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Muralt, Johann von: Eydgnössischer Lust-Garte. Zürich, 1715.

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Das 1. Capitel.

Das Sprößlein ist ein Schößling/ der auß
dem Ast herkomt/ und mit dem Gewächs-Geiste
gantz außgeschwängeret ist/ daher es einfaltig zart
und dünn auß den Aesten herfür bricht/ und zum
neuen Aestlein wird/ das zum zweygen tüchtig/
oder daran sich am Halme die Aere zur Saat ge-
stalten.

Die Lufft-Aederlein sind kleine/ in der Wur-
zen der Bäumen befindliche Kreiß-weiß gewun-
dene Röhrlein/ welche mit einem Nez-förmigen
Geflechte umschlossen/ dessen Zwüschen-Raum
hartlechte Holtz-Zäserlein außfüllen/ die dann
samtlich mit einer weichen und dicklichten Rinden
zu gedecket sind/ und in Holtz-Fäseren und Lufft-
Schläuchleinen oder Bläßleinen bestehen.

Die Aeuglein oder Bollen sind ein Begriff des
gantzen Gewächses/ und gleichsam ein anwachsen-
der Saame/ ein Siebe/ dardurch der Nahrungs-
Safft in seinem Lauff ordenlich außgetheilet wird/
daß darauß eine neue Pflantze erwachset/ und den
Baum selbs erneueret. Wann der Baum/ nach
seiner Winter-Ruhe/ wider schwanger zu werden
anhebet/ sind die Bollen oder Augen das erste/
daß er widergebihret/ und gehen dem Blust vor/
der in dem Auge oder Bolle eingewiklet liget.

Die Blätter sind die breiteren Theile der Ge-
wächsen/ die von den Aestleinen herab hanget/ alle
Jahre neu wachsen und wider abfallen/ und die-
nen zum Schutze des Blusts/ der Früchten/ und
des Stammens. Hiemit dähnet sich ein Blat von

sei-
Das 1. Capitel.

Das Sproͤßlein iſt ein Schoͤßling/ der auß
dem Aſt herkomt/ und mit dem Gewaͤchs-Geiſte
gantz außgeſchwaͤngeret iſt/ daher es einfaltig zart
und duͤnn auß den Aeſten herfuͤr bricht/ und zum
neuen Aeſtlein wird/ das zum zweygen tuͤchtig/
oder daran ſich am Halme die Aere zur Saat ge-
ſtalten.

Die Lufft-Aederlein ſind kleine/ in der Wur-
zen der Baͤumen befindliche Kreiß-weiß gewun-
dene Roͤhrlein/ welche mit einem Nez-foͤrmigen
Geflechte umſchloſſen/ deſſen Zwuͤſchen-Raum
hartlechte Holtz-Zaͤſerlein außfuͤllen/ die dann
ſamtlich mit einer weichen und dicklichten Rinden
zu gedecket ſind/ und in Holtz-Faͤſeren und Lufft-
Schlaͤuchleinen oder Blaͤßleinen beſtehen.

Die Aeuglein oder Bollen ſind ein Begriff des
gantzen Gewaͤchſes/ und gleichſam ein anwachſen-
der Saame/ ein Siebe/ dardurch der Nahrungs-
Safft in ſeinem Lauff ordenlich außgetheilet wird/
daß darauß eine neue Pflantze erwachſet/ und den
Baum ſelbs erneueret. Wann der Baum/ nach
ſeiner Winter-Ruhe/ wider ſchwanger zu werden
anhebet/ ſind die Bollen oder Augen das erſte/
daß er widergebihret/ und gehen dem Bluſt vor/
der in dem Auge oder Bolle eingewiklet liget.

Die Blaͤtter ſind die breiteren Theile der Ge-
waͤchſen/ die von den Aeſtleinen herab hanget/ alle
Jahre neu wachſen und wider abfallen/ und die-
nen zum Schutze des Bluſts/ der Fruͤchten/ und
des Stammens. Hiemit daͤhnet ſich ein Blat von

ſei-
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[10/0042] Das 1. Capitel. Das Sproͤßlein iſt ein Schoͤßling/ der auß dem Aſt herkomt/ und mit dem Gewaͤchs-Geiſte gantz außgeſchwaͤngeret iſt/ daher es einfaltig zart und duͤnn auß den Aeſten herfuͤr bricht/ und zum neuen Aeſtlein wird/ das zum zweygen tuͤchtig/ oder daran ſich am Halme die Aere zur Saat ge- ſtalten. Die Lufft-Aederlein ſind kleine/ in der Wur- zen der Baͤumen befindliche Kreiß-weiß gewun- dene Roͤhrlein/ welche mit einem Nez-foͤrmigen Geflechte umſchloſſen/ deſſen Zwuͤſchen-Raum hartlechte Holtz-Zaͤſerlein außfuͤllen/ die dann ſamtlich mit einer weichen und dicklichten Rinden zu gedecket ſind/ und in Holtz-Faͤſeren und Lufft- Schlaͤuchleinen oder Blaͤßleinen beſtehen. Die Aeuglein oder Bollen ſind ein Begriff des gantzen Gewaͤchſes/ und gleichſam ein anwachſen- der Saame/ ein Siebe/ dardurch der Nahrungs- Safft in ſeinem Lauff ordenlich außgetheilet wird/ daß darauß eine neue Pflantze erwachſet/ und den Baum ſelbs erneueret. Wann der Baum/ nach ſeiner Winter-Ruhe/ wider ſchwanger zu werden anhebet/ ſind die Bollen oder Augen das erſte/ daß er widergebihret/ und gehen dem Bluſt vor/ der in dem Auge oder Bolle eingewiklet liget. Die Blaͤtter ſind die breiteren Theile der Ge- waͤchſen/ die von den Aeſtleinen herab hanget/ alle Jahre neu wachſen und wider abfallen/ und die- nen zum Schutze des Bluſts/ der Fruͤchten/ und des Stammens. Hiemit daͤhnet ſich ein Blat von ſei-

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Zitationshilfe: Muralt, Johann von: Eydgnössischer Lust-Garte. Zürich, 1715, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muralt_lustgarte_1715/42>, abgerufen am 27.04.2024.