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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

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Damen führen, die für Physiognomistinnen
gelten können, wo Sie die Fragmente in
einem splendiden Bande, mit dem niedlich-
sten Dräselkästgen vereinbart, antreffen
werden; und so begiebt sichs oft, daß die
Dame Gesichtszüge und Goldfäden zugleich
in Arbeit nimmt, diese auszupft, und jene
ausdeutet, und mit dieser edlen Beschäf-
tigung für den Verstand und für den Beu-
tel gleich viel gewinnt.

Wie? fiel ich hier dem unverschämten
Schwätzer hastig ein, meynt der Herr, daß
die Physiognomik für Weiber geschrieben
sey? Und daß sie blos zum Amüsement
müßiger Köpf dien', wie ein Feenmährgen
für Ammen und Kinder?

Wenn ich Jhnen, erwiedert er, meine
wahre Herzensmeynung entdecken soll, so
geb' ich in der That einem Feenmährgen

glei-

Damen fuͤhren, die fuͤr Phyſiognomiſtinnen
gelten koͤnnen, wo Sie die Fragmente in
einem ſplendiden Bande, mit dem niedlich-
ſten Draͤſelkaͤſtgen vereinbart, antreffen
werden; und ſo begiebt ſichs oft, daß die
Dame Geſichtszuͤge und Goldfaͤden zugleich
in Arbeit nimmt, dieſe auszupft, und jene
ausdeutet, und mit dieſer edlen Beſchaͤf-
tigung fuͤr den Verſtand und fuͤr den Beu-
tel gleich viel gewinnt.

Wie? fiel ich hier dem unverſchaͤmten
Schwaͤtzer haſtig ein, meynt der Herr, daß
die Phyſiognomik fuͤr Weiber geſchrieben
ſey? Und daß ſie blos zum Amuͤſement
muͤßiger Koͤpf dien’, wie ein Feenmaͤhrgen
fuͤr Ammen und Kinder?

Wenn ich Jhnen, erwiedert er, meine
wahre Herzensmeynung entdecken ſoll, ſo
geb’ ich in der That einem Feenmaͤhrgen

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[100/0100] Damen fuͤhren, die fuͤr Phyſiognomiſtinnen gelten koͤnnen, wo Sie die Fragmente in einem ſplendiden Bande, mit dem niedlich- ſten Draͤſelkaͤſtgen vereinbart, antreffen werden; und ſo begiebt ſichs oft, daß die Dame Geſichtszuͤge und Goldfaͤden zugleich in Arbeit nimmt, dieſe auszupft, und jene ausdeutet, und mit dieſer edlen Beſchaͤf- tigung fuͤr den Verſtand und fuͤr den Beu- tel gleich viel gewinnt. Wie? fiel ich hier dem unverſchaͤmten Schwaͤtzer haſtig ein, meynt der Herr, daß die Phyſiognomik fuͤr Weiber geſchrieben ſey? Und daß ſie blos zum Amuͤſement muͤßiger Koͤpf dien’, wie ein Feenmaͤhrgen fuͤr Ammen und Kinder? Wenn ich Jhnen, erwiedert er, meine wahre Herzensmeynung entdecken ſoll, ſo geb’ ich in der That einem Feenmaͤhrgen glei-

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/100>, abgerufen am 21.11.2024.