Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.wissenheit oder Böswilligkeit, wenn man einer Missions- 1) Der Allgemeine evang.-prot. Missionsverein läßt der Aus-
sendung seiner ausschließlich akademisch gebildeten Sendboten noch eine besondere einjährige Vorbereitungszeit vorausgehen. Während dieser Zeit eignen sie sich in England die englische Sprache an, beschäftigen sich unter berufener Führung eingehend mit missions- wissenschaftlichen Studien und machen sich mit Land und Leuten ihrer zukünftigen Heimat vertraut. An Ort und Stelle ange- kommen, haben sie sich zunächst noch zurückzuhalten als solche, die erst noch lernen müssen, ehe sie lehren. Zur gründlichen Er- lernung der Landessprache sind sie kontraktlich verpflichtet. Ihre Berufsverpflichtung lautet seit 1893 auf Lebenszeit. wiſſenheit oder Böswilligkeit, wenn man einer Miſſions- 1) Der Allgemeine evang.-prot. Miſſionsverein läßt der Aus-
ſendung ſeiner ausſchließlich akademiſch gebildeten Sendboten noch eine beſondere einjährige Vorbereitungszeit vorausgehen. Während dieſer Zeit eignen ſie ſich in England die engliſche Sprache an, beſchäftigen ſich unter berufener Führung eingehend mit miſſions- wiſſenſchaftlichen Studien und machen ſich mit Land und Leuten ihrer zukünftigen Heimat vertraut. An Ort und Stelle ange- kommen, haben ſie ſich zunächſt noch zurückzuhalten als ſolche, die erſt noch lernen müſſen, ehe ſie lehren. Zur gründlichen Er- lernung der Landesſprache ſind ſie kontraktlich verpflichtet. Ihre Berufsverpflichtung lautet ſeit 1893 auf Lebenszeit. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0329" n="315"/> wiſſenheit oder Böswilligkeit, wenn man einer Miſſions-<lb/> geſellſchaft zum Vorwurf macht, ſie ſchicke Sendboten<lb/> ohne miſſionariſche Vorbildung aus. Geiſtliche, welche<lb/> ſich die Reichsgottesarbeit unter den Heiden haben an-<lb/> gelegen ſein laſſen, ſind für den Miſſionsberuf nicht<lb/> ſchlechter vorbereitet als die Zöglinge der Miſſions-<lb/> ſeminare <note place="foot" n="1)">Der Allgemeine evang.-prot. Miſſionsverein läßt der Aus-<lb/> ſendung ſeiner ausſchließlich akademiſch gebildeten Sendboten noch<lb/> eine beſondere einjährige Vorbereitungszeit vorausgehen. Während<lb/> dieſer Zeit eignen ſie ſich in England die engliſche Sprache an,<lb/> beſchäftigen ſich unter berufener Führung eingehend mit miſſions-<lb/> wiſſenſchaftlichen Studien und machen ſich mit Land und Leuten<lb/> ihrer zukünftigen Heimat vertraut. An Ort und Stelle ange-<lb/> kommen, haben ſie ſich zunächſt noch zurückzuhalten als ſolche,<lb/> die erſt noch lernen müſſen, ehe ſie lehren. Zur gründlichen Er-<lb/> lernung der Landesſprache ſind ſie kontraktlich verpflichtet. Ihre<lb/> Berufsverpflichtung lautet ſeit 1893 auf Lebenszeit.</note>. Ich kenne orthodoxe Miſſionare, welche aus<lb/> dem Pfarramt hervorgingen; aber von einer beſonderen<lb/> miſſionariſchen Ausbildung war bei ihnen keine Rede;<lb/> ſie wurden direkt auf das Miſſionsfeld geſchickt. Ich<lb/> ſuchte ſeiner Zeit in dem <hi rendition="#aq">„Islington College“</hi> der <hi rendition="#aq">Church<lb/> Missionary Society</hi> zu London um die Erlaubnis nach,<lb/> bei einigen miſſionstechniſchen Vorleſungen bezw. Übungen<lb/> hoſpitieren zu dürfen. Man war in liebenswürdigem<lb/> Entgegenkommen gleich bereit, mir den Beſuch des ganzen<lb/> Unterrichts zu geſtatten. Aber miſſionstechniſche Vor-<lb/> leſungen gab es nicht, und es dauerte erſt eine Zeitlang,<lb/> bis der „Prinzipal“ begriffen hatte, was ich eigentlich<lb/> wollte. „Wir erteilen Unterricht“, ſagte er, „in Latein<lb/> und Griechiſch, in Theologie, Pſychologie und Pädagogik;<lb/> aber die eigentlich miſſionariſche Rüſtung muß ſich jeder<lb/> erſt auf ſeinem beſonderen Miſſionsfelde ſelbſt ſchaffen.“<lb/> Damals kam mir das ſonderbar vor, daß in einem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [315/0329]
wiſſenheit oder Böswilligkeit, wenn man einer Miſſions-
geſellſchaft zum Vorwurf macht, ſie ſchicke Sendboten
ohne miſſionariſche Vorbildung aus. Geiſtliche, welche
ſich die Reichsgottesarbeit unter den Heiden haben an-
gelegen ſein laſſen, ſind für den Miſſionsberuf nicht
ſchlechter vorbereitet als die Zöglinge der Miſſions-
ſeminare 1). Ich kenne orthodoxe Miſſionare, welche aus
dem Pfarramt hervorgingen; aber von einer beſonderen
miſſionariſchen Ausbildung war bei ihnen keine Rede;
ſie wurden direkt auf das Miſſionsfeld geſchickt. Ich
ſuchte ſeiner Zeit in dem „Islington College“ der Church
Missionary Society zu London um die Erlaubnis nach,
bei einigen miſſionstechniſchen Vorleſungen bezw. Übungen
hoſpitieren zu dürfen. Man war in liebenswürdigem
Entgegenkommen gleich bereit, mir den Beſuch des ganzen
Unterrichts zu geſtatten. Aber miſſionstechniſche Vor-
leſungen gab es nicht, und es dauerte erſt eine Zeitlang,
bis der „Prinzipal“ begriffen hatte, was ich eigentlich
wollte. „Wir erteilen Unterricht“, ſagte er, „in Latein
und Griechiſch, in Theologie, Pſychologie und Pädagogik;
aber die eigentlich miſſionariſche Rüſtung muß ſich jeder
erſt auf ſeinem beſonderen Miſſionsfelde ſelbſt ſchaffen.“
Damals kam mir das ſonderbar vor, daß in einem
1) Der Allgemeine evang.-prot. Miſſionsverein läßt der Aus-
ſendung ſeiner ausſchließlich akademiſch gebildeten Sendboten noch
eine beſondere einjährige Vorbereitungszeit vorausgehen. Während
dieſer Zeit eignen ſie ſich in England die engliſche Sprache an,
beſchäftigen ſich unter berufener Führung eingehend mit miſſions-
wiſſenſchaftlichen Studien und machen ſich mit Land und Leuten
ihrer zukünftigen Heimat vertraut. An Ort und Stelle ange-
kommen, haben ſie ſich zunächſt noch zurückzuhalten als ſolche,
die erſt noch lernen müſſen, ehe ſie lehren. Zur gründlichen Er-
lernung der Landesſprache ſind ſie kontraktlich verpflichtet. Ihre
Berufsverpflichtung lautet ſeit 1893 auf Lebenszeit.
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