selb' irgendwo in den Fragmenten: "es be- gegnet mir wenigstens alle Jahr dreymal, daß ich mich von gewissen Gesichtern weg- wenden, und wenn ich in einem Zimmer mit ihnen bin, hinausgehen und frische Luft schöpfen muß. -- Warum meinen Augen denn unerträglich? Ganz einfältig, wegen der erweisbaren Heterogenität der Gesichter." Jch vermein' diese Antwort sey so gut als keine. Sollten unter so viel hundert oder tausend Menschengesichtern, die Herrn L. das Jahr lang vorkommen, nur drey oder vier Heterogene auf ihn treffen, neben wel- chen das Seinige nicht freywillig coexistiren kann; so müßt die Heterogenität gar eine seltene Waar' seyn, die man nicht auf allen Straßen und Märkten fänd, und wenn sie's wär, wie könnt' ohne vorgängige Analyse der bedeutsamen Züg', ein Menschengesicht aufs andre die Wirkung thun, als der Bi- bergeil auf eine empfindsame Nase, und herzgespann, Schwindel und Uebelseyn verursachen? Jch erklär dieß also nicht die Heterogenität der Gesichter, sondern Herrn L. Spleen ist Ursach, wenn er sich von ge- wissen Gesichtern plötzlich hinwegwenden und beyseits gehen muß. 'S mag den gu-
ten
ſelb’ irgendwo in den Fragmenten: „es be- gegnet mir wenigſtens alle Jahr dreymal, daß ich mich von gewiſſen Geſichtern weg- wenden, und wenn ich in einem Zimmer mit ihnen bin, hinausgehen und friſche Luft ſchoͤpfen muß. — Warum meinen Augen denn unertraͤglich? Ganz einfaͤltig, wegen der erweisbaren Heterogenitaͤt der Geſichter.“ Jch vermein’ dieſe Antwort ſey ſo gut als keine. Sollten unter ſo viel hundert oder tauſend Menſchengeſichtern, die Herrn L. das Jahr lang vorkommen, nur drey oder vier Heterogene auf ihn treffen, neben wel- chen das Seinige nicht freywillig coexiſtiren kann; ſo muͤßt die Heterogenitaͤt gar eine ſeltene Waar’ ſeyn, die man nicht auf allen Straßen und Maͤrkten faͤnd, und wenn ſie’s waͤr, wie koͤnnt’ ohne vorgaͤngige Analyſe der bedeutſamen Zuͤg’, ein Menſchengeſicht aufs andre die Wirkung thun, als der Bi- bergeil auf eine empfindſame Naſe, und herzgeſpann, Schwindel und Uebelſeyn verurſachen? Jch erklaͤr dieß alſo nicht die Heterogenitaͤt der Geſichter, ſondern Herrn L. Spleen iſt Urſach, wenn er ſich von ge- wiſſen Geſichtern ploͤtzlich hinwegwenden und beyſeits gehen muß. ’S mag den gu-
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ſelb’ irgendwo in den Fragmenten: „es be-
gegnet mir wenigſtens alle Jahr dreymal,
daß ich mich von gewiſſen Geſichtern weg-
wenden, und wenn ich in einem Zimmer
mit ihnen bin, hinausgehen und friſche Luft
ſchoͤpfen muß. — Warum meinen Augen
denn unertraͤglich? Ganz einfaͤltig, wegen
der erweisbaren Heterogenitaͤt der Geſichter.“
Jch vermein’ dieſe Antwort ſey ſo gut als
keine. Sollten unter ſo viel hundert oder
tauſend Menſchengeſichtern, die Herrn L.
das Jahr lang vorkommen, nur drey oder
vier Heterogene auf ihn treffen, neben wel-
chen das Seinige nicht freywillig coexiſtiren
kann; ſo muͤßt die Heterogenitaͤt gar eine
ſeltene Waar’ ſeyn, die man nicht auf allen
Straßen und Maͤrkten faͤnd, und wenn ſie’s
waͤr, wie koͤnnt’ ohne vorgaͤngige Analyſe
der bedeutſamen Zuͤg’, ein Menſchengeſicht
aufs andre die Wirkung thun, als der Bi-
bergeil auf eine empfindſame Naſe, und
herzgeſpann, Schwindel und Uebelſeyn
verurſachen? Jch erklaͤr dieß alſo nicht die
Heterogenitaͤt der Geſichter, ſondern Herrn
L. Spleen iſt Urſach, wenn er ſich von ge-
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/128>, abgerufen am 08.07.2024.
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