kranz ist hier wie dort ein Beweis, welches Gewicht auf die Quantität gelegt wird. Die Shingon- und Tendai- sekten aber ziehen von dieser Grundlage aus die letzte Konsequenz: Um es zu einer möglichst großen Menge von Gebeten zu bringen, gebrauchen sie die Gebets- maschine (rimbo), welche im übrigen von den buddhi- stischen Sekten Japans verworfen wird.
Die Reliquienverehrung ist im Buddhismus nicht minder ausgeprägt wie im Katholizismus, und es ist höchst wahrscheinlich, daß die ersten buddhistischen Tempel (Pagoden) lediglich zur Aufbewahrung von Reliquien dien- ten, bis dann allmählich das Heer der Götzen seinen Einzug in ihnen hielt. Wie der gläubige Katholik gern eine Wallfahrt unternimmt, um an den heiligen Stätten zu beten, wo die sichtbaren Erinnerungen an die Heiligen aufbewahrt werden, so giebt es auch in Japan eine Anzahl von Heiligtümern, zu welchen alljährlich Tausende und Abertausende von Pilgern Wallfahrten unternehmen, zuweilen aus den entferntesten Gegenden des Landes. Die katholischen Heiligenbilder sehen den buddhistischen und auch den hotoke, soweit sie nicht phantastisch-grotesker Art sind, nicht unähnlich. Beide haben in auffallendster Weise den Heiligenschein gemeinsam, und wer die Himmelskönigin Kwannon sieht, die sich neben dem Buddha am meisten die indischen Züge bewahrt hat, kann sich des Gedankens an das Bild der Himmels- königin Maria nicht entschlagen. Feierliche und prunk- volle Prozessionen sind dem Buddhismus nicht unbekannt, und von den Ritualgebeten der Priester versteht der buddhistische Laie genau so viel wie der katholische, nämlich nichts, weil für beide Religionen die Kirchen- sprache eine andere ist als die Landessprache.
Zu suchen braucht man nicht nach Ähnlichkeiten,
kranz iſt hier wie dort ein Beweis, welches Gewicht auf die Quantität gelegt wird. Die Shingon- und Tendai- ſekten aber ziehen von dieſer Grundlage aus die letzte Konſequenz: Um es zu einer möglichſt großen Menge von Gebeten zu bringen, gebrauchen ſie die Gebets- maſchine (rimbō), welche im übrigen von den buddhi- ſtiſchen Sekten Japans verworfen wird.
Die Reliquienverehrung iſt im Buddhismus nicht minder ausgeprägt wie im Katholizismus, und es iſt höchſt wahrſcheinlich, daß die erſten buddhiſtiſchen Tempel (Pagoden) lediglich zur Aufbewahrung von Reliquien dien- ten, bis dann allmählich das Heer der Götzen ſeinen Einzug in ihnen hielt. Wie der gläubige Katholik gern eine Wallfahrt unternimmt, um an den heiligen Stätten zu beten, wo die ſichtbaren Erinnerungen an die Heiligen aufbewahrt werden, ſo giebt es auch in Japan eine Anzahl von Heiligtümern, zu welchen alljährlich Tauſende und Abertauſende von Pilgern Wallfahrten unternehmen, zuweilen aus den entfernteſten Gegenden des Landes. Die katholiſchen Heiligenbilder ſehen den buddhiſtiſchen und auch den hotoke, ſoweit ſie nicht phantaſtiſch-grotesker Art ſind, nicht unähnlich. Beide haben in auffallendſter Weiſe den Heiligenſchein gemeinſam, und wer die Himmelskönigin Kwannon ſieht, die ſich neben dem Buddha am meiſten die indiſchen Züge bewahrt hat, kann ſich des Gedankens an das Bild der Himmels- königin Maria nicht entſchlagen. Feierliche und prunk- volle Prozeſſionen ſind dem Buddhismus nicht unbekannt, und von den Ritualgebeten der Prieſter verſteht der buddhiſtiſche Laie genau ſo viel wie der katholiſche, nämlich nichts, weil für beide Religionen die Kirchen- ſprache eine andere iſt als die Landesſprache.
Zu ſuchen braucht man nicht nach Ähnlichkeiten,
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kranz iſt hier wie dort ein Beweis, welches Gewicht auf
die Quantität gelegt wird. Die Shingon- und Tendai-
ſekten aber ziehen von dieſer Grundlage aus die letzte
Konſequenz: Um es zu einer möglichſt großen Menge
von Gebeten zu bringen, gebrauchen ſie die Gebets-
maſchine (rimbō), welche im übrigen von den buddhi-
ſtiſchen Sekten Japans verworfen wird.
Die Reliquienverehrung iſt im Buddhismus nicht
minder ausgeprägt wie im Katholizismus, und es iſt
höchſt wahrſcheinlich, daß die erſten buddhiſtiſchen Tempel
(Pagoden) lediglich zur Aufbewahrung von Reliquien dien-
ten, bis dann allmählich das Heer der Götzen ſeinen Einzug
in ihnen hielt. Wie der gläubige Katholik gern eine
Wallfahrt unternimmt, um an den heiligen Stätten zu
beten, wo die ſichtbaren Erinnerungen an die Heiligen
aufbewahrt werden, ſo giebt es auch in Japan eine
Anzahl von Heiligtümern, zu welchen alljährlich Tauſende
und Abertauſende von Pilgern Wallfahrten unternehmen,
zuweilen aus den entfernteſten Gegenden des Landes.
Die katholiſchen Heiligenbilder ſehen den buddhiſtiſchen
und auch den hotoke, ſoweit ſie nicht phantaſtiſch-grotesker
Art ſind, nicht unähnlich. Beide haben in auffallendſter
Weiſe den Heiligenſchein gemeinſam, und wer die
Himmelskönigin Kwannon ſieht, die ſich neben dem
Buddha am meiſten die indiſchen Züge bewahrt hat,
kann ſich des Gedankens an das Bild der Himmels-
königin Maria nicht entſchlagen. Feierliche und prunk-
volle Prozeſſionen ſind dem Buddhismus nicht unbekannt,
und von den Ritualgebeten der Prieſter verſteht der
buddhiſtiſche Laie genau ſo viel wie der katholiſche,
nämlich nichts, weil für beide Religionen die Kirchen-
ſprache eine andere iſt als die Landesſprache.
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/260>, abgerufen am 23.11.2024.
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