fleißigen soll, damit es keinem einfallen möcht', seiner Sultanschaft allein nachzu- hängen, und nur Bassen stranguliren zu lassen. Da wurd' Einer ein Kunstdreher, der Andre ein Bogenschütz, der Dritte ein Jäger, der die Reigerbeitz' übt' --, worauf sich der ietzige versteht, ist mir nicht bewußt; glaub aber, die alte Sitt' sey in Abnahme gekommen, weil er die Veziers und Muftis so fleißig exilirt, und die Köpf' der Scheiks und Hospodars so gern vor seinem Serail aufgepflanzt sieht.
Das Nebenher ist dem Hauptgeschäft so zuträglich, wie der Weinstock der Ulme: beyde schlingen und verflechten ihre Zweig und Reben durcheinander, wachsen und blü- hen lustig zusammen, indem der allzugeile Ueberwuchs des Hauptstammes, durch die ins Nebengewächs abgeleiteten Säfte zurück- gehalten und bezähmet wird.
Noch nie ist ein theologischer Litholog, Muschelsammler, Schmetterlingsiäger, Bie- nenwärter oder Wurmspäher der Heterodoxie bezüchtiget worden, oder daß einer davon in Glaubenssachen hab Neuerungen begon- nen; aber wer weiß, was der selge Probst Süßmilch, Pastor Schäfer, Eisen, Hahn,
Fulda,
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fleißigen ſoll, damit es keinem einfallen moͤcht’, ſeiner Sultanſchaft allein nachzu- haͤngen, und nur Baſſen ſtranguliren zu laſſen. Da wurd’ Einer ein Kunſtdreher, der Andre ein Bogenſchuͤtz, der Dritte ein Jaͤger, der die Reigerbeitz’ uͤbt’ —, worauf ſich der ietzige verſteht, iſt mir nicht bewußt; glaub aber, die alte Sitt’ ſey in Abnahme gekommen, weil er die Veziers und Muftis ſo fleißig exilirt, und die Koͤpf’ der Scheiks und Hoſpodars ſo gern vor ſeinem Serail aufgepflanzt ſieht.
Das Nebenher iſt dem Hauptgeſchaͤft ſo zutraͤglich, wie der Weinſtock der Ulme: beyde ſchlingen und verflechten ihre Zweig und Reben durcheinander, wachſen und bluͤ- hen luſtig zuſammen, indem der allzugeile Ueberwuchs des Hauptſtammes, durch die ins Nebengewaͤchs abgeleiteten Saͤfte zuruͤck- gehalten und bezaͤhmet wird.
Noch nie iſt ein theologiſcher Litholog, Muſchelſammler, Schmetterlingsiaͤger, Bie- nenwaͤrter oder Wurmſpaͤher der Heterodoxie bezuͤchtiget worden, oder daß einer davon in Glaubensſachen hab Neuerungen begon- nen; aber wer weiß, was der ſelge Probſt Suͤßmilch, Paſtor Schaͤfer, Eiſen, Hahn,
Fulda,
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fleißigen ſoll, damit es keinem einfallen
moͤcht’, ſeiner Sultanſchaft allein nachzu-
haͤngen, und nur Baſſen ſtranguliren zu
laſſen. Da wurd’ Einer ein Kunſtdreher,
der Andre ein Bogenſchuͤtz, der Dritte ein
Jaͤger, der die Reigerbeitz’ uͤbt’ —, worauf
ſich der ietzige verſteht, iſt mir nicht bewußt;
glaub aber, die alte Sitt’ ſey in Abnahme
gekommen, weil er die Veziers und Muftis
ſo fleißig exilirt, und die Koͤpf’ der Scheiks
und Hoſpodars ſo gern vor ſeinem Serail
aufgepflanzt ſieht.
Das Nebenher iſt dem Hauptgeſchaͤft ſo
zutraͤglich, wie der Weinſtock der Ulme:
beyde ſchlingen und verflechten ihre Zweig
und Reben durcheinander, wachſen und bluͤ-
hen luſtig zuſammen, indem der allzugeile
Ueberwuchs des Hauptſtammes, durch die
ins Nebengewaͤchs abgeleiteten Saͤfte zuruͤck-
gehalten und bezaͤhmet wird.
Noch nie iſt ein theologiſcher Litholog,
Muſchelſammler, Schmetterlingsiaͤger, Bie-
nenwaͤrter oder Wurmſpaͤher der Heterodoxie
bezuͤchtiget worden, oder daß einer davon
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/121>, abgerufen am 16.02.2025.
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