Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite



hat, er muß mit einer Person von dem andern Geschlecht
in Verbindung getreten seyn. Wollte nun jemand diese
Nebenbegriffe und Folgerungen auf den Fall anwenden,
wenn die Schrift sagt, Christus sey Gottes Sohn, so
würde er nicht nur die Sache falsch verstehen, sondern
auch Widersprüche darin finden. Stellen Sie sich ferner
vor, daß ein Jsländer einem Jndianer das Zufrieren des
Meeres bekannt machen wollte. Jn der Sprache des
Jndianers ist kein Wort vorhanden, das diese Erschei-
nung genau ausdrückt, und der Jsländer muß doch mit
ihm in seiner Sprache reden. Er muß also entferntere
Worte und Bilder zu Hülfe rufen. Er kann sich z. Ex.
so ausdrücken: Jn meinem Lande wird zu gewissen
Jahreszeiten das Meer durch eine Beschaffenheit, die die
Luft alsdann hat, wie dieser Stein. Nun darf der Jn-
dianer wohl denken, daß das Meer in Jsland zu gewissen
Zeiten Stein sey, das ist, so hart und fest wie Stein.
Aber er ist in Gefahr sich ganz falsche Vorstellungen von
den Würkungen der Kälte auf das Meer zu machen,
wenn er die übrigen Eigenschaften und allen Gebrauch
des Steines auf den vorliegenden Fall anwenden will.
Z. Ex. Aus Steinen baut man Häuser, also baut sich
der Jsländer aus Wasser, welches zu Stein worden ist,
Palläste. Es giebt Steine, die man zur Feuerung brau-
chen kann; also kocht der Jsländer seine Speisen bey
solchem versteinerten Wasser. u. s. w.

Jch bat nun den Grafen diese allgemeine An-
merkungen über die Geheimnisse der Religion immer vor
Augen zu behalten, da ich ihm diese nun einzeln vortra-
gen, ihren biblischen Sinn erklären, ihre Entfernung
von allem Widerspruch gegen die gesunde Vernunft
zeigen, und ihre Wohlthätigkeit entdecken wolle.

Das



hat, er muß mit einer Perſon von dem andern Geſchlecht
in Verbindung getreten ſeyn. Wollte nun jemand dieſe
Nebenbegriffe und Folgerungen auf den Fall anwenden,
wenn die Schrift ſagt, Chriſtus ſey Gottes Sohn, ſo
wuͤrde er nicht nur die Sache falſch verſtehen, ſondern
auch Widerſpruͤche darin finden. Stellen Sie ſich ferner
vor, daß ein Jslaͤnder einem Jndianer das Zufrieren des
Meeres bekannt machen wollte. Jn der Sprache des
Jndianers iſt kein Wort vorhanden, das dieſe Erſchei-
nung genau ausdruͤckt, und der Jslaͤnder muß doch mit
ihm in ſeiner Sprache reden. Er muß alſo entferntere
Worte und Bilder zu Huͤlfe rufen. Er kann ſich z. Ex.
ſo ausdruͤcken: Jn meinem Lande wird zu gewiſſen
Jahreszeiten das Meer durch eine Beſchaffenheit, die die
Luft alsdann hat, wie dieſer Stein. Nun darf der Jn-
dianer wohl denken, daß das Meer in Jſland zu gewiſſen
Zeiten Stein ſey, das iſt, ſo hart und feſt wie Stein.
Aber er iſt in Gefahr ſich ganz falſche Vorſtellungen von
den Wuͤrkungen der Kaͤlte auf das Meer zu machen,
wenn er die uͤbrigen Eigenſchaften und allen Gebrauch
des Steines auf den vorliegenden Fall anwenden will.
Z. Ex. Aus Steinen baut man Haͤuſer, alſo baut ſich
der Jslaͤnder aus Waſſer, welches zu Stein worden iſt,
Pallaͤſte. Es giebt Steine, die man zur Feuerung brau-
chen kann; alſo kocht der Jslaͤnder ſeine Speiſen bey
ſolchem verſteinerten Waſſer. u. ſ. w.

Jch bat nun den Grafen dieſe allgemeine An-
merkungen uͤber die Geheimniſſe der Religion immer vor
Augen zu behalten, da ich ihm dieſe nun einzeln vortra-
gen, ihren bibliſchen Sinn erklaͤren, ihre Entfernung
von allem Widerſpruch gegen die geſunde Vernunft
zeigen, und ihre Wohlthaͤtigkeit entdecken wolle.

