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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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er wolle mir etwas, so meiner Vernunft widerspreche, zu
glauben heißen. Ueber meinen Verstand konnte es seyn;
allein wie viele Sachen sind nicht in der Natur, daran wir
nicht zweifeln, ohne ihren Zusammenhang zu begreifen!
Jch hielt mich für verbunden, diese Geheimnisse auf die
Versicherung Christi anzunehmen. Jedoch dachte ich viel
darüber nach, ohne etwas widersprechendes darin zu finden,
Gott wollte sich uns auf eine Art zu erkennen geben, ohne
daß die Art und Weise, die Zeichen und der Endzweck, so
wie bis dahin geschehen, aus natürlichen Ursachen erklärt
werden könnten. Gott erwählte dazu die Sprache der
Menschen, den Unterricht der verständlichsten Zeichen, wo-
durch wir uns unter einander unsere Gedanken mittheilen.
Der Gott, so durch Christum redete, war derselbige, so
dieser uns nachher als Vater und heiligen Geist bekannt ge-
macht hat. Es kann niemand längnen, das Wesen Gottes
könne nicht mit allen seinen Eigenschaften verschiedene Wür-
kungen zu gleicher Zeit hervorbringen, ohne daß man den
Begriff damit verbinde, er habe nöthig sich deswegen zu
theilen. Es war also das höchste Wesen, so wir aus der
Vernunft als Eins erkennen, welches durch Christum, der
übrigens alle Eigenschaften eines Menschen hatte, auf uns
würkte, sich uns bekannt machte und zeigte, da wir es selbst
durch unsre Sinne nicht empfinden können. Wir sind ge-
wohnt fremde Begriffe auf uns bekannte Gegenstände anzu-
wenden um sie begreiflicher zu finden. Jch habe mich dabey
der Schwere erinnert, die in verschiedenen Körpern ver-
schiedene Würkungen hervorbringt, und doch immer die-
selbige Kraft ist. Jn dem Begriff selbst, den ich sehr oft viel
weitläuftiger, als ich hier ihn wiederhohle, und auf alle
mir bekannte Arten durchgedacht, habe ich nie etwas wider-
sprechendes gefunden. Eben so wenig als daß Christus uns
Gott als Vater und heiligen Geist hat kennen gelehrt.

Wie leicht fällt man nicht in Jrrthum, wenn uns je-
mand einen unbekannten Gegenstand mit einem uns bekann-

ten



er wolle mir etwas, ſo meiner Vernunft widerſpreche, zu
glauben heißen. Ueber meinen Verſtand konnte es ſeyn;
allein wie viele Sachen ſind nicht in der Natur, daran wir
nicht zweifeln, ohne ihren Zuſammenhang zu begreifen!
Jch hielt mich fuͤr verbunden, dieſe Geheimniſſe auf die
Verſicherung Chriſti anzunehmen. Jedoch dachte ich viel
daruͤber nach, ohne etwas widerſprechendes darin zu finden,
Gott wollte ſich uns auf eine Art zu erkennen geben, ohne
daß die Art und Weiſe, die Zeichen und der Endzweck, ſo
wie bis dahin geſchehen, aus natuͤrlichen Urſachen erklaͤrt
werden koͤnnten. Gott erwaͤhlte dazu die Sprache der
Menſchen, den Unterricht der verſtaͤndlichſten Zeichen, wo-
durch wir uns unter einander unſere Gedanken mittheilen.
Der Gott, ſo durch Chriſtum redete, war derſelbige, ſo
dieſer uns nachher als Vater und heiligen Geiſt bekannt ge-
macht hat. Es kann niemand laͤngnen, das Weſen Gottes
koͤnne nicht mit allen ſeinen Eigenſchaften verſchiedene Wuͤr-
kungen zu gleicher Zeit hervorbringen, ohne daß man den
Begriff damit verbinde, er habe noͤthig ſich deswegen zu
theilen. Es war alſo das hoͤchſte Weſen, ſo wir aus der
Vernunft als Eins erkennen, welches durch Chriſtum, der
uͤbrigens alle Eigenſchaften eines Menſchen hatte, auf uns
wuͤrkte, ſich uns bekannt machte und zeigte, da wir es ſelbſt
durch unſre Sinne nicht empfinden koͤnnen. Wir ſind ge-
wohnt fremde Begriffe auf uns bekannte Gegenſtaͤnde anzu-
wenden um ſie begreiflicher zu finden. Jch habe mich dabey
der Schwere erinnert, die in verſchiedenen Koͤrpern ver-
ſchiedene Wuͤrkungen hervorbringt, und doch immer die-
ſelbige Kraft iſt. Jn dem Begriff ſelbſt, den ich ſehr oft viel
weitlaͤuftiger, als ich hier ihn wiederhohle, und auf alle
mir bekannte Arten durchgedacht, habe ich nie etwas wider-
ſprechendes gefunden. Eben ſo wenig als daß Chriſtus uns
Gott als Vater und heiligen Geiſt hat kennen gelehrt.

