am Lehrsystem der Kirch' schrauben und dre- hen darf, so muß die ganze Maschin' wan- delbar und verdorben werden. Kommt mir nicht anders vor, als wenn einer ein Jn- strument hätt', von einem guten Meister ge- fertiget und bezogen; nun käm einer her, dreht' einen Wirbel links den andern rechts, wär all' Harmonie und der ganze Gebrauch des Kunstwerks verlohren, bis der Meister es wieder zurecht stimmt'.
Eben drum haben unsre Vorfahren ihre Lehr in die symbolischen Bücher verfaßt, welche sind das eigentliche Resultat aller von ihnen für wahr und richtig erkaunten Glau- bensmeinungen. Wer nun diesen beyzutre- ten und sich zu ihrer Gemeind' zu halten ge- dacht', den konnten sie nach allen Rechten eidlich, oder wie's ihnen gutdünkt', verbin- den, ihre Lehrsätz zu bekennen und nicht da- von abzuweichen in keinem Stück. Jst nun viel Schreyens und Disputirens in unsern Tagen, das sey Gewissenszwang: mit nich- ten! Jst nichts weiter als ein bürgerlicher Kontrakt, den beyde Theil' mit einander schließen, die ganze Kommun mit einem ie- den ihrer Glieder, zu Aufrechthaltung ih- res Jnstituts. Kommen sie all' mit einan-
der
am Lehrſyſtem der Kirch’ ſchrauben und dre- hen darf, ſo muß die ganze Maſchin’ wan- delbar und verdorben werden. Kommt mir nicht anders vor, als wenn einer ein Jn- ſtrument haͤtt’, von einem guten Meiſter ge- fertiget und bezogen; nun kaͤm einer her, dreht’ einen Wirbel links den andern rechts, waͤr all’ Harmonie und der ganze Gebrauch des Kunſtwerks verlohren, bis der Meiſter es wieder zurecht ſtimmt’.
Eben drum haben unſre Vorfahren ihre Lehr in die ſymboliſchen Buͤcher verfaßt, welche ſind das eigentliche Reſultat aller von ihnen fuͤr wahr und richtig erkaunten Glau- bensmeinungen. Wer nun dieſen beyzutre- ten und ſich zu ihrer Gemeind’ zu halten ge- dacht’, den konnten ſie nach allen Rechten eidlich, oder wie’s ihnen gutduͤnkt’, verbin- den, ihre Lehrſaͤtz zu bekennen und nicht da- von abzuweichen in keinem Stuͤck. Jſt nun viel Schreyens und Diſputirens in unſern Tagen, das ſey Gewiſſenszwang: mit nich- ten! Jſt nichts weiter als ein buͤrgerlicher Kontrakt, den beyde Theil’ mit einander ſchließen, die ganze Kommun mit einem ie- den ihrer Glieder, zu Aufrechthaltung ih- res Jnſtituts. Kommen ſie all’ mit einan-
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am Lehrſyſtem der Kirch’ ſchrauben und dre-
hen darf, ſo muß die ganze Maſchin’ wan-
delbar und verdorben werden. Kommt mir
nicht anders vor, als wenn einer ein Jn-
ſtrument haͤtt’, von einem guten Meiſter ge-
fertiget und bezogen; nun kaͤm einer her,
dreht’ einen Wirbel links den andern rechts,
waͤr all’ Harmonie und der ganze Gebrauch
des Kunſtwerks verlohren, bis der Meiſter
es wieder zurecht ſtimmt’.
Eben drum haben unſre Vorfahren ihre
Lehr in die ſymboliſchen Buͤcher verfaßt,
welche ſind das eigentliche Reſultat aller von
ihnen fuͤr wahr und richtig erkaunten Glau-
bensmeinungen. Wer nun dieſen beyzutre-
ten und ſich zu ihrer Gemeind’ zu halten ge-
dacht’, den konnten ſie nach allen Rechten
eidlich, oder wie’s ihnen gutduͤnkt’, verbin-
den, ihre Lehrſaͤtz zu bekennen und nicht da-
von abzuweichen in keinem Stuͤck. Jſt nun
viel Schreyens und Diſputirens in unſern
Tagen, das ſey Gewiſſenszwang: mit nich-
ten! Jſt nichts weiter als ein buͤrgerlicher
Kontrakt, den beyde Theil’ mit einander
ſchließen, die ganze Kommun mit einem ie-
den ihrer Glieder, zu Aufrechthaltung ih-
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/117>, abgerufen am 08.07.2024.
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