her. Sie alle tragen dazu bei, dem Missionar Material zuzuführen, ihn in nähere Bekanntschaft und Fühlung mit vielen Individuen zu bringen und somit die ersten Anhaltspunkte zur Bekehrung zu geben.
Nicht als ob all diese Institutionen der evange- lischen Mission nur Mittel zum Zweck seien, wie man das der katholischen Mission nicht mit Unrecht nachsagt. Vielmehr sind sie an und für sich Selbstzweck. Es wäre Unrecht zu sagen, daß sie nur und ausschließlich mit dem Hinblick auf die Bekehrung gegründet seien, so daß sie gewissermaßen nur einen Vorwand für diese bildeten. Wäre das der Fall, so würden sie manchem Missionskritiker -- und deren giebt es sehr viele -- in Wirklichkeit nichts anderes als die Leimruten sein, auf denen man die Gimpel fängt, so würde in vieler Augen die ganze Mission zur Proselytenmacherei herab- sinken. Wer aber in das Schulwesen der evangelischen Mission hineingeschaut und dasselbe auf seine ganze Gediegenheit hin geprüft hat, wird den Missionar ent- schieden davon frei sprechen. Was ihn zunächst zur Begründung solcher Einrichtungen treibt, ist in den wenigsten Fällen der Wunsch, baldmöglichst viele Namen in die Listen seiner Kirche eintragen zu dürfen; das ist vielmehr das christliche Mitleid, das ihn innerlich nötigt, als barmherziger Samariter sich der körperlich und geistig Bedürftigen anzunehmen. Das Christentum wird überall, wohin es kommt, gar nicht anders können, als solche Werke zu thun und solche Organe zu schaffen; denn sie sind begründet im Wesen des Christentums und wachsen so notwendig aus ihm heraus, wie die Frucht aus dem Baum. Sie sind zugleich aber auch herrliche Zeugnisse von dem Geiste des Christentums vor dem Angesichte der Heiden, und als solche schon
her. Sie alle tragen dazu bei, dem Miſſionar Material zuzuführen, ihn in nähere Bekanntſchaft und Fühlung mit vielen Individuen zu bringen und ſomit die erſten Anhaltspunkte zur Bekehrung zu geben.
Nicht als ob all dieſe Inſtitutionen der evange- liſchen Miſſion nur Mittel zum Zweck ſeien, wie man das der katholiſchen Miſſion nicht mit Unrecht nachſagt. Vielmehr ſind ſie an und für ſich Selbſtzweck. Es wäre Unrecht zu ſagen, daß ſie nur und ausſchließlich mit dem Hinblick auf die Bekehrung gegründet ſeien, ſo daß ſie gewiſſermaßen nur einen Vorwand für dieſe bildeten. Wäre das der Fall, ſo würden ſie manchem Miſſionskritiker — und deren giebt es ſehr viele — in Wirklichkeit nichts anderes als die Leimruten ſein, auf denen man die Gimpel fängt, ſo würde in vieler Augen die ganze Miſſion zur Proſelytenmacherei herab- ſinken. Wer aber in das Schulweſen der evangeliſchen Miſſion hineingeſchaut und dasſelbe auf ſeine ganze Gediegenheit hin geprüft hat, wird den Miſſionar ent- ſchieden davon frei ſprechen. Was ihn zunächſt zur Begründung ſolcher Einrichtungen treibt, iſt in den wenigſten Fällen der Wunſch, baldmöglichſt viele Namen in die Liſten ſeiner Kirche eintragen zu dürfen; das iſt vielmehr das chriſtliche Mitleid, das ihn innerlich nötigt, als barmherziger Samariter ſich der körperlich und geiſtig Bedürftigen anzunehmen. Das Chriſtentum wird überall, wohin es kommt, gar nicht anders können, als ſolche Werke zu thun und ſolche Organe zu ſchaffen; denn ſie ſind begründet im Weſen des Chriſtentums und wachſen ſo notwendig aus ihm heraus, wie die Frucht aus dem Baum. Sie ſind zugleich aber auch herrliche Zeugniſſe von dem Geiſte des Chriſtentums vor dem Angeſichte der Heiden, und als ſolche ſchon
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her. Sie alle tragen dazu bei, dem Miſſionar Material
zuzuführen, ihn in nähere Bekanntſchaft und Fühlung
mit vielen Individuen zu bringen und ſomit die erſten
Anhaltspunkte zur Bekehrung zu geben.
Nicht als ob all dieſe Inſtitutionen der evange-
liſchen Miſſion nur Mittel zum Zweck ſeien, wie man
das der katholiſchen Miſſion nicht mit Unrecht nachſagt.
Vielmehr ſind ſie an und für ſich Selbſtzweck. Es
wäre Unrecht zu ſagen, daß ſie nur und ausſchließlich
mit dem Hinblick auf die Bekehrung gegründet ſeien,
ſo daß ſie gewiſſermaßen nur einen Vorwand für dieſe
bildeten. Wäre das der Fall, ſo würden ſie manchem
Miſſionskritiker — und deren giebt es ſehr viele —
in Wirklichkeit nichts anderes als die Leimruten ſein,
auf denen man die Gimpel fängt, ſo würde in vieler
Augen die ganze Miſſion zur Proſelytenmacherei herab-
ſinken. Wer aber in das Schulweſen der evangeliſchen
Miſſion hineingeſchaut und dasſelbe auf ſeine ganze
Gediegenheit hin geprüft hat, wird den Miſſionar ent-
ſchieden davon frei ſprechen. Was ihn zunächſt zur
Begründung ſolcher Einrichtungen treibt, iſt in den
wenigſten Fällen der Wunſch, baldmöglichſt viele Namen
in die Liſten ſeiner Kirche eintragen zu dürfen; das iſt
vielmehr das chriſtliche Mitleid, das ihn innerlich nötigt,
als barmherziger Samariter ſich der körperlich und
geiſtig Bedürftigen anzunehmen. Das Chriſtentum wird
überall, wohin es kommt, gar nicht anders können, als
ſolche Werke zu thun und ſolche Organe zu ſchaffen;
denn ſie ſind begründet im Weſen des Chriſtentums
und wachſen ſo notwendig aus ihm heraus, wie die
Frucht aus dem Baum. Sie ſind zugleich aber auch
herrliche Zeugniſſe von dem Geiſte des Chriſtentums
vor dem Angeſichte der Heiden, und als ſolche ſchon
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/327>, abgerufen am 22.11.2024.
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