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Muralt, Johann von: Eydgnössischer Lust-Garte. Zürich, 1715.

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Das 7. Capitel.

Nun ist nöthig/ daß ein lehrnbegieriger
Kräutler (Botanicus) erkenne vor allem so wol
die neuaufkeimenden Gewächslein als die er-
wachsenen/ so die nunmehr Blumen und Saamen
tragen. Nach Dioscoridis Lehre soll jeder Kräut-
ler/ jedes je nach allen dreyen Alteren seines
Wachsthums erkennen.

Demnach änderet sich in einem und eben dero-
selben Arth der Gewächsen die Gestalt der Blu-
men/ so wol als derselben Blätteren gar vielmale
ab/ daß man öffters das wesenliches Geschlecht
(Genus essentiale) von den Blätteren/ die vieler-
ley Gattungen desselben aber von den Blumen
hernemmen muß; wie es auß denen vielen Gat-
tungen der Nieß- oder? Christwurtzen (Hellebo-
rinis speciebus
) erhället/ da alle einanderen glei-
chen an den Blätteren/ aber ungleich sind an
Blumen. Als zum Beyspiel/ unter das Ge-
schlecht der Nießwurtzen zehlet sich auch (wie der
verfügter der obgedachten neuen Kräuter-Ord-
nung selbs gestehet) die Frauenschülein: dann
dessen Blätter gleichen der Nießwurtzel/ ob des-
sen Blume schon gantz anderst gestaltet sind.

Uber das ist gantz irrig/ daß die Blätter/
Wurtzlen/ Fäseren und die Stängel nur zufäl-
lige Theile der Gewächsen seyen: dann es befin-
det sich in jedem dieser Theilen der Gewächsen/
eben derselbig flüchtig Geist/ melcher in den Blu-
men und Saamen verschlossen/ die erfrieschet/
zu grünen machet und sich selbs außbreitet.
Wir übergehen auch andere berühmte und in der

Kräut-
Das 7. Capitel.

Nun iſt noͤthig/ daß ein lehrnbegieriger
Kraͤutler (Botanicus) erkenne vor allem ſo wol
die neuaufkeimenden Gewaͤchslein als die er-
wachſenen/ ſo die nunmehr Blumen und Saamen
tragen. Nach Dioſcoridis Lehre ſoll jeder Kraͤut-
ler/ jedes je nach allen dreyen Alteren ſeines
Wachsthums erkennen.

Demnach aͤnderet ſich in einem und eben dero-
ſelben Arth der Gewaͤchſen die Geſtalt der Blu-
men/ ſo wol als derſelben Blaͤtteren gar vielmale
ab/ daß man oͤffters das weſenliches Geſchlecht
(Genus eſſentiale) von den Blaͤtteren/ die vieler-
ley Gattungen deſſelben aber von den Blumen
hernemmen muß; wie es auß denen vielen Gat-
tungen der Nieß- oder? Chriſtwurtzen (Hellebo-
rinis ſpeciebus
) erhaͤllet/ da alle einanderen glei-
chen an den Blaͤtteren/ aber ungleich ſind an
Blumen. Als zum Beyſpiel/ unter das Ge-
ſchlecht der Nießwurtzen zehlet ſich auch (wie der
verfuͤgter der obgedachten neuen Kraͤuter-Ord-
nung ſelbs geſtehet) die Frauenſchuͤlein: dann
deſſen Blaͤtter gleichen der Nießwurtzel/ ob deſ-
ſen Blume ſchon gantz anderſt geſtaltet ſind.

Uber das iſt gantz irꝛig/ daß die Blaͤtter/
Wurtzlen/ Faͤſeren und die Staͤngel nur zufaͤl-
lige Theile der Gewaͤchſen ſeyen: dann es befin-
det ſich in jedem dieſer Theilen der Gewaͤchſen/
eben derſelbig fluͤchtig Geiſt/ melcher in den Blu-
men und Saamen verſchloſſen/ die erfrieſchet/
zu gruͤnen machet und ſich ſelbs außbreitet.
Wir uͤbergehen auch andere beruͤhmte und in der

Kraͤut-
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[66/0098] Das 7. Capitel. Nun iſt noͤthig/ daß ein lehrnbegieriger Kraͤutler (Botanicus) erkenne vor allem ſo wol die neuaufkeimenden Gewaͤchslein als die er- wachſenen/ ſo die nunmehr Blumen und Saamen tragen. Nach Dioſcoridis Lehre ſoll jeder Kraͤut- ler/ jedes je nach allen dreyen Alteren ſeines Wachsthums erkennen. Demnach aͤnderet ſich in einem und eben dero- ſelben Arth der Gewaͤchſen die Geſtalt der Blu- men/ ſo wol als derſelben Blaͤtteren gar vielmale ab/ daß man oͤffters das weſenliches Geſchlecht (Genus eſſentiale) von den Blaͤtteren/ die vieler- ley Gattungen deſſelben aber von den Blumen hernemmen muß; wie es auß denen vielen Gat- tungen der Nieß- oder? Chriſtwurtzen (Hellebo- rinis ſpeciebus) erhaͤllet/ da alle einanderen glei- chen an den Blaͤtteren/ aber ungleich ſind an Blumen. Als zum Beyſpiel/ unter das Ge- ſchlecht der Nießwurtzen zehlet ſich auch (wie der verfuͤgter der obgedachten neuen Kraͤuter-Ord- nung ſelbs geſtehet) die Frauenſchuͤlein: dann deſſen Blaͤtter gleichen der Nießwurtzel/ ob deſ- ſen Blume ſchon gantz anderſt geſtaltet ſind. Uber das iſt gantz irꝛig/ daß die Blaͤtter/ Wurtzlen/ Faͤſeren und die Staͤngel nur zufaͤl- lige Theile der Gewaͤchſen ſeyen: dann es befin- det ſich in jedem dieſer Theilen der Gewaͤchſen/ eben derſelbig fluͤchtig Geiſt/ melcher in den Blu- men und Saamen verſchloſſen/ die erfrieſchet/ zu gruͤnen machet und ſich ſelbs außbreitet. Wir uͤbergehen auch andere beruͤhmte und in der Kraͤut-

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Zitationshilfe: Muralt, Johann von: Eydgnössischer Lust-Garte. Zürich, 1715, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muralt_lustgarte_1715/98>, abgerufen am 24.11.2024.