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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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nisatorische Geschick unverkennbar. Die Siegesfeste
während des chinesischen Krieges waren in der Regel
von sehr kurzer Hand vorbereitet, und doch nahmen sie
stets einen gelungenen Verlauf. Auch auf kirchlichem
Gebiet, in der Verwaltung einzelner christlicher Ge-
meinden und ganzer Kirchen, zeigt sich ihr großes
Geschick.

Bei diesem ihrem organisatorischen Talent ist es
nicht zu verwundern, daß sie auf dem Gebiete des
Verkehrswesens Ausgezeichnetes leisten. Ihre Dampfer-
linien stehen auf der Höhe der Zeit und werden auch
von europäischen Passagieren mit Vorliebe benutzt. Ein
Netz von Eisenbahnen zieht sich allmählich über das
ganze Land, und da die Japaner ein reiselustiges Volk
sind, so rentieren sie trotz sehr mäßiger Fahrpreise sehr
gut, wenn auch mit Bezug auf Geschwindigkeit noch
vieles zu wünschen übrig bleibt. Wir Deutsche sind
stolz auf Post und Telegraph; in Japan war ich damit
in keiner Weise schlechter bedient, und hatte es zudem
wohl noch um die Hälfte billiger. In Tokyo kam der
Postbote an manchen Tagen z. B. an Neujahr, wo alle
Welt sich zu beglückwünschen pflegt, wohl zehnmal in
mein Haus, und selbst im Innern des Landes, sieben
Stunden von der nächsten Eisenbahnstation entfernt,
erhielt ich zweimal täglich meine Post. Die Beför-
derung ist eine rasche, und selten habe ich einen Brief-
träger im Schritt gehen sehen; immer ist er in eiligem
Laufen begriffen. Ich erledigte aus dem Innern des
Landes wochenlang meine Korrespondenz, auch nach dem
Ausland, und nie -- während meines ganzen japa-
nischen Aufenthaltes -- ist mir ein Brief verloren ge-
gangen. Ich schickte einmal an Neujahr eine Gratu-
lationskarte an einen Japaner, aber unter ungenauer

niſatoriſche Geſchick unverkennbar. Die Siegesfeſte
während des chineſiſchen Krieges waren in der Regel
von ſehr kurzer Hand vorbereitet, und doch nahmen ſie
ſtets einen gelungenen Verlauf. Auch auf kirchlichem
Gebiet, in der Verwaltung einzelner chriſtlicher Ge-
meinden und ganzer Kirchen, zeigt ſich ihr großes
Geſchick.

Bei dieſem ihrem organiſatoriſchen Talent iſt es
nicht zu verwundern, daß ſie auf dem Gebiete des
Verkehrsweſens Ausgezeichnetes leiſten. Ihre Dampfer-
linien ſtehen auf der Höhe der Zeit und werden auch
von europäiſchen Paſſagieren mit Vorliebe benutzt. Ein
Netz von Eiſenbahnen zieht ſich allmählich über das
ganze Land, und da die Japaner ein reiſeluſtiges Volk
ſind, ſo rentieren ſie trotz ſehr mäßiger Fahrpreiſe ſehr
gut, wenn auch mit Bezug auf Geſchwindigkeit noch
vieles zu wünſchen übrig bleibt. Wir Deutſche ſind
ſtolz auf Poſt und Telegraph; in Japan war ich damit
in keiner Weiſe ſchlechter bedient, und hatte es zudem
wohl noch um die Hälfte billiger. In Tokyo kam der
Poſtbote an manchen Tagen z. B. an Neujahr, wo alle
Welt ſich zu beglückwünſchen pflegt, wohl zehnmal in
mein Haus, und ſelbſt im Innern des Landes, ſieben
Stunden von der nächſten Eiſenbahnſtation entfernt,
erhielt ich zweimal täglich meine Poſt. Die Beför-
derung iſt eine raſche, und ſelten habe ich einen Brief-
träger im Schritt gehen ſehen; immer iſt er in eiligem
Laufen begriffen. Ich erledigte aus dem Innern des
Landes wochenlang meine Korreſpondenz, auch nach dem
Ausland, und nie — während meines ganzen japa-
niſchen Aufenthaltes — iſt mir ein Brief verloren ge-
gangen. Ich ſchickte einmal an Neujahr eine Gratu-
lationskarte an einen Japaner, aber unter ungenauer

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[178/0192] niſatoriſche Geſchick unverkennbar. Die Siegesfeſte während des chineſiſchen Krieges waren in der Regel von ſehr kurzer Hand vorbereitet, und doch nahmen ſie ſtets einen gelungenen Verlauf. Auch auf kirchlichem Gebiet, in der Verwaltung einzelner chriſtlicher Ge- meinden und ganzer Kirchen, zeigt ſich ihr großes Geſchick. Bei dieſem ihrem organiſatoriſchen Talent iſt es nicht zu verwundern, daß ſie auf dem Gebiete des Verkehrsweſens Ausgezeichnetes leiſten. Ihre Dampfer- linien ſtehen auf der Höhe der Zeit und werden auch von europäiſchen Paſſagieren mit Vorliebe benutzt. Ein Netz von Eiſenbahnen zieht ſich allmählich über das ganze Land, und da die Japaner ein reiſeluſtiges Volk ſind, ſo rentieren ſie trotz ſehr mäßiger Fahrpreiſe ſehr gut, wenn auch mit Bezug auf Geſchwindigkeit noch vieles zu wünſchen übrig bleibt. Wir Deutſche ſind ſtolz auf Poſt und Telegraph; in Japan war ich damit in keiner Weiſe ſchlechter bedient, und hatte es zudem wohl noch um die Hälfte billiger. In Tokyo kam der Poſtbote an manchen Tagen z. B. an Neujahr, wo alle Welt ſich zu beglückwünſchen pflegt, wohl zehnmal in mein Haus, und ſelbſt im Innern des Landes, ſieben Stunden von der nächſten Eiſenbahnſtation entfernt, erhielt ich zweimal täglich meine Poſt. Die Beför- derung iſt eine raſche, und ſelten habe ich einen Brief- träger im Schritt gehen ſehen; immer iſt er in eiligem Laufen begriffen. Ich erledigte aus dem Innern des Landes wochenlang meine Korreſpondenz, auch nach dem Ausland, und nie — während meines ganzen japa- niſchen Aufenthaltes — iſt mir ein Brief verloren ge- gangen. Ich ſchickte einmal an Neujahr eine Gratu- lationskarte an einen Japaner, aber unter ungenauer

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/192>, abgerufen am 24.11.2024.