epha sey das non plus ultra des Studiums, das die sinnreichsten Köpf' hierauf verwen- deten. Dieser ehrwürdigen Decke hätten die Lavaterische Gesichtsgnomik, die Klop- stockische Oden-Kryptik und Meister Ja- kobs Sinnes-Mystik den größten Theil ih- res Rufes zu danken. Denn das sey der Menschen Art und Natur, daß, je weni- ger sie von einer Sache sähen, oder ver- stünden, desto lauter stießen sie in die Tuba der Bewunderung. Dies Problem sey ei- nem Denker nicht schwer zu lösen, ließ sich solches aus der Eitelkeit des menschlichen Herzens erklären, das streichle sich gern mit der Meynung einer tiefen Kenntniß und Einsicht in verborgne Ding', und um diese Meynung von sich auch bey andern zu er- wecken, machten die Anstauner und Lob- posauner so groß Geschrey, und redeten mit Entzücken von Dingen, davon sie in der That so wenig begriffen als andre Leut',
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ἐφα ſey das non plus ultra des Studiums, das die ſinnreichſten Koͤpf’ hierauf verwen- deten. Dieſer ehrwuͤrdigen Decke haͤtten die Lavateriſche Geſichtsgnomik, die Klop- ſtockiſche Oden-Kryptik und Meiſter Ja- kobs Sinnes-Myſtik den groͤßten Theil ih- res Rufes zu danken. Denn das ſey der Menſchen Art und Natur, daß, je weni- ger ſie von einer Sache ſaͤhen, oder ver- ſtuͤnden, deſto lauter ſtießen ſie in die Tuba der Bewunderung. Dies Problem ſey ei- nem Denker nicht ſchwer zu loͤſen, ließ ſich ſolches aus der Eitelkeit des menſchlichen Herzens erklaͤren, das ſtreichle ſich gern mit der Meynung einer tiefen Kenntniß und Einſicht in verborgne Ding’, und um dieſe Meynung von ſich auch bey andern zu er- wecken, machten die Anſtauner und Lob- poſauner ſo groß Geſchrey, und redeten mit Entzuͤcken von Dingen, davon ſie in der That ſo wenig begriffen als andre Leut’,
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ἐφα ſey das non plus ultra des Studiums,
das die ſinnreichſten Koͤpf’ hierauf verwen-
deten. Dieſer ehrwuͤrdigen Decke haͤtten
die Lavateriſche Geſichtsgnomik, die Klop-
ſtockiſche Oden-Kryptik und Meiſter Ja-
kobs Sinnes-Myſtik den groͤßten Theil ih-
res Rufes zu danken. Denn das ſey der
Menſchen Art und Natur, daß, je weni-
ger ſie von einer Sache ſaͤhen, oder ver-
ſtuͤnden, deſto lauter ſtießen ſie in die Tuba
der Bewunderung. Dies Problem ſey ei-
nem Denker nicht ſchwer zu loͤſen, ließ ſich
ſolches aus der Eitelkeit des menſchlichen
Herzens erklaͤren, das ſtreichle ſich gern
mit der Meynung einer tiefen Kenntniß und
Einſicht in verborgne Ding’, und um dieſe
Meynung von ſich auch bey andern zu er-
wecken, machten die Anſtauner und Lob-
poſauner ſo groß Geſchrey, und redeten
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/38>, abgerufen am 03.07.2024.
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