Beklagen Sie es ernstlich, und weil Sie empfin- den, wie sehr Sie sich auch dadurch gegen Gott vergan- gen, daß Sie nicht etwa allein diese oder jene Person, sondern auch andere Menschen durch Jhre Wollust unmo- ralisch und unglücklich gemacht haben? "Jch empfinde nichts heftiger, als daß ich durch meine Grundsätze, Leichtsinnigkeit und Neigung zur Wollust gewisse Perso- nen unglücklich gemacht habe. Nicht allein in Absicht ihrer zeitlichen Wohlfart, sondern auch in Ansehung der Verderbung ihres moralischen Characters. Doch bereue ich zugleich sehr lebhaft das Verderben, welches ich in den Sitten anderer Menschen durch mein Exempel veran- laßt. Um so viel mehr, da ich erkennen gelernt, wie sehr misfällig Gott die Veranlassung der Zerstörung seiner heiligen Ordnung durch gegebene Aergernisse sey. Jch mache mir auch große Vorwürfe über diejenigen Perso- nen, welche ich thätlich verführt habe."
Verabscheuen Sie aus eben diesem Grunde der Liebe zu Gott alle Vergehungen, zu denen Sie der Ehr- geiz verleitet hat? Auch die falschen Grundsätze, auf denen sich Jhre Ambition stützte? Auch die unerlaubten Mittel, deren Sie sich bedient haben? "Da die ersten morali- schen Grundsätze, nach denen ich handelte, vor Gott nichts taugten; da sie bloß in einem mir selbst gemachten System über die Ehre bestanden; da sie allein in den, in der sogenannten honnetten Welt angenommenen Be- griffen von der Rechtschaffenheit gegründet waren; da ich mich bloß, mit Ausschließung aller aus der göttlichen Lehre fließenden Erkenntniß, durch meine den Begierden gehorsame Vernunft leiten ließ; da ich mir zu vortheil- hafte Vorstellungen von meinen Einsichten machte, und da niemals dabey mein Endzweck der war, Gott gefällig zu werden, oder seinen Willen zu erfüllen, sondern bloß zeitliche Absichten, wenn sie auch nicht allezeit auf mich allein gerichtet waren: so kann ich nach meiner itzigen
Ueber-
Beklagen Sie es ernſtlich, und weil Sie empfin- den, wie ſehr Sie ſich auch dadurch gegen Gott vergan- gen, daß Sie nicht etwa allein dieſe oder jene Perſon, ſondern auch andere Menſchen durch Jhre Wolluſt unmo- raliſch und ungluͤcklich gemacht haben? “Jch empfinde nichts heftiger, als daß ich durch meine Grundſaͤtze, Leichtſinnigkeit und Neigung zur Wolluſt gewiſſe Perſo- nen ungluͤcklich gemacht habe. Nicht allein in Abſicht ihrer zeitlichen Wohlfart, ſondern auch in Anſehung der Verderbung ihres moraliſchen Characters. Doch bereue ich zugleich ſehr lebhaft das Verderben, welches ich in den Sitten anderer Menſchen durch mein Exempel veran- laßt. Um ſo viel mehr, da ich erkennen gelernt, wie ſehr misfaͤllig Gott die Veranlaſſung der Zerſtoͤrung ſeiner heiligen Ordnung durch gegebene Aergerniſſe ſey. Jch mache mir auch große Vorwuͤrfe uͤber diejenigen Perſo- nen, welche ich thaͤtlich verfuͤhrt habe.„
Verabſcheuen Sie aus eben dieſem Grunde der Liebe zu Gott alle Vergehungen, zu denen Sie der Ehr- geiz verleitet hat? Auch die falſchen Grundſaͤtze, auf denen ſich Jhre Ambition ſtuͤtzte? Auch die unerlaubten Mittel, deren Sie ſich bedient haben? “Da die erſten morali- ſchen Grundſaͤtze, nach denen ich handelte, vor Gott nichts taugten; da ſie bloß in einem mir ſelbſt gemachten Syſtem uͤber die Ehre beſtanden; da ſie allein in den, in der ſogenannten honnetten Welt angenommenen Be- griffen von der Rechtſchaffenheit gegruͤndet waren; da ich mich bloß, mit Ausſchließung aller aus der goͤttlichen Lehre fließenden Erkenntniß, durch meine den Begierden gehorſame Vernunft leiten ließ; da ich mir zu vortheil- hafte Vorſtellungen von meinen Einſichten machte, und da niemals dabey mein Endzweck der war, Gott gefaͤllig zu werden, oder ſeinen Willen zu erfuͤllen, ſondern bloß zeitliche Abſichten, wenn ſie auch nicht allezeit auf mich allein gerichtet waren: ſo kann ich nach meiner itzigen
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Beklagen Sie es ernſtlich, und weil Sie empfin-
den, wie ſehr Sie ſich auch dadurch gegen Gott vergan-
gen, daß Sie nicht etwa allein dieſe oder jene Perſon,
ſondern auch andere Menſchen durch Jhre Wolluſt unmo-
raliſch und ungluͤcklich gemacht haben? “Jch empfinde
nichts heftiger, als daß ich durch meine Grundſaͤtze,
Leichtſinnigkeit und Neigung zur Wolluſt gewiſſe Perſo-
nen ungluͤcklich gemacht habe. Nicht allein in Abſicht
ihrer zeitlichen Wohlfart, ſondern auch in Anſehung der
Verderbung ihres moraliſchen Characters. Doch bereue
ich zugleich ſehr lebhaft das Verderben, welches ich in
den Sitten anderer Menſchen durch mein Exempel veran-
laßt. Um ſo viel mehr, da ich erkennen gelernt, wie
ſehr misfaͤllig Gott die Veranlaſſung der Zerſtoͤrung ſeiner
heiligen Ordnung durch gegebene Aergerniſſe ſey. Jch
mache mir auch große Vorwuͤrfe uͤber diejenigen Perſo-
nen, welche ich thaͤtlich verfuͤhrt habe.„
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geiz verleitet hat? Auch die falſchen Grundſaͤtze, auf denen
ſich Jhre Ambition ſtuͤtzte? Auch die unerlaubten Mittel,
deren Sie ſich bedient haben? “Da die erſten morali-
ſchen Grundſaͤtze, nach denen ich handelte, vor Gott
nichts taugten; da ſie bloß in einem mir ſelbſt gemachten
Syſtem uͤber die Ehre beſtanden; da ſie allein in den,
in der ſogenannten honnetten Welt angenommenen Be-
griffen von der Rechtſchaffenheit gegruͤndet waren; da
ich mich bloß, mit Ausſchließung aller aus der goͤttlichen
Lehre fließenden Erkenntniß, durch meine den Begierden
gehorſame Vernunft leiten ließ; da ich mir zu vortheil-
hafte Vorſtellungen von meinen Einſichten machte, und
da niemals dabey mein Endzweck der war, Gott gefaͤllig
zu werden, oder ſeinen Willen zu erfuͤllen, ſondern bloß
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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/198>, abgerufen am 16.02.2025.
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