Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.samkeit seine Gesundheit wieder herzustellen gesucht. Nachdem er sie wieder erlangt, habe er zwar den wilden zügellosen Ausschweifungen entsagt, aber doch immer noch die Unordnungen der Wollust unter einer sehr nach- giebigen Aufsicht seiner Vernunft fortgesetzt. Was ihn am meisten demüthige sey dieses, daß er nicht einmahl jemand anklagen könne, der ihn verführt hätte, sondern daß er gestehen müsse, sich selbst durch das Lesen gewis- ser Bücher, die er mir nannte, zu seinen Ausschwei- fungen angeführt zu haben. Die besondere Prüfung seines Lebens in Bezie- Wie viele Zeit, die zur Beförderung des Guten könne, D 4
ſamkeit ſeine Geſundheit wieder herzuſtellen geſucht. Nachdem er ſie wieder erlangt, habe er zwar den wilden zuͤgelloſen Ausſchweifungen entſagt, aber doch immer noch die Unordnungen der Wolluſt unter einer ſehr nach- giebigen Aufſicht ſeiner Vernunft fortgeſetzt. Was ihn am meiſten demuͤthige ſey dieſes, daß er nicht einmahl jemand anklagen koͤnne, der ihn verfuͤhrt haͤtte, ſondern daß er geſtehen muͤſſe, ſich ſelbſt durch das Leſen gewiſ- ſer Buͤcher, die er mir nannte, zu ſeinen Ausſchwei- fungen angefuͤhrt zu haben. Die beſondere Pruͤfung ſeines Lebens in Bezie- Wie viele Zeit, die zur Befoͤrderung des Guten koͤnne, D 4
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ſamkeit ſeine Geſundheit wieder herzuſtellen geſucht.
Nachdem er ſie wieder erlangt, habe er zwar den wilden
zuͤgelloſen Ausſchweifungen entſagt, aber doch immer
noch die Unordnungen der Wolluſt unter einer ſehr nach-
giebigen Aufſicht ſeiner Vernunft fortgeſetzt. Was ihn
am meiſten demuͤthige ſey dieſes, daß er nicht einmahl
jemand anklagen koͤnne, der ihn verfuͤhrt haͤtte, ſondern
daß er geſtehen muͤſſe, ſich ſelbſt durch das Leſen gewiſ-
ſer Buͤcher, die er mir nannte, zu ſeinen Ausſchwei-
fungen angefuͤhrt zu haben.
Die beſondere Pruͤfung ſeines Lebens in Bezie-
hung auf ſeine vornehmſte Leidenſchaft, die Wolluſt,
ward nach folgenden Fragen angeſtellt. Waͤhrend dieſer
ganzen Unterſuchung hoͤrte er nicht auf zu weinen. Es
ſchien, als wenn er eine Erleichterung darin faͤnde,
mir den Kummer ſeines Herzens uͤber dieſe Art ſeiner
Vergehungen anzuvertrauen. Man wird gewahr wer-
den, daß ich alles mit Muͤhe zuſammengeſucht habe,
was der ausſchweifendeſte Wolluͤſtling ſich vorzuwerfen
haben kann. Er ſelbſt aber ſetzte noch hin und wieder
etwas hinzu, wodurch ſeine Schuld vergroͤßert ward.
Jch will die Fragen herſetzen, ſo wie ich ſie ihm vorge-
legt habe, und diejenigen ſeiner Antworten hinzufuͤgen,
die mehr als ein ſimples Geſtaͤndniß ſind, und zur Auf-
klaͤrung ſeiner ehemaligen Denkungsart, oder auch zur
Vermehrung des Abſcheues an den Laſtern der Wolluſt
bey meinen Leſern, etwas beytragen koͤnnen.
Wie viele Zeit, die zur Befoͤrderung des Guten
in der Welt haͤtte angewendet werden koͤnnen und ſollen,
iſt dadurch verſchwendet worden, daß Sie mit ſolcher
Heftigkeit den Vergnuͤgungen nachgejagt haben? Er ant-
wortete: Jch habe mich immer damit betrogen, daß ich
geglaubt habe, weil ich mit Geſchwindigkeit arbeiten
koͤnne,
D 4
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Zitationshilfe: | Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/67>, abgerufen am 28.07.2024. |