Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite



Vorstellungen und Begriffe unter Einer Benennung zu
erinnern, um nicht jedesmahl die einzelnen im Reden
oder Denken zu wiederhohlen: und dazu hat man das
Wort Person für das Beste gehalten. Finde ich alsdenn
einen Widerspruch, wenn ich sage: Es ist ein Gott, aber
ich erkenne in ihm drey Personen, so ist es die Schuld
meines Verstandes, daß er die richtigen Begriffe nicht ge-
genwärtig hat, und andre, die ihm zuerst einfallen, oder
die er gewöhnlich mit dem Worte Gott und Person denkt,
damit verbindet. Es würde mir wie dem Jndianer gehen,
wenn ich die Sache als ungereimt verwerfen wollte, da jener
nachher glaubt, ich habe ihm eine Unwahrheit gesagt,
weil er erfahren, daß Eis im Sommer oder beym Feuer
wieder zu Wasser werde.

Jch denke mir die Versöhnung Christi, ohne daß
mein Verstand den geringsten Anstoß dabey findet. Ueber-
zeugt von der Wichtigkeit zu meiner Glückseeligkeit, gewiß
zu wissen, daß meine Handlungen Gott nicht gleichgültig
sind, erfahre ich mit der größesten historischen Gewißheit,
daß Christus gelebt, und bewiesen, er stehe mit Gott in
Verbindung, indem er Sachen that, die durch keine natür-
liche Ursachen erklärt werden können. Er versichert mich
seiner Freundschaft, ich kann keinen Vortheil, den er von
mir erwarte, noch Absicht erdenken, die ihn mich zu hin-
tergehen veranlassen könnten. Jch bin geneigt, meinem
Freunde in einer Sache zu glauben, von der ich aus sei-
nen vorhergegangenen Handlungen gesehen, daß er mehr
Kenntniß als ich habe, wenn nur der Verstand nichts
widersprechendes darin findet. Christus sagt mir, daß er
die Gesinnungen Gottes wisse, und daß Gott selbst durch
ihn mit mir rede; die beste Art, so ich hoffen konnte, jene
zu erfahren. Die Lehren, so er mir giebt, stimmen mit
demjenigen überein, was ich aus der Vernunft zu meinem
Glück für nöthig erkenne: ich wußte aber zugleich, daß ich
bey der Anwendung derselben leicht in Jrrthum verfallen

könnte,



Vorſtellungen und Begriffe unter Einer Benennung zu
erinnern, um nicht jedesmahl die einzelnen im Reden
oder Denken zu wiederhohlen: und dazu hat man das
Wort Perſon fuͤr das Beſte gehalten. Finde ich alsdenn
einen Widerſpruch, wenn ich ſage: Es iſt ein Gott, aber
ich erkenne in ihm drey Perſonen, ſo iſt es die Schuld
meines Verſtandes, daß er die richtigen Begriffe nicht ge-
genwaͤrtig hat, und andre, die ihm zuerſt einfallen, oder
die er gewoͤhnlich mit dem Worte Gott und Perſon denkt,
damit verbindet. Es wuͤrde mir wie dem Jndianer gehen,
wenn ich die Sache als ungereimt verwerfen wollte, da jener
nachher glaubt, ich habe ihm eine Unwahrheit geſagt,
weil er erfahren, daß Eis im Sommer oder beym Feuer
wieder zu Waſſer werde.

Jch denke mir die Verſoͤhnung Chriſti, ohne daß
mein Verſtand den geringſten Anſtoß dabey findet. Ueber-
zeugt von der Wichtigkeit zu meiner Gluͤckſeeligkeit, gewiß
zu wiſſen, daß meine Handlungen Gott nicht gleichguͤltig
ſind, erfahre ich mit der groͤßeſten hiſtoriſchen Gewißheit,
daß Chriſtus gelebt, und bewieſen, er ſtehe mit Gott in
Verbindung, indem er Sachen that, die durch keine natuͤr-
liche Urſachen erklaͤrt werden koͤnnen. Er verſichert mich
ſeiner Freundſchaft, ich kann keinen Vortheil, den er von
mir erwarte, noch Abſicht erdenken, die ihn mich zu hin-
tergehen veranlaſſen koͤnnten. Jch bin geneigt, meinem
Freunde in einer Sache zu glauben, von der ich aus ſei-
nen vorhergegangenen Handlungen geſehen, daß er mehr
Kenntniß als ich habe, wenn nur der Verſtand nichts
widerſprechendes darin findet. Chriſtus ſagt mir, daß er
die Geſinnungen Gottes wiſſe, und daß Gott ſelbſt durch
ihn mit mir rede; die beſte Art, ſo ich hoffen konnte, jene
zu erfahren. Die Lehren, ſo er mir giebt, ſtimmen mit
demjenigen uͤberein, was ich aus der Vernunft zu meinem
Gluͤck fuͤr noͤthig erkenne: ich wußte aber zugleich, daß ich
bey der Anwendung derſelben leicht in Jrrthum verfallen

