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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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Das erste dieser mit der Lehre von der Versöh-
nung verbundenen Geheimnisse ist diese Wahrheit: Chri-
stus ist der Sohn Gottes. Die vornehmsten Aussprüche
der Bibel, worin uns dieser Satz bekannt gemacht wird,
sind folgende. Marth. 3, 17. Marc. 9, 7. Joh. 3, 16.
Diese letzte Stelle zeigt durch die Bestimmung, einge-
bohrner Sohn, daß Christus nicht etwa in dem Verstande,
in welchem die Menschen, als Geschöpfe Gottes, und
besonders die Gläubigen, Gottes Kinder heißen, son-
dern in einem ganz vorzüglichen Sinne Gottes Sohn sey.

Wenn nun also Gott Christum seinen Sohn
nennt, was sollen wir dabey denken? Christus hat sein
Wesen von Gott, wie ein Sohn von seinem Vater, aber
nicht auf die in der Welt gewöhnliche Art, mit welcher
Unvollkommenheiten verknüpft sind, sondern auf eine hö-
here uns unerklärbare Weise. Christus hat eben das
Wesen, welches der Vater hat, und ist ihm also voll-
kommen ähnlich und gleich. Hebr. 1, 3. Christus, als
der erstgebohrne einzige Sohn Gottes hat ein völliges
Recht an allem, was Gott hat, wie der erstgebohrne
einzige Sohn der alleinige Erbe seines Vaters ist. Chri-
stus ist endlich mit Gott durch die innigste Liebe verbun-
den, wie ein einziger Sohn mit seinem Vater. Sie
sehen hieraus, Gott hat uns die Verhältnisse, in denen
er mit Christo steht, unter dem Bilde eines Vaters und
eines Sohnes offenbahrt, weil in der ganzen uns bekann-
ten Natur kein anderes Bild vorhanden ist, das diese innig-
ste Vereinigung genauer und vollkommener anzeigen
könne. Finden Sie nun in dieser Vorstellung etwas
widersprechendes? Nein, antwortete der Graf, hier ist
gar kein Widerspruch. Das ganze Geheimniß liegt nur
in der unerklärlichen Art, wie Christus sein Wesen von
Gott dem Vater hat. So kann also, setzte ich hinzu,
die Vernunft gegen den Satz, Christus ist Gottes Sohn,

mit


Das erſte dieſer mit der Lehre von der Verſoͤh-
nung verbundenen Geheimniſſe iſt dieſe Wahrheit: Chri-
ſtus iſt der Sohn Gottes. Die vornehmſten Ausſpruͤche
der Bibel, worin uns dieſer Satz bekannt gemacht wird,
ſind folgende. Marth. 3, 17. Marc. 9, 7. Joh. 3, 16.
Dieſe letzte Stelle zeigt durch die Beſtimmung, einge-
bohrner Sohn, daß Chriſtus nicht etwa in dem Verſtande,
in welchem die Menſchen, als Geſchoͤpfe Gottes, und
beſonders die Glaͤubigen, Gottes Kinder heißen, ſon-
dern in einem ganz vorzuͤglichen Sinne Gottes Sohn ſey.

Wenn nun alſo Gott Chriſtum ſeinen Sohn
nennt, was ſollen wir dabey denken? Chriſtus hat ſein
Weſen von Gott, wie ein Sohn von ſeinem Vater, aber
nicht auf die in der Welt gewoͤhnliche Art, mit welcher
Unvollkommenheiten verknuͤpft ſind, ſondern auf eine hoͤ-
here uns unerklaͤrbare Weiſe. Chriſtus hat eben das
Weſen, welches der Vater hat, und iſt ihm alſo voll-
kommen aͤhnlich und gleich. Hebr. 1, 3. Chriſtus, als
der erſtgebohrne einzige Sohn Gottes hat ein voͤlliges
Recht an allem, was Gott hat, wie der erſtgebohrne
einzige Sohn der alleinige Erbe ſeines Vaters iſt. Chri-
ſtus iſt endlich mit Gott durch die innigſte Liebe verbun-
den, wie ein einziger Sohn mit ſeinem Vater. Sie
ſehen hieraus, Gott hat uns die Verhaͤltniſſe, in denen
er mit Chriſto ſteht, unter dem Bilde eines Vaters und
eines Sohnes offenbahrt, weil in der ganzen uns bekann-
ten Natur kein anderes Bild vorhanden iſt, das dieſe innig-
ſte Vereinigung genauer und vollkommener anzeigen
koͤnne. Finden Sie nun in dieſer Vorſtellung etwas
widerſprechendes? Nein, antwortete der Graf, hier iſt
gar kein Widerſpruch. Das ganze Geheimniß liegt nur
in der unerklaͤrlichen Art, wie Chriſtus ſein Weſen von
Gott dem Vater hat. So kann alſo, ſetzte ich hinzu,
die Vernunft gegen den Satz, Chriſtus iſt Gottes Sohn,

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[156/0168] Das erſte dieſer mit der Lehre von der Verſoͤh- nung verbundenen Geheimniſſe iſt dieſe Wahrheit: Chri- ſtus iſt der Sohn Gottes. Die vornehmſten Ausſpruͤche der Bibel, worin uns dieſer Satz bekannt gemacht wird, ſind folgende. Marth. 3, 17. Marc. 9, 7. Joh. 3, 16. Dieſe letzte Stelle zeigt durch die Beſtimmung, einge- bohrner Sohn, daß Chriſtus nicht etwa in dem Verſtande, in welchem die Menſchen, als Geſchoͤpfe Gottes, und beſonders die Glaͤubigen, Gottes Kinder heißen, ſon- dern in einem ganz vorzuͤglichen Sinne Gottes Sohn ſey. Wenn nun alſo Gott Chriſtum ſeinen Sohn nennt, was ſollen wir dabey denken? Chriſtus hat ſein