, und weiter enthalte ſein Gukkaſten nichts, als eine ewige undurchdringliche Nacht. Konnts

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/204
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/204>, abgerufen am 18.12.2024.