koͤnnte,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0316" n="304"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Vor&#x017F;tellungen und Begriffe unter Einer Benennung zu<lb/>
erinnern, um nicht jedesmahl die einzelnen im Reden<lb/>
oder Denken zu wiederhohlen: und dazu hat man das<lb/>
Wort Per&#x017F;on fu&#x0364;r das Be&#x017F;te gehalten. Finde ich alsdenn<lb/>
einen Wider&#x017F;pruch, wenn ich &#x017F;age: Es i&#x017F;t ein Gott, aber<lb/>
ich erkenne in ihm drey Per&#x017F;onen, &#x017F;o i&#x017F;t es die Schuld<lb/>
meines Ver&#x017F;tandes, daß er die richtigen Begriffe nicht ge-<lb/>
genwa&#x0364;rtig hat, und andre, die ihm zuer&#x017F;t einfallen, oder<lb/>
die er gewo&#x0364;hnlich mit dem Worte Gott und Per&#x017F;on denkt,<lb/>
damit verbindet. Es wu&#x0364;rde mir wie dem Jndianer gehen,<lb/>
wenn ich die Sache als ungereimt verwerfen wollte, da jener<lb/>
nachher glaubt, ich habe ihm eine Unwahrheit ge&#x017F;agt,<lb/>
weil er erfahren, daß Eis im Sommer oder beym Feuer<lb/>
wieder zu Wa&#x017F;&#x017F;er werde.</p><lb/>
          <p>Jch denke mir die Ver&#x017F;o&#x0364;hnung Chri&#x017F;ti, ohne daß<lb/>
mein Ver&#x017F;tand den gering&#x017F;ten An&#x017F;toß dabey findet. Ueber-<lb/>
zeugt von der Wichtigkeit zu meiner Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit, gewiß<lb/>
zu wi&#x017F;&#x017F;en, daß meine Handlungen Gott nicht gleichgu&#x0364;ltig<lb/>
&#x017F;ind, erfahre ich mit der gro&#x0364;ße&#x017F;ten hi&#x017F;tori&#x017F;chen Gewißheit,<lb/>
daß Chri&#x017F;tus gelebt, und bewie&#x017F;en, er &#x017F;tehe mit Gott in<lb/>
Verbindung, indem er Sachen that, die durch keine natu&#x0364;r-<lb/>
liche Ur&#x017F;achen erkla&#x0364;rt werden ko&#x0364;nnen. Er ver&#x017F;ichert mich<lb/>
&#x017F;einer Freund&#x017F;chaft, ich kann keinen Vortheil, den er von<lb/>
mir erwarte, noch Ab&#x017F;icht erdenken, die ihn mich zu hin-<lb/>
tergehen veranla&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnten. Jch bin geneigt, meinem<lb/>
Freunde in einer Sache zu glauben, von der ich aus &#x017F;ei-<lb/>
nen vorhergegangenen Handlungen ge&#x017F;ehen, daß er mehr<lb/>
Kenntniß als ich habe, wenn nur der Ver&#x017F;tand nichts<lb/>
wider&#x017F;prechendes darin findet. Chri&#x017F;tus &#x017F;agt mir, daß er<lb/>
die Ge&#x017F;innungen Gottes wi&#x017F;&#x017F;e, und daß Gott &#x017F;elb&#x017F;t durch<lb/>
ihn mit mir rede; die be&#x017F;te Art, &#x017F;o ich hoffen konnte, jene<lb/>
zu erfahren. Die Lehren, &#x017F;o er mir giebt, &#x017F;timmen mit<lb/>
demjenigen u&#x0364;berein, was ich aus der Vernunft zu meinem<lb/>
Glu&#x0364;ck fu&#x0364;r no&#x0364;thig erkenne: ich wußte aber zugleich, daß ich<lb/>
bey der Anwendung der&#x017F;elben leicht in Jrrthum verfallen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ko&#x0364;nnte,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0316] Vorſtellungen und Begriffe unter Einer Benennung zu erinnern, um nicht jedesmahl die einzelnen im Reden oder Denken zu wiederhohlen: und dazu hat man das Wort Perſon fuͤr das Beſte gehalten. Finde ich alsdenn einen Widerſpruch, wenn ich ſage: Es iſt ein Gott, aber ich erkenne in ihm drey Perſonen, ſo iſt es die Schuld meines Verſtandes, daß er die richtigen Begriffe nicht ge- genwaͤrtig hat, und andre, die ihm zuerſt einfallen, oder die er gewoͤhnlich mit dem Worte Gott und Perſon denkt, damit verbindet. Es wuͤrde mir wie dem Jndianer gehen, wenn ich die Sache als ungereimt verwerfen wollte, da jener nachher glaubt, ich habe ihm eine Unwahrheit geſagt, weil er erfahren, daß Eis im Sommer oder beym Feuer wieder zu Waſſer werde. Jch denke mir die Verſoͤhnung Chriſti, ohne daß mein Verſtand den geringſten Anſtoß dabey findet. Ueber- zeugt von der Wichtigkeit zu meiner Gluͤckſeeligkeit, gewiß zu wiſſen, daß meine Handlungen Gott nicht gleichguͤltig ſind, erfahre ich mit der groͤßeſten hiſtoriſchen Gewißheit, daß Chriſtus gelebt, und bewieſen, er ſtehe mit Gott in Verbindung, indem er Sachen that, die durch keine natuͤr- liche Urſachen erklaͤrt werden koͤnnen. Er verſichert mich ſeiner Freundſchaft, ich kann keinen Vortheil, den er von mir erwarte, noch Abſicht erdenken, die ihn mich zu hin- tergehen veranlaſſen koͤnnten. Jch bin geneigt, meinem Freunde in einer Sache zu glauben, von der ich aus ſei- nen vorhergegangenen Handlungen geſehen, daß er mehr Kenntniß als ich habe, wenn nur der Verſtand nichts widerſprechendes darin findet. Chriſtus ſagt mir, daß er die Geſinnungen Gottes wiſſe, und daß Gott ſelbſt durch ihn mit mir rede; die beſte Art, ſo ich hoffen konnte, jene zu erfahren. Die Lehren, ſo er mir giebt, ſtimmen mit demjenigen uͤberein, was ich aus der Vernunft zu meinem Gluͤck fuͤr noͤthig erkenne: ich wußte aber zugleich, daß ich bey der Anwendung derſelben leicht in Jrrthum verfallen koͤnnte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/316
Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/316>, abgerufen am 30.04.2024.