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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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wissenheit oder Böswilligkeit, wenn man einer Missions-
gesellschaft zum Vorwurf macht, sie schicke Sendboten
ohne missionarische Vorbildung aus. Geistliche, welche
sich die Reichsgottesarbeit unter den Heiden haben an-
gelegen sein lassen, sind für den Missionsberuf nicht
schlechter vorbereitet als die Zöglinge der Missions-
seminare 1). Ich kenne orthodoxe Missionare, welche aus
dem Pfarramt hervorgingen; aber von einer besonderen
missionarischen Ausbildung war bei ihnen keine Rede;
sie wurden direkt auf das Missionsfeld geschickt. Ich
suchte seiner Zeit in dem "Islington College" der Church
Missionary Society
zu London um die Erlaubnis nach,
bei einigen missionstechnischen Vorlesungen bezw. Übungen
hospitieren zu dürfen. Man war in liebenswürdigem
Entgegenkommen gleich bereit, mir den Besuch des ganzen
Unterrichts zu gestatten. Aber missionstechnische Vor-
lesungen gab es nicht, und es dauerte erst eine Zeitlang,
bis der "Prinzipal" begriffen hatte, was ich eigentlich
wollte. "Wir erteilen Unterricht", sagte er, "in Latein
und Griechisch, in Theologie, Psychologie und Pädagogik;
aber die eigentlich missionarische Rüstung muß sich jeder
erst auf seinem besonderen Missionsfelde selbst schaffen."
Damals kam mir das sonderbar vor, daß in einem

1) Der Allgemeine evang.-prot. Missionsverein läßt der Aus-
sendung seiner ausschließlich akademisch gebildeten Sendboten noch
eine besondere einjährige Vorbereitungszeit vorausgehen. Während
dieser Zeit eignen sie sich in England die englische Sprache an,
beschäftigen sich unter berufener Führung eingehend mit missions-
wissenschaftlichen Studien und machen sich mit Land und Leuten
ihrer zukünftigen Heimat vertraut. An Ort und Stelle ange-
kommen, haben sie sich zunächst noch zurückzuhalten als solche,
die erst noch lernen müssen, ehe sie lehren. Zur gründlichen Er-
lernung der Landessprache sind sie kontraktlich verpflichtet. Ihre
Berufsverpflichtung lautet seit 1893 auf Lebenszeit.

wiſſenheit oder Böswilligkeit, wenn man einer Miſſions-
geſellſchaft zum Vorwurf macht, ſie ſchicke Sendboten
ohne miſſionariſche Vorbildung aus. Geiſtliche, welche
ſich die Reichsgottesarbeit unter den Heiden haben an-
gelegen ſein laſſen, ſind für den Miſſionsberuf nicht
ſchlechter vorbereitet als die Zöglinge der Miſſions-
ſeminare 1). Ich kenne orthodoxe Miſſionare, welche aus
dem Pfarramt hervorgingen; aber von einer beſonderen
miſſionariſchen Ausbildung war bei ihnen keine Rede;
ſie wurden direkt auf das Miſſionsfeld geſchickt. Ich
ſuchte ſeiner Zeit in dem „Islington College“ der Church
Missionary Society
zu London um die Erlaubnis nach,
bei einigen miſſionstechniſchen Vorleſungen bezw. Übungen
hoſpitieren zu dürfen. Man war in liebenswürdigem
Entgegenkommen gleich bereit, mir den Beſuch des ganzen
Unterrichts zu geſtatten. Aber miſſionstechniſche Vor-
leſungen gab es nicht, und es dauerte erſt eine Zeitlang,
bis der „Prinzipal“ begriffen hatte, was ich eigentlich
wollte. „Wir erteilen Unterricht“, ſagte er, „in Latein
und Griechiſch, in Theologie, Pſychologie und Pädagogik;
aber die eigentlich miſſionariſche Rüſtung muß ſich jeder
erſt auf ſeinem beſonderen Miſſionsfelde ſelbſt ſchaffen.“
Damals kam mir das ſonderbar vor, daß in einem

1) Der Allgemeine evang.-prot. Miſſionsverein läßt der Aus-
ſendung ſeiner ausſchließlich akademiſch gebildeten Sendboten noch
eine beſondere einjährige Vorbereitungszeit vorausgehen. Während
dieſer Zeit eignen ſie ſich in England die engliſche Sprache an,
beſchäftigen ſich unter berufener Führung eingehend mit miſſions-
wiſſenſchaftlichen Studien und machen ſich mit Land und Leuten
ihrer zukünftigen Heimat vertraut. An Ort und Stelle ange-
kommen, haben ſie ſich zunächſt noch zurückzuhalten als ſolche,
die erſt noch lernen müſſen, ehe ſie lehren. Zur gründlichen Er-
lernung der Landesſprache ſind ſie kontraktlich verpflichtet. Ihre
Berufsverpflichtung lautet ſeit 1893 auf Lebenszeit.
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[315/0329] wiſſenheit oder Böswilligkeit, wenn man einer Miſſions- geſellſchaft zum Vorwurf macht, ſie ſchicke Sendboten ohne miſſionariſche Vorbildung aus. Geiſtliche, welche ſich die Reichsgottesarbeit unter den Heiden haben an- gelegen ſein laſſen, ſind für den Miſſionsberuf nicht ſchlechter vorbereitet als die Zöglinge der Miſſions- ſeminare 1). Ich kenne orthodoxe Miſſionare, welche aus dem Pfarramt hervorgingen; aber von einer beſonderen miſſionariſchen Ausbildung war bei ihnen keine Rede; ſie wurden direkt auf das Miſſionsfeld geſchickt. Ich ſuchte ſeiner Zeit in dem „Islington College“ der Church Missionary Society zu London um die Erlaubnis nach, bei einigen miſſionstechniſchen Vorleſungen bezw. Übungen hoſpitieren zu dürfen. Man war in liebenswürdigem Entgegenkommen gleich bereit, mir den Beſuch des ganzen Unterrichts zu geſtatten. Aber miſſionstechniſche Vor- leſungen gab es nicht, und es dauerte erſt eine Zeitlang, bis der „Prinzipal“ begriffen hatte, was ich eigentlich wollte. „Wir erteilen Unterricht“, ſagte er, „in Latein und Griechiſch, in Theologie, Pſychologie und Pädagogik; aber die eigentlich miſſionariſche Rüſtung muß ſich jeder erſt auf ſeinem beſonderen Miſſionsfelde ſelbſt ſchaffen.“ Damals kam mir das ſonderbar vor, daß in einem 1) Der Allgemeine evang.-prot. Miſſionsverein läßt der Aus- ſendung ſeiner ausſchließlich akademiſch gebildeten Sendboten noch eine beſondere einjährige Vorbereitungszeit vorausgehen. Während dieſer Zeit eignen ſie ſich in England die engliſche Sprache an, beſchäftigen ſich unter berufener Führung eingehend mit miſſions- wiſſenſchaftlichen Studien und machen ſich mit Land und Leuten ihrer zukünftigen Heimat vertraut. An Ort und Stelle ange- kommen, haben ſie ſich zunächſt noch zurückzuhalten als ſolche, die erſt noch lernen müſſen, ehe ſie lehren. Zur gründlichen Er- lernung der Landesſprache ſind ſie kontraktlich verpflichtet. Ihre Berufsverpflichtung lautet ſeit 1893 auf Lebenszeit.

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/329>, abgerufen am 22.11.2024.