einem glühenden Blech verraucht, ohne den aufwallenden Busen zu erreichen.
Anfangs hatt' ich keinen Arg daraus, daß es den Leuten so sehr nach der Sophie verlangt; dacht's wär weibliche Neugier und nichts mehr. Staffiert' also das lieb- liche Geschöpf ein wenig 'raus, daß sie gar fein in Gesellschaft figurirt', ließ sie mit zu Tisch sitzen, und da wußt sie mit ihrer klei- nen niedlichen Hand so zierlich vorzulegen, daß das Aug' immer einen Teller mehr be- gehrt' als der Magen; denn weder von der Suite der dreyzehn Hände, noch aus der von neuen in den Fragmenten, kommt der Jhrigen eine an Ebenmaaß und Schönheit bey. Aber bald wurd' das un- schuldige Wohlgefallen freventlich mißge- deutet: Neid und Mißgunst glosterten hin- term Stuhl im Gesellschaftszimmer, lauer- ten hinter Zäun und Büschen beym Prome- niren, trabten neben der Berline her bey der Spazierfarth, blinzten aus ieder Fen- sterlucke auf dem Kirchweg', und kommen- tirten mit Zustimmung des häßlichen Arg- wohns, dieses Teufelsscholiasten, den ich mir von dem Dechent von Pondorf gern aus hiesiger Fluhr möcht wegexorcisiren las-
sen,
einem gluͤhenden Blech verraucht, ohne den aufwallenden Buſen zu erreichen.
Anfangs hatt’ ich keinen Arg daraus, daß es den Leuten ſo ſehr nach der Sophie verlangt; dacht’s waͤr weibliche Neugier und nichts mehr. Staffiert’ alſo das lieb- liche Geſchoͤpf ein wenig ’raus, daß ſie gar fein in Geſellſchaft figurirt’, ließ ſie mit zu Tiſch ſitzen, und da wußt ſie mit ihrer klei- nen niedlichen Hand ſo zierlich vorzulegen, daß das Aug’ immer einen Teller mehr be- gehrt’ als der Magen; denn weder von der Suite der dreyzehn Haͤnde, noch aus der von neuen in den Fragmenten, kommt der Jhrigen eine an Ebenmaaß und Schoͤnheit bey. Aber bald wurd’ das un- ſchuldige Wohlgefallen freventlich mißge- deutet: Neid und Mißgunſt gloſterten hin- term Stuhl im Geſellſchaftszimmer, lauer- ten hinter Zaͤun und Buͤſchen beym Prome- niren, trabten neben der Berline her bey der Spazierfarth, blinzten aus ieder Fen- ſterlucke auf dem Kirchweg’, und kommen- tirten mit Zuſtimmung des haͤßlichen Arg- wohns, dieſes Teufelsſcholiaſten, den ich mir von dem Dechent von Pondorf gern aus hieſiger Fluhr moͤcht wegexorciſiren laſ-
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einem gluͤhenden Blech verraucht, ohne den
aufwallenden Buſen zu erreichen.
Anfangs hatt’ ich keinen Arg daraus,
daß es den Leuten ſo ſehr nach der Sophie
verlangt; dacht’s waͤr weibliche Neugier
und nichts mehr. Staffiert’ alſo das lieb-
liche Geſchoͤpf ein wenig ’raus, daß ſie gar
fein in Geſellſchaft figurirt’, ließ ſie mit zu
Tiſch ſitzen, und da wußt ſie mit ihrer klei-
nen niedlichen Hand ſo zierlich vorzulegen,
daß das Aug’ immer einen Teller mehr be-
gehrt’ als der Magen; denn weder von der
Suite der dreyzehn Haͤnde, noch aus der
von neuen in den Fragmenten, kommt
der Jhrigen eine an Ebenmaaß und
Schoͤnheit bey. Aber bald wurd’ das un-
ſchuldige Wohlgefallen freventlich mißge-
deutet: Neid und Mißgunſt gloſterten hin-
term Stuhl im Geſellſchaftszimmer, lauer-
ten hinter Zaͤun und Buͤſchen beym Prome-
niren, trabten neben der Berline her bey
der Spazierfarth, blinzten aus ieder Fen-
ſterlucke auf dem Kirchweg’, und kommen-
tirten mit Zuſtimmung des haͤßlichen Arg-
wohns, dieſes Teufelsſcholiaſten, den ich
mir von dem Dechent von Pondorf gern
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/136>, abgerufen am 08.07.2024.
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