Wie leicht faͤllt man nicht in Jrrthum, wenn uns je-
mand einen unbekannten Gegenſtand mit einem uns bekann-

ten
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[302/0314] er wolle mir etwas, ſo meiner Vernunft widerſpreche, zu glauben heißen. Ueber meinen Verſtand konnte es ſeyn; allein wie viele Sachen ſind nicht in der Natur, daran wir nicht zweifeln, ohne ihren Zuſammenhang zu begreifen! Jch hielt mich fuͤr verbunden, dieſe Geheimniſſe auf die Verſicherung Chriſti anzunehmen. Jedoch dachte ich viel daruͤber nach, ohne etwas widerſprechendes darin zu finden, Gott wollte ſich uns auf eine Art zu erkennen geben, ohne daß die Art und Weiſe, die Zeichen und der Endzweck, ſo wie bis dahin geſchehen, aus natuͤrlichen Urſachen erklaͤrt werden koͤnnten. Gott erwaͤhlte dazu die Sprache der Menſchen, den Unterricht der verſtaͤndlichſten Zeichen, wo- durch wir uns unter einander unſere Gedanken mittheilen. Der Gott, ſo durch Chriſtum redete, war derſelbige, ſo dieſer uns nachher als Vater und heiligen Geiſt bekannt ge- macht hat. Es kann niemand laͤngnen, das Weſen Gottes koͤnne nicht mit allen ſeinen Eigenſchaften verſchiedene Wuͤr- kungen zu gleicher Zeit hervorbringen, ohne daß man den Begriff damit verbinde, er habe noͤthig ſich deswegen zu theilen. Es war alſo das hoͤchſte Weſen, ſo wir aus der Vernunft als Eins erkennen, welches durch Chriſtum, der uͤbrigens alle Eigenſchaften eines Menſchen hatte, auf uns wuͤrkte, ſich uns bekannt machte und zeigte, da wir es ſelbſt durch unſre Sinne nicht empfinden koͤnnen. Wir ſind ge- wohnt fremde Begriffe auf uns bekannte Gegenſtaͤnde anzu- wenden um ſie begreiflicher zu finden. Jch habe mich dabey der Schwere erinnert, die in verſchiedenen Koͤrpern ver- ſchiedene Wuͤrkungen hervorbringt, und doch immer die- ſelbige Kraft iſt. Jn dem Begriff ſelbſt, den ich ſehr oft viel weitlaͤuftiger, als ich hier ihn wiederhohle, und auf alle mir bekannte Arten durchgedacht, habe ich nie etwas wider- ſprechendes gefunden. Eben ſo wenig als daß Chriſtus uns Gott als Vater und heiligen Geiſt hat kennen gelehrt. Wie leicht faͤllt man nicht in Jrrthum, wenn uns je- mand einen unbekannten Gegenſtand mit einem uns bekann- ten

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/314>, abgerufen am 30.04.2024.