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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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nicht sehr viele, so fehlen sie doch keineswegs, und wer
sich auch nur kurze Zeit im Lande aufhält, dem kann
auch die eigentümliche Erscheinung der Bettelmönche
nicht entgangen sein. Mit großen Hüten, die sich wie
umgekehrt auf den Kopf gestülpte riesige Schüsseln aus-
nehmen, in mönchischer Tracht, gehen sie, die nimmer
ruhende Schelle in der Hand, von Haus zu Haus und
nehmen, unter fortwährendem eintönigem Ableiern ihrer
Bitte, die aus der kleinsten Kupfermünze bestehenden
Gaben in Empfang, und bei keinem Hause gehen sie
leer aus.

Der Rosenkranz, der bei den Katholiken eine so
große Rolle spielt, ist bei den Buddhisten nicht weniger
im Gebrauch. Ich habe mir in Osaka in der Nähe
eines tera einen Rosenkranz gekauft, welchen ein Pro-
testant, der nicht ganz genau in die Geheimnisse dieser
Art eingeweiht ist, nimmermehr von einem katholischen
unterscheiden könnte. Vor kurzem erst erhielt ich einen
"an das Pfarramt" gerichteten Brief aus Japan. Als
ich ihn öffnete, fiel mir eine Photographie entgegen,
zwei knieende Japaner mit Rosenkränzen in den Händen.
Ich konnte mir gar nicht erklären, wie diese frommen
Buddhagläubigen dazu kamen, mich mit ihrem Bilde zu
beehren. Erst als ich das Begleitschreiben las, in
welchem ein "apostolischer" Missionar davon redete, die
Jungfrau Maria habe ihm offenbart, daß einige fromme
Personen große Geldsummen zum Bau einer großen
Kirche in der Stadt Kumamoto zu spenden gewillt seien,
und daß man jetzt auf der Suche nach diesen Personen
sei, erkannte ich zu meiner eigenen Überraschung, daß
das ja japanische katholische Evangelisten sein sollten.
Der Brief war irrtümlich an das protestantische statt
an das katholische Pfarramt gekommen. Der Rosen-

nicht ſehr viele, ſo fehlen ſie doch keineswegs, und wer
ſich auch nur kurze Zeit im Lande aufhält, dem kann
auch die eigentümliche Erſcheinung der Bettelmönche
nicht entgangen ſein. Mit großen Hüten, die ſich wie
umgekehrt auf den Kopf geſtülpte rieſige Schüſſeln aus-
nehmen, in mönchiſcher Tracht, gehen ſie, die nimmer
ruhende Schelle in der Hand, von Haus zu Haus und
nehmen, unter fortwährendem eintönigem Ableiern ihrer
Bitte, die aus der kleinſten Kupfermünze beſtehenden
Gaben in Empfang, und bei keinem Hauſe gehen ſie
leer aus.

Der Roſenkranz, der bei den Katholiken eine ſo
große Rolle ſpielt, iſt bei den Buddhiſten nicht weniger
im Gebrauch. Ich habe mir in Oſaka in der Nähe
eines tera einen Roſenkranz gekauft, welchen ein Pro-
teſtant, der nicht ganz genau in die Geheimniſſe dieſer
Art eingeweiht iſt, nimmermehr von einem katholiſchen
unterſcheiden könnte. Vor kurzem erſt erhielt ich einen
„an das Pfarramt“ gerichteten Brief aus Japan. Als
ich ihn öffnete, fiel mir eine Photographie entgegen,
zwei knieende Japaner mit Roſenkränzen in den Händen.
Ich konnte mir gar nicht erklären, wie dieſe frommen
Buddhagläubigen dazu kamen, mich mit ihrem Bilde zu
beehren. Erſt als ich das Begleitſchreiben las, in
welchem ein „apoſtoliſcher“ Miſſionar davon redete, die
Jungfrau Maria habe ihm offenbart, daß einige fromme
Perſonen große Geldſummen zum Bau einer großen
Kirche in der Stadt Kumamoto zu ſpenden gewillt ſeien,
und daß man jetzt auf der Suche nach dieſen Perſonen
ſei, erkannte ich zu meiner eigenen Überraſchung, daß
das ja japaniſche katholiſche Evangeliſten ſein ſollten.
Der Brief war irrtümlich an das proteſtantiſche ſtatt
an das katholiſche Pfarramt gekommen. Der Roſen-

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[245/0259] nicht ſehr viele, ſo fehlen ſie doch keineswegs, und wer ſich auch nur kurze Zeit im Lande aufhält, dem kann auch die eigentümliche Erſcheinung der Bettelmönche nicht entgangen ſein. Mit großen Hüten, die ſich wie umgekehrt auf den Kopf geſtülpte rieſige Schüſſeln aus- nehmen, in mönchiſcher Tracht, gehen ſie, die nimmer ruhende Schelle in der Hand, von Haus zu Haus und nehmen, unter fortwährendem eintönigem Ableiern ihrer Bitte, die aus der kleinſten Kupfermünze beſtehenden Gaben in Empfang, und bei keinem Hauſe gehen ſie leer aus. Der Roſenkranz, der bei den Katholiken eine ſo große Rolle ſpielt, iſt bei den Buddhiſten nicht weniger im Gebrauch. Ich habe mir in Oſaka in der Nähe eines tera einen Roſenkranz gekauft, welchen ein Pro- teſtant, der nicht ganz genau in die Geheimniſſe dieſer Art eingeweiht iſt, nimmermehr von einem katholiſchen unterſcheiden könnte. Vor kurzem erſt erhielt ich einen „an das Pfarramt“ gerichteten Brief aus Japan. Als ich ihn öffnete, fiel mir eine Photographie entgegen, zwei knieende Japaner mit Roſenkränzen in den Händen. Ich konnte mir gar nicht erklären, wie dieſe frommen Buddhagläubigen dazu kamen, mich mit ihrem Bilde zu beehren. Erſt als ich das Begleitſchreiben las, in welchem ein „apoſtoliſcher“ Miſſionar davon redete, die Jungfrau Maria habe ihm offenbart, daß einige fromme Perſonen große Geldſummen zum Bau einer großen Kirche in der Stadt Kumamoto zu ſpenden gewillt ſeien, und daß man jetzt auf der Suche nach dieſen Perſonen ſei, erkannte ich zu meiner eigenen Überraſchung, daß das ja japaniſche katholiſche Evangeliſten ſein ſollten. Der Brief war irrtümlich an das proteſtantiſche ſtatt an das katholiſche Pfarramt gekommen. Der Roſen-

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/259>, abgerufen am 23.11.2024.