Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Clima. Begegnet mir ein Bauersmann
unweit einer Ortschaft, den frug ich: Lands-
mann wie hoch ist's hier zu Land' am Tage,
nach eurer Uhr im Dorf'? Herr, antwor-
tet derselb' wir haben keine Uhr im Dorf';
aber nach der Bratenuhr der Gutsherrschaft
ist's eben Mittag, denn die Rebhüner sind
braun. Jch konnt' einem gewissen gehei-
men Trieb', der sich doch leicht erklären
ließ, nicht wilderstehen hier einzusprechen,
erfuhr, daß eine tugendsame Wittib benebst
einigen Kostfräulein den Edelhof bewohn,
nahm mir vor ein Abentheuer zu wagen,
und mich bey den Damen a la Bunkel zu
introduciren. Besann mich auf einen der
Weidesprüch' dieses Weibersponsirers, mei-
nen ungebetenen Eintritt zu entschuldigen,
und fuhr nicht übel dabey.

Die Frau vom Hauß', eine feine wohl-
gestalte Dame, in ihren besten Jahren, der
nichts abging, als hie und da ein Zahn,

empfing

Clima. Begegnet mir ein Bauersmann
unweit einer Ortſchaft, den frug ich: Lands-
mann wie hoch iſt’s hier zu Land’ am Tage,
nach eurer Uhr im Dorf’? Herr, antwor-
tet derſelb’ wir haben keine Uhr im Dorf’;
aber nach der Bratenuhr der Gutsherrſchaft
iſt’s eben Mittag, denn die Rebhuͤner ſind
braun. Jch konnt’ einem gewiſſen gehei-
men Trieb’, der ſich doch leicht erklaͤren
ließ, nicht wilderſtehen hier einzuſprechen,
erfuhr, daß eine tugendſame Wittib benebſt
einigen Koſtfraͤulein den Edelhof bewohn,
nahm mir vor ein Abentheuer zu wagen,
und mich bey den Damen à la Bunkel zu
introduciren. Beſann mich auf einen der
Weideſpruͤch’ dieſes Weiberſponſirers, mei-
nen ungebetenen Eintritt zu entſchuldigen,
und fuhr nicht uͤbel dabey.

Die Frau vom Hauß’, eine feine wohl-
geſtalte Dame, in ihren beſten Jahren, der
nichts abging, als hie und da ein Zahn,

empfing
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0159" n="159"/>
Clima. Begegnet mir ein Bauersmann<lb/>
unweit einer Ort&#x017F;chaft, den frug ich: Lands-<lb/>
mann wie hoch i&#x017F;t&#x2019;s hier zu Land&#x2019; am Tage,<lb/>
nach eurer Uhr im Dorf&#x2019;? Herr, antwor-<lb/>
tet der&#x017F;elb&#x2019; wir haben keine Uhr im Dorf&#x2019;;<lb/>
aber nach der Bratenuhr der Gutsherr&#x017F;chaft<lb/>
i&#x017F;t&#x2019;s eben Mittag, denn die Rebhu&#x0364;ner &#x017F;ind<lb/>
braun. Jch konnt&#x2019; einem gewi&#x017F;&#x017F;en gehei-<lb/>
men Trieb&#x2019;, der &#x017F;ich doch leicht erkla&#x0364;ren<lb/>
ließ, nicht wilder&#x017F;tehen hier einzu&#x017F;prechen,<lb/>
erfuhr, daß eine tugend&#x017F;ame Wittib beneb&#x017F;t<lb/>
einigen Ko&#x017F;tfra&#x0364;ulein den Edelhof bewohn,<lb/>
nahm mir vor ein Abentheuer zu wagen,<lb/>
und mich bey den Damen <hi rendition="#aq">à la</hi> Bunkel zu<lb/>
introduciren. Be&#x017F;ann mich auf einen der<lb/>
Weide&#x017F;pru&#x0364;ch&#x2019; die&#x017F;es Weiber&#x017F;pon&#x017F;irers, mei-<lb/>
nen ungebetenen Eintritt zu ent&#x017F;chuldigen,<lb/>
und fuhr nicht u&#x0364;bel dabey.</p><lb/>
        <p>Die Frau vom Hauß&#x2019;, eine feine wohl-<lb/>
ge&#x017F;talte Dame, in ihren be&#x017F;ten Jahren, der<lb/>
nichts abging, als hie und da ein Zahn,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">empfing</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0159] Clima. Begegnet mir ein Bauersmann unweit einer Ortſchaft, den frug ich: Lands- mann wie hoch iſt’s hier zu Land’ am Tage, nach eurer Uhr im Dorf’? Herr, antwor- tet derſelb’ wir haben keine Uhr im Dorf’; aber nach der Bratenuhr der Gutsherrſchaft iſt’s eben Mittag, denn die Rebhuͤner ſind braun. Jch konnt’ einem gewiſſen gehei- men Trieb’, der ſich doch leicht erklaͤren ließ, nicht wilderſtehen hier einzuſprechen, erfuhr, daß eine tugendſame Wittib benebſt einigen Koſtfraͤulein den Edelhof bewohn, nahm mir vor ein Abentheuer zu wagen, und mich bey den Damen à la Bunkel zu introduciren. Beſann mich auf einen der Weideſpruͤch’ dieſes Weiberſponſirers, mei- nen ungebetenen Eintritt zu entſchuldigen, und fuhr nicht uͤbel dabey. Die Frau vom Hauß’, eine feine wohl- geſtalte Dame, in ihren beſten Jahren, der nichts abging, als hie und da ein Zahn, empfing

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/159
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/159>, abgerufen am 21.11.2024.