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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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ten vergleicht? Es ist mir nicht erlaubt alle Nebenbegriffe,
so ich von diesem habe, auf jenen anzuwenden. Wenn man
einem Jndianer sagt, daß Wasser im Winter hier so hart
als Stein werde, und er wollte daraus schließen, man könne
das Eis glühend machen und zum Bau eines Hauses ge-
brauchen, so würde er etwas ungereimtes denken. Chri-
stus hat uns Gott als Vater gezeigt, um den Begriff der
Liebe desselben mit einer uns bekannten Art der Liebe zu ver-
gleichen. Eine philosophische Umschreibung würde ihn nicht
deutlicher gemacht haben. Wollen wir aber dabey alles den-
ken, was wir uns unter einem Vater vorstellen, so geht es
uns als dem Jndianer. Auf diese Art wird auch begreiflich,
daß Christus, Gottes Sohn, von ihm als Vater, gezeugt
ist. Von Ewigkeit her wollte Gott uns durch Christum sich
zu erkennen geben, und hievon gab uns der Ausdruck, zeu-
gen, den erforderlichen Begriff. Wir können uns daraus
zugleich eine Vorstellung von den Verhältnissen Gottes des
Vaters und Christi machen, indem wir diesen als Gottes
Sohn denken. Nur müssen wir davon absondern, was die
Vernunft uns lehrt nicht auf Gott angewendet werden zu
können. Der Sohn hat sein Wesen vom Vater, dessen We-
sen ist dem des Vaters gleich, dieser liebt ihn, und die Güter,
so er besitzt, gehören auch seinem Sohne zu.

Endlich verspricht Christus, daß nach seinem Tode der
Geist Gottes die Wahrheit, so er gelehrt, bestätigen werde.
Dieß geschah auch auf eine sinnliche Art durch die Fähigkei-
ten, so die Apostel erhielten: und er würkt auf diejenigen,
so die Lehre Christi in Andenken haben, und durch diese leb-
hafte Erinnerung an Gott im Stande sind richtige Ent-
schlüsse zu nehmen, und so gesinnt zu seyn und zu handeln,
wie sie wissen, daß es Gott gefällt.

Gott hat sich mir nun auf dreyerley Art zu erkennen ge-
geben, und dieß bringt mir ihn auf eine dreyfache Art in
Erinnerung, wenn ich über meine Bestimmung und Glück-
seeligkeit nachdenke. Wir sind gewohnt zusammengesetzte

Vor



ten vergleicht? Es iſt mir nicht erlaubt alle Nebenbegriffe,
ſo ich von dieſem habe, auf jenen anzuwenden. Wenn man
einem Jndianer ſagt, daß Waſſer im Winter hier ſo hart
als Stein werde, und er wollte daraus ſchließen, man koͤnne
das Eis gluͤhend machen und zum Bau eines Hauſes ge-
brauchen, ſo wuͤrde er etwas ungereimtes denken. Chri-
ſtus hat uns Gott als Vater gezeigt, um den Begriff der
Liebe deſſelben mit einer uns bekannten Art der Liebe zu ver-
gleichen. Eine philoſophiſche Umſchreibung wuͤrde ihn nicht
deutlicher gemacht haben. Wollen wir aber dabey alles den-
ken, was wir uns unter einem Vater vorſtellen, ſo geht es
uns als dem Jndianer. Auf dieſe Art wird auch begreiflich,
daß Chriſtus, Gottes Sohn, von ihm als Vater, gezeugt
iſt. Von Ewigkeit her wollte Gott uns durch Chriſtum ſich
zu erkennen geben, und hievon gab uns der Ausdruck, zeu-
gen, den erforderlichen Begriff. Wir koͤnnen uns daraus
zugleich eine Vorſtellung von den Verhaͤltniſſen Gottes des
Vaters und Chriſti machen, indem wir dieſen als Gottes
Sohn denken. Nur muͤſſen wir davon abſondern, was die
Vernunft uns lehrt nicht auf Gott angewendet werden zu
koͤnnen. Der Sohn hat ſein Weſen vom Vater, deſſen We-
ſen iſt dem des Vaters gleich, dieſer liebt ihn, und die Guͤter,
ſo er beſitzt, gehoͤren auch ſeinem Sohne zu.

