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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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Tempel anderer Sekten erstürmt und dem Erdboden
gleichgemacht; ja, selbst vor Mordthaten schreckten sie
nicht zurück. Der Feldherr Kato Kyomasa, der um das
Jahr 1600 mit brennendem Eifer und beispielloser
Grausamkeit den Vernichtungskampf gegen das Christen-
tum führte, gehörte dieser Sekte an. Der Geist, mit
welcher ihr Stifter sie erfüllte, ist dieser Sekte treu ge-
glieben bis zum heutigen Tag, und erst der Kampf
gegen den gemeinsamen Feind, das Christentum, konnte
sie bewegen, ihrer verhaßten Rivalin Shinshu die Hand
zum Bunde zu reichen.

Nichiren ist die ausgeprägteste religiöse Persönlichkeit,
welche Japan hervorgebracht hat. Hundertmal war er
in Lebensgefahr, einmal befand sich sein Kopf schon
unter dem Beil des Henkers, und nur durch ein Wunder,
so erzählt die Legende, wurde er gerettet. Aber nichts
konnte ihn bewegen, vom Kampfe abzustehen.

Mit Nichiren hatte die religiöse Bewegung ihren
Höhepunkt erreicht 1), aber nicht um nun langsam wieder
herabzusinken, sondern um mit einem Schlage zum Still-
stand zu kommen. Eben noch feurige Glut und im
nächsten Augenblick erstarrte Lava. Dieselbe impulsive
Art, die sich so manchmal in der japanischen Geschichte
offenbart und die sich in dem einzelnen Japaner mikro-
kosmisch widerspiegelt, finden wir auch hier. Die

1) Mit Nichiren war die Sektenbildung abgeschlossen, nach-
dem sie kaum fünfzig Jahre zuvor begonnen hatte. Was weiter
entstand, sind nur unselbständige Zweige der Hauptstämme. Um
diese noch einmal aufzuzählen, und zwar nicht sowohl nach der
Zahl ihrer Tempel als nach ihrem wirklichen Einfluß auf das
Volk, so haben wir: 1. Shin, 2. Nichiren, 3. Zen, 4. Jodo,
5. Shingon, 6. Tendai. Shingon, Tendai und Zen kamen aus
China, Jodo, Shin und Nichiren sind japanischen Ursprungs.

Tempel anderer Sekten erſtürmt und dem Erdboden
gleichgemacht; ja, ſelbſt vor Mordthaten ſchreckten ſie
nicht zurück. Der Feldherr Kato Kyomaſa, der um das
Jahr 1600 mit brennendem Eifer und beiſpielloſer
Grauſamkeit den Vernichtungskampf gegen das Chriſten-
tum führte, gehörte dieſer Sekte an. Der Geiſt, mit
welcher ihr Stifter ſie erfüllte, iſt dieſer Sekte treu ge-
glieben bis zum heutigen Tag, und erſt der Kampf
gegen den gemeinſamen Feind, das Chriſtentum, konnte
ſie bewegen, ihrer verhaßten Rivalin Shinſhu die Hand
zum Bunde zu reichen.

Nichiren iſt die ausgeprägteſte religiöſe Perſönlichkeit,
welche Japan hervorgebracht hat. Hundertmal war er
in Lebensgefahr, einmal befand ſich ſein Kopf ſchon
unter dem Beil des Henkers, und nur durch ein Wunder,
ſo erzählt die Legende, wurde er gerettet. Aber nichts
konnte ihn bewegen, vom Kampfe abzuſtehen.

Mit Nichiren hatte die religiöſe Bewegung ihren
Höhepunkt erreicht 1), aber nicht um nun langſam wieder
herabzuſinken, ſondern um mit einem Schlage zum Still-
ſtand zu kommen. Eben noch feurige Glut und im
nächſten Augenblick erſtarrte Lava. Dieſelbe impulſive
Art, die ſich ſo manchmal in der japaniſchen Geſchichte
offenbart und die ſich in dem einzelnen Japaner mikro-
kosmiſch widerſpiegelt, finden wir auch hier. Die

1) Mit Nichiren war die Sektenbildung abgeſchloſſen, nach-
dem ſie kaum fünfzig Jahre zuvor begonnen hatte. Was weiter
entſtand, ſind nur unſelbſtändige Zweige der Hauptſtämme. Um
dieſe noch einmal aufzuzählen, und zwar nicht ſowohl nach der
Zahl ihrer Tempel als nach ihrem wirklichen Einfluß auf das
Volk, ſo haben wir: 1. Shin, 2. Nichiren, 3. Zen, 4. Jodo,
5. Shingon, 6. Tendai. Shingon, Tendai und Zen kamen aus
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[231/0245] Tempel anderer Sekten erſtürmt und dem Erdboden gleichgemacht; ja, ſelbſt vor Mordthaten ſchreckten ſie nicht zurück. Der Feldherr Kato Kyomaſa, der um das Jahr 1600 mit brennendem Eifer und beiſpielloſer Grauſamkeit den Vernichtungskampf gegen das Chriſten- tum führte, gehörte dieſer Sekte an. Der Geiſt, mit welcher ihr Stifter ſie erfüllte, iſt dieſer Sekte treu ge- glieben bis zum heutigen Tag, und erſt der Kampf gegen den gemeinſamen Feind, das Chriſtentum, konnte ſie bewegen, ihrer verhaßten Rivalin Shinſhu die Hand zum Bunde zu reichen. Nichiren iſt die ausgeprägteſte religiöſe Perſönlichkeit, welche Japan hervorgebracht hat. Hundertmal war er in Lebensgefahr, einmal befand ſich ſein Kopf ſchon unter dem Beil des Henkers, und nur durch ein Wunder, ſo erzählt die Legende, wurde er gerettet. Aber nichts konnte ihn bewegen, vom Kampfe abzuſtehen. Mit Nichiren hatte die religiöſe Bewegung ihren Höhepunkt erreicht 1), aber nicht um nun langſam wieder herabzuſinken, ſondern um mit einem Schlage zum Still- ſtand zu kommen. Eben noch feurige Glut und im nächſten Augenblick erſtarrte Lava. Dieſelbe impulſive Art, die ſich ſo manchmal in der japaniſchen Geſchichte offenbart und die ſich in dem einzelnen Japaner mikro- kosmiſch widerſpiegelt, finden wir auch hier. Die 1) Mit Nichiren war die Sektenbildung abgeſchloſſen, nach- dem ſie kaum fünfzig Jahre zuvor begonnen hatte. Was weiter entſtand, ſind nur unſelbſtändige Zweige der Hauptſtämme. Um dieſe noch einmal aufzuzählen, und zwar nicht ſowohl nach der Zahl ihrer Tempel als nach ihrem wirklichen Einfluß auf das Volk, ſo haben wir: 1. Shin, 2. Nichiren, 3. Zen, 4. Jodo, 5. Shingon, 6. Tendai. Shingon, Tendai und Zen kamen aus China, Jodo, Shin und Nichiren ſind japaniſchen Urſprungs.

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/245>, abgerufen am 22.11.2024.