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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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Folgezeit, welche wieder an die früheren Zustände an-
knüpfte, war der Lehrer des dreizehnten Jahrhunderts
nicht würdig. Der Buddhismus entwickelte keine be-
sondere Kraft, und als in der Mitte des sechzehnten
Jahrhunderts die Jesuiten ihren Einzug hielten, waren
die geistigen Waffen der Bonzen stumpf und wirkungslos
geworden. In dieser Ohnmacht des Buddhismus hat
man einen wichtigen Grund der raschen Ausbreitung
des jesuitischen Christentums zu suchen. Aber wenn
auch die Mönche geistige Waffen nicht besaßen, so
führten sie doch das weltliche Schwert nach wie vor.
Wie ehedem, so machten sie auch jetzt wieder den welt-
lichen Herrschern zu schaffen, und als sich die Mönche
des Hieizan mit Nobunagas Feinden wider diesen ver-
bündeten, nahm Nobunaga das als eine willkommene
Gelegenheit, gründlich mit ihnen aufzuräumen. Er
überfiel sie, und Tausende sollen in einem furchtbaren
Blutbad ihr Leben verloren haben.

Seitdem war ihre politische Macht gebrochen, und
die gewaltige Faust des Iyeyasu, die sich erdrückend
auf das Christentum legte, sorgte dafür, daß auch das
Mönchtum nicht wieder weltliche Gelüste anwandelten.
Auch die Sphäre der höheren Bildung entzog er dem-
selben, doch setzte er es voll in seine religiösen Rechte
ein und erwies sich mitsamt seinen Nachfolgern als
treuer Sohn und Beschützer des Buddhismus. Die
Tokugawa bekannten sich zu der Jodosekte, welche unter
ihnen ihre höchste Blüte erreichte.

Inzwischen hatte mit dem Wiederaufbau des reinen
Shinto die Reaktion gegen den Buddhismus eingesetzt
und gerade seine Beziehungen zum Shogunat sollten
ihm zum Verderben werden. Die wuchtigen Schläge,
unter denen der Shogunenthron im Jahre 1868 zu-

Folgezeit, welche wieder an die früheren Zuſtände an-
knüpfte, war der Lehrer des dreizehnten Jahrhunderts
nicht würdig. Der Buddhismus entwickelte keine be-
ſondere Kraft, und als in der Mitte des ſechzehnten
Jahrhunderts die Jeſuiten ihren Einzug hielten, waren
die geiſtigen Waffen der Bonzen ſtumpf und wirkungslos
geworden. In dieſer Ohnmacht des Buddhismus hat
man einen wichtigen Grund der raſchen Ausbreitung
des jeſuitiſchen Chriſtentums zu ſuchen. Aber wenn
auch die Mönche geiſtige Waffen nicht beſaßen, ſo
führten ſie doch das weltliche Schwert nach wie vor.
Wie ehedem, ſo machten ſie auch jetzt wieder den welt-
lichen Herrſchern zu ſchaffen, und als ſich die Mönche
des Hieizan mit Nobunagas Feinden wider dieſen ver-
bündeten, nahm Nobunaga das als eine willkommene
Gelegenheit, gründlich mit ihnen aufzuräumen. Er
überfiel ſie, und Tauſende ſollen in einem furchtbaren
Blutbad ihr Leben verloren haben.

Seitdem war ihre politiſche Macht gebrochen, und
die gewaltige Fauſt des Iyeyaſu, die ſich erdrückend
auf das Chriſtentum legte, ſorgte dafür, daß auch das
Mönchtum nicht wieder weltliche Gelüſte anwandelten.
Auch die Sphäre der höheren Bildung entzog er dem-
ſelben, doch ſetzte er es voll in ſeine religiöſen Rechte
ein und erwies ſich mitſamt ſeinen Nachfolgern als
treuer Sohn und Beſchützer des Buddhismus. Die
Tokugawa bekannten ſich zu der Jodoſekte, welche unter
ihnen ihre höchſte Blüte erreichte.

Inzwiſchen hatte mit dem Wiederaufbau des reinen
Shinto die Reaktion gegen den Buddhismus eingeſetzt
und gerade ſeine Beziehungen zum Shogunat ſollten
ihm zum Verderben werden. Die wuchtigen Schläge,
unter denen der Shogunenthron im Jahre 1868 zu-

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[232/0246] Folgezeit, welche wieder an die früheren Zuſtände an- knüpfte, war der Lehrer des dreizehnten Jahrhunderts nicht würdig. Der Buddhismus entwickelte keine be- ſondere Kraft, und als in der Mitte des ſechzehnten Jahrhunderts die Jeſuiten ihren Einzug hielten, waren die geiſtigen Waffen der Bonzen ſtumpf und wirkungslos geworden. In dieſer Ohnmacht des Buddhismus hat man einen wichtigen Grund der raſchen Ausbreitung des jeſuitiſchen Chriſtentums zu ſuchen. Aber wenn auch die Mönche geiſtige Waffen nicht beſaßen, ſo führten ſie doch das weltliche Schwert nach wie vor. Wie ehedem, ſo machten ſie auch jetzt wieder den welt- lichen Herrſchern zu ſchaffen, und als ſich die Mönche des Hieizan mit Nobunagas Feinden wider dieſen ver- bündeten, nahm Nobunaga das als eine willkommene Gelegenheit, gründlich mit ihnen aufzuräumen. Er überfiel ſie, und Tauſende ſollen in einem furchtbaren Blutbad ihr Leben verloren haben. Seitdem war ihre politiſche Macht gebrochen, und die gewaltige Fauſt des Iyeyaſu, die ſich erdrückend auf das Chriſtentum legte, ſorgte dafür, daß auch das Mönchtum nicht wieder weltliche Gelüſte anwandelten. Auch die Sphäre der höheren Bildung entzog er dem- ſelben, doch ſetzte er es voll in ſeine religiöſen Rechte ein und erwies ſich mitſamt ſeinen Nachfolgern als treuer Sohn und Beſchützer des Buddhismus. Die Tokugawa bekannten ſich zu der Jodoſekte, welche unter ihnen ihre höchſte Blüte erreichte. Inzwiſchen hatte mit dem Wiederaufbau des reinen Shinto die Reaktion gegen den Buddhismus eingeſetzt und gerade ſeine Beziehungen zum Shogunat ſollten ihm zum Verderben werden. Die wuchtigen Schläge, unter denen der Shogunenthron im Jahre 1868 zu-

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/246>, abgerufen am 18.05.2024.