Endlich verſpricht Chriſtus, daß nach ſeinem Tode der
Geiſt Gottes die Wahrheit, ſo er gelehrt, beſtaͤtigen werde.
Dieß geſchah auch auf eine ſinnliche Art durch die Faͤhigkei-
ten, ſo die Apoſtel erhielten: und er wuͤrkt auf diejenigen,
ſo die Lehre Chriſti in Andenken haben, und durch dieſe leb-
hafte Erinnerung an Gott im Stande ſind richtige Ent-
ſchluͤſſe zu nehmen, und ſo geſinnt zu ſeyn und zu handeln,
wie ſie wiſſen, daß es Gott gefaͤllt.

Gott hat ſich mir nun auf dreyerley Art zu erkennen ge-
geben, und dieß bringt mir ihn auf eine dreyfache Art in
Erinnerung, wenn ich uͤber meine Beſtimmung und Gluͤck-
ſeeligkeit nachdenke. Wir ſind gewohnt zuſammengeſetzte

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[303/0315] ten vergleicht? Es iſt mir nicht erlaubt alle Nebenbegriffe, ſo ich von dieſem habe, auf jenen anzuwenden. Wenn man einem Jndianer ſagt, daß Waſſer im Winter hier ſo hart als Stein werde, und er wollte daraus ſchließen, man koͤnne das Eis gluͤhend machen und zum Bau eines Hauſes ge- brauchen, ſo wuͤrde er etwas ungereimtes denken. Chri- ſtus hat uns Gott als Vater gezeigt, um den Begriff der Liebe deſſelben mit einer uns bekannten Art der Liebe zu ver- gleichen. Eine philoſophiſche Umſchreibung wuͤrde ihn nicht deutlicher gemacht haben. Wollen wir aber dabey alles den- ken, was wir uns unter einem Vater vorſtellen, ſo geht es uns als dem Jndianer. Auf dieſe Art wird auch begreiflich, daß Chriſtus, Gottes Sohn, von ihm als Vater, gezeugt iſt. Von Ewigkeit her wollte Gott uns durch Chriſtum ſich zu erkennen geben, und hievon gab uns der Ausdruck, zeu- gen, den erforderlichen Begriff. Wir koͤnnen uns daraus zugleich eine Vorſtellung von den Verhaͤltniſſen Gottes des Vaters und Chriſti machen, indem wir dieſen als Gottes Sohn denken. Nur muͤſſen wir davon abſondern, was die Vernunft uns lehrt nicht auf Gott angewendet werden zu koͤnnen. Der Sohn hat ſein Weſen vom Vater, deſſen We- ſen iſt dem des Vaters gleich, dieſer liebt ihn, und die Guͤter, ſo er beſitzt, gehoͤren auch ſeinem Sohne zu. Endlich verſpricht Chriſtus, daß nach ſeinem Tode der Geiſt Gottes die Wahrheit, ſo er gelehrt, beſtaͤtigen werde. Dieß geſchah auch auf eine ſinnliche Art durch die Faͤhigkei- ten, ſo die Apoſtel erhielten: und er wuͤrkt auf diejenigen, ſo die Lehre Chriſti in Andenken haben, und durch dieſe leb- hafte Erinnerung an Gott im Stande ſind richtige Ent- ſchluͤſſe zu nehmen, und ſo geſinnt zu ſeyn und zu handeln, wie ſie wiſſen, daß es Gott gefaͤllt. Gott hat ſich mir nun auf dreyerley Art zu erkennen ge- geben, und dieß bringt mir ihn auf eine dreyfache Art in Erinnerung, wenn ich uͤber meine Beſtimmung und Gluͤck- ſeeligkeit nachdenke. Wir ſind gewohnt zuſammengeſetzte Vor

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/315>, abgerufen am 30.04.2024.