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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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sunder Geist, welcher mit scharfen, lebhaften Sinnen noch
inmitten der konkreten Anschauung und des naiven
Empfindens steht, in das Gebiet des abstrakten Denkens
aber nur schüchterne Blicke gethan hat. Es scheint, als
seien die Kanäle, durch welche unser Denken geht, dort
überhaupt nicht vorhanden oder doch wenigstens nicht
ausgebaut. Während wir, psychologisch betrachtet, auf
der Stufe des Begriffs stehen, ist der Japaner über die
Stufe der Wahrnehmung und Anschauung kaum hinaus-
gekommen. Dafür ist er aber auf diesem Gebiet voll
und ganz zu Hause. Thatsächlich übertrifft er uns in allen
Vorzügen der Wahrnehmungsstufe. Er hat scharfe Sinne,
geschickte Hände, eine rasche und sichere Auffassungsgabe.
Er ist Meister auf dem Gebiet der praktischen Wirklich-
keit. Besonders geschickt ist er in technischen Fertigkeiten.
In Osaka, dem Centrum der japanischen Industrie, wo
mit jedem neuen Jahr neue Schlote in die Lüfte empor-
ragen, fertigt man Maschinen schwerster Konstruktion; in
seinen Werkstätten werden Kanonen gegossen und auf den
Werften von Nagasaki baut man Kriegsschiffe. Die Münze
in Osaka gilt als eine der besten der Welt. In vielen
Zweigen der Technik und Industrie hat es Japan ver-
standen, Europa seinen vielhundertjährigen Vorsprung
in drei Jahrzehnten abzugewinnen und mit ihm in gleicher
Linie zu marschieren. Der fähige Schüler thut es heute
seinem Meister, bei dem er in die Lehre ging, in vielen
Dingen gleich. Breit ergoß sich der Strom der abend-
ländischen Industrie in das Land, und nicht lange wird
es dauern, so strömt er zurück, um mit der Flut seiner
Produkte den Weltmarkt zu überschwemmen. Mit kin-
discher Freude hat man zuerst das erwachende Leben
drüben betrachtet, die Freude beginnt der Besorgnis zu
weichen. Schon vertreibt die japanische Konkurrenz die

ſunder Geiſt, welcher mit ſcharfen, lebhaften Sinnen noch
inmitten der konkreten Anſchauung und des naiven
Empfindens ſteht, in das Gebiet des abſtrakten Denkens
aber nur ſchüchterne Blicke gethan hat. Es ſcheint, als
ſeien die Kanäle, durch welche unſer Denken geht, dort
überhaupt nicht vorhanden oder doch wenigſtens nicht
ausgebaut. Während wir, pſychologiſch betrachtet, auf
der Stufe des Begriffs ſtehen, iſt der Japaner über die
Stufe der Wahrnehmung und Anſchauung kaum hinaus-
gekommen. Dafür iſt er aber auf dieſem Gebiet voll
und ganz zu Hauſe. Thatſächlich übertrifft er uns in allen
Vorzügen der Wahrnehmungsſtufe. Er hat ſcharfe Sinne,
geſchickte Hände, eine raſche und ſichere Auffaſſungsgabe.
Er iſt Meiſter auf dem Gebiet der praktiſchen Wirklich-
keit. Beſonders geſchickt iſt er in techniſchen Fertigkeiten.
In Oſaka, dem Centrum der japaniſchen Induſtrie, wo
mit jedem neuen Jahr neue Schlote in die Lüfte empor-
ragen, fertigt man Maſchinen ſchwerſter Konſtruktion; in
ſeinen Werkſtätten werden Kanonen gegoſſen und auf den
Werften von Nagaſaki baut man Kriegsſchiffe. Die Münze
in Oſaka gilt als eine der beſten der Welt. In vielen
Zweigen der Technik und Induſtrie hat es Japan ver-
ſtanden, Europa ſeinen vielhundertjährigen Vorſprung
in drei Jahrzehnten abzugewinnen und mit ihm in gleicher
Linie zu marſchieren. Der fähige Schüler thut es heute
ſeinem Meiſter, bei dem er in die Lehre ging, in vielen
Dingen gleich. Breit ergoß ſich der Strom der abend-
ländiſchen Induſtrie in das Land, und nicht lange wird
es dauern, ſo ſtrömt er zurück, um mit der Flut ſeiner
Produkte den Weltmarkt zu überſchwemmen. Mit kin-
diſcher Freude hat man zuerſt das erwachende Leben
drüben betrachtet, die Freude beginnt der Beſorgnis zu
weichen. Schon vertreibt die japaniſche Konkurrenz die

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[64/0078] ſunder Geiſt, welcher mit ſcharfen, lebhaften Sinnen noch inmitten der konkreten Anſchauung und des naiven Empfindens ſteht, in das Gebiet des abſtrakten Denkens aber nur ſchüchterne Blicke gethan hat. Es ſcheint, als ſeien die Kanäle, durch welche unſer Denken geht, dort überhaupt nicht vorhanden oder doch wenigſtens nicht ausgebaut. Während wir, pſychologiſch betrachtet, auf der Stufe des Begriffs ſtehen, iſt der Japaner über die Stufe der Wahrnehmung und Anſchauung kaum hinaus- gekommen. Dafür iſt er aber auf dieſem Gebiet voll und ganz zu Hauſe. Thatſächlich übertrifft er uns in allen Vorzügen der Wahrnehmungsſtufe. Er hat ſcharfe Sinne, geſchickte Hände, eine raſche und ſichere Auffaſſungsgabe. Er iſt Meiſter auf dem Gebiet der praktiſchen Wirklich- keit. Beſonders geſchickt iſt er in techniſchen Fertigkeiten. In Oſaka, dem Centrum der japaniſchen Induſtrie, wo mit jedem neuen Jahr neue Schlote in die Lüfte empor- ragen, fertigt man Maſchinen ſchwerſter Konſtruktion; in ſeinen Werkſtätten werden Kanonen gegoſſen und auf den Werften von Nagaſaki baut man Kriegsſchiffe. Die Münze in Oſaka gilt als eine der beſten der Welt. In vielen Zweigen der Technik und Induſtrie hat es Japan ver- ſtanden, Europa ſeinen vielhundertjährigen Vorſprung in drei Jahrzehnten abzugewinnen und mit ihm in gleicher Linie zu marſchieren. Der fähige Schüler thut es heute ſeinem Meiſter, bei dem er in die Lehre ging, in vielen Dingen gleich. Breit ergoß ſich der Strom der abend- ländiſchen Induſtrie in das Land, und nicht lange wird es dauern, ſo ſtrömt er zurück, um mit der Flut ſeiner Produkte den Weltmarkt zu überſchwemmen. Mit kin- diſcher Freude hat man zuerſt das erwachende Leben drüben betrachtet, die Freude beginnt der Beſorgnis zu weichen. Schon vertreibt die japaniſche Konkurrenz die

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/78>, abgerufen am 23.11.2024.