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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779.

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Blute ins Gesicht sagte, voriezt sey das für
ihn nur Grimassen, Schall und Wasser.

"O das entvaterte Herz! rief ich aus,
aus Platina zusammen geschmolzen, hart
und unbeugsam im Feuer selbst!"

Jch schwieg. Ein tiefer stummer Schmerz
betäubte mich; aber beym ersten Augenblick
der Ueberlegung rafte ich einige Kleinigkei-
ten zusammen, und verließ unter Begün-
stigung einer Mondhellen Nacht, meine vä-
terliche Wohnung als Flüchtling, die ich
nie anders als im Brautgepränge zu verlas-
sen gedachte.

Vor Herzdrückenden Jammer konnte das
Mädchen nicht weiter reden. -- Wein' dich
aus mein' Tochter, sprach ich im iammern-
den Ton, wein' dich aus, wischte dabey
ein paar große Thränen, wie die Tropfen
von geschmolzenen Schloßen aus den Au-
gen. Sie bemerkt's, gewann Vertrauen
zu mir, rückt' ihren Basthut, als um sich
zu lüften in die Höh', daß ich sie anschauen
konnt' die reine keusche Engelphysiognomie,
wie sie da stund in ihrer hohen Menschen-
würde, gleich der Heva, als sie aus der
Ribbe Adams zur Männin hervorkeimte in
einer Unschuldswelt.

Weiß

Blute ins Geſicht ſagte, voriezt ſey das fuͤr
ihn nur Grimaſſen, Schall und Waſſer.

„O das entvaterte Herz! rief ich aus,
aus Platina zuſammen geſchmolzen, hart
und unbeugſam im Feuer ſelbſt!“

Jch ſchwieg. Ein tiefer ſtummer Schmerz
betaͤubte mich; aber beym erſten Augenblick
der Ueberlegung rafte ich einige Kleinigkei-
ten zuſammen, und verließ unter Beguͤn-
ſtigung einer Mondhellen Nacht, meine vaͤ-
terliche Wohnung als Fluͤchtling, die ich
nie anders als im Brautgepraͤnge zu verlaſ-
ſen gedachte.

Vor Herzdruͤckenden Jammer konnte das
Maͤdchen nicht weiter reden. — Wein’ dich
aus mein’ Tochter, ſprach ich im iammern-
den Ton, wein’ dich aus, wiſchte dabey
ein paar große Thraͤnen, wie die Tropfen
von geſchmolzenen Schloßen aus den Au-
gen. Sie bemerkt’s, gewann Vertrauen
zu mir, ruͤckt’ ihren Baſthut, als um ſich
zu luͤften in die Hoͤh’, daß ich ſie anſchauen
konnt’ die reine keuſche Engelphyſiognomie,
wie ſie da ſtund in ihrer hohen Menſchen-
wuͤrde, gleich der Heva, als ſie aus der
Ribbe Adams zur Maͤnnin hervorkeimte in
einer Unſchuldswelt.

Weiß
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[100/0106] Blute ins Geſicht ſagte, voriezt ſey das fuͤr ihn nur Grimaſſen, Schall und Waſſer. „O das entvaterte Herz! rief ich aus, aus Platina zuſammen geſchmolzen, hart und unbeugſam im Feuer ſelbſt!“ Jch ſchwieg. Ein tiefer ſtummer Schmerz betaͤubte mich; aber beym erſten Augenblick der Ueberlegung rafte ich einige Kleinigkei- ten zuſammen, und verließ unter Beguͤn- ſtigung einer Mondhellen Nacht, meine vaͤ- terliche Wohnung als Fluͤchtling, die ich nie anders als im Brautgepraͤnge zu verlaſ- ſen gedachte. Vor Herzdruͤckenden Jammer konnte das Maͤdchen nicht weiter reden. — Wein’ dich aus mein’ Tochter, ſprach ich im iammern- den Ton, wein’ dich aus, wiſchte dabey ein paar große Thraͤnen, wie die Tropfen von geſchmolzenen Schloßen aus den Au- gen. Sie bemerkt’s, gewann Vertrauen zu mir, ruͤckt’ ihren Baſthut, als um ſich zu luͤften in die Hoͤh’, daß ich ſie anſchauen konnt’ die reine keuſche Engelphyſiognomie, wie ſie da ſtund in ihrer hohen Menſchen- wuͤrde, gleich der Heva, als ſie aus der Ribbe Adams zur Maͤnnin hervorkeimte in einer Unſchuldswelt. Weiß

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/106>, abgerufen am 22.11.2024.