Das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0167" n="155"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
hat, er muß mit einer Per&#x017F;on von dem andern Ge&#x017F;chlecht<lb/>
in Verbindung getreten &#x017F;eyn. Wollte nun jemand die&#x017F;e<lb/>
Nebenbegriffe und Folgerungen auf den Fall anwenden,<lb/>
wenn die Schrift &#x017F;agt, Chri&#x017F;tus &#x017F;ey Gottes Sohn, &#x017F;o<lb/>
wu&#x0364;rde er nicht nur die Sache fal&#x017F;ch ver&#x017F;tehen, &#x017F;ondern<lb/>
auch Wider&#x017F;pru&#x0364;che darin finden. Stellen Sie &#x017F;ich ferner<lb/>
vor, daß ein Jsla&#x0364;nder einem Jndianer das Zufrieren des<lb/>
Meeres bekannt machen wollte. Jn der Sprache des<lb/>
Jndianers i&#x017F;t kein Wort vorhanden, das die&#x017F;e Er&#x017F;chei-<lb/>
nung genau ausdru&#x0364;ckt, und der Jsla&#x0364;nder muß doch mit<lb/>
ihm in &#x017F;einer Sprache reden. Er muß al&#x017F;o entferntere<lb/>
Worte und Bilder zu Hu&#x0364;lfe rufen. Er kann &#x017F;ich z. Ex.<lb/>
&#x017F;o ausdru&#x0364;cken: Jn meinem Lande wird zu gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Jahreszeiten das Meer durch eine Be&#x017F;chaffenheit, die die<lb/>
Luft alsdann hat, wie die&#x017F;er Stein. Nun darf der Jn-<lb/>
dianer wohl denken, daß das Meer in J&#x017F;land zu gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Zeiten Stein &#x017F;ey, das i&#x017F;t, &#x017F;o hart und fe&#x017F;t wie Stein.<lb/>
Aber er i&#x017F;t in Gefahr &#x017F;ich ganz fal&#x017F;che Vor&#x017F;tellungen von<lb/>
den Wu&#x0364;rkungen der Ka&#x0364;lte auf das Meer zu machen,<lb/>
wenn er die u&#x0364;brigen Eigen&#x017F;chaften und allen Gebrauch<lb/>
des Steines auf den vorliegenden Fall anwenden will.<lb/>
Z. Ex. Aus Steinen baut man Ha&#x0364;u&#x017F;er, al&#x017F;o baut &#x017F;ich<lb/>
der Jsla&#x0364;nder aus Wa&#x017F;&#x017F;er, welches zu Stein worden i&#x017F;t,<lb/>
Palla&#x0364;&#x017F;te. Es giebt Steine, die man zur Feuerung brau-<lb/>
chen kann; al&#x017F;o kocht der Jsla&#x0364;nder &#x017F;eine Spei&#x017F;en bey<lb/>
&#x017F;olchem ver&#x017F;teinerten Wa&#x017F;&#x017F;er. u. &#x017F;. w.</p><lb/>
        <p>Jch bat nun den Grafen die&#x017F;e allgemeine An-<lb/>
merkungen u&#x0364;ber die Geheimni&#x017F;&#x017F;e der Religion immer vor<lb/>
Augen zu behalten, da ich ihm die&#x017F;e nun einzeln vortra-<lb/>
gen, ihren bibli&#x017F;chen Sinn erkla&#x0364;ren, ihre Entfernung<lb/>
von allem Wider&#x017F;pruch gegen die ge&#x017F;unde Vernunft<lb/>
zeigen, und ihre Wohltha&#x0364;tigkeit entdecken wolle.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0167] hat, er muß mit einer Perſon von dem andern Geſchlecht in Verbindung getreten ſeyn. Wollte nun jemand dieſe Nebenbegriffe und Folgerungen auf den Fall anwenden, wenn die Schrift ſagt, Chriſtus ſey Gottes Sohn, ſo wuͤrde er nicht nur die Sache falſch verſtehen, ſondern auch Widerſpruͤche darin finden. Stellen Sie ſich ferner vor, daß ein Jslaͤnder einem Jndianer das Zufrieren des Meeres bekannt machen wollte. Jn der Sprache des Jndianers iſt kein Wort vorhanden, das dieſe Erſchei- nung genau ausdruͤckt, und der Jslaͤnder muß doch mit ihm in ſeiner Sprache reden. Er muß alſo entferntere Worte und Bilder zu Huͤlfe rufen. Er kann ſich z. Ex. ſo ausdruͤcken: Jn meinem Lande wird zu gewiſſen Jahreszeiten das Meer durch eine Beſchaffenheit, die die Luft alsdann hat, wie dieſer Stein. Nun darf der Jn- dianer wohl denken, daß das Meer in Jſland zu gewiſſen Zeiten Stein ſey, das iſt, ſo hart und feſt wie Stein. Aber er iſt in Gefahr ſich ganz falſche Vorſtellungen von den Wuͤrkungen der Kaͤlte auf das Meer zu machen, wenn er die uͤbrigen Eigenſchaften und allen Gebrauch des Steines auf den vorliegenden Fall anwenden will. Z. Ex. Aus Steinen baut man Haͤuſer, alſo baut ſich der Jslaͤnder aus Waſſer, welches zu Stein worden iſt, Pallaͤſte. Es giebt Steine, die man zur Feuerung brau- chen kann; alſo kocht der Jslaͤnder ſeine Speiſen bey ſolchem verſteinerten Waſſer. u. ſ. w. Jch bat nun den Grafen dieſe allgemeine An- merkungen uͤber die Geheimniſſe der Religion immer vor Augen zu behalten, da ich ihm dieſe nun einzeln vortra- gen, ihren bibliſchen Sinn erklaͤren, ihre Entfernung von allem Widerſpruch gegen die geſunde Vernunft zeigen, und ihre Wohlthaͤtigkeit entdecken wolle. Das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/167
Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/167>, abgerufen am 25.11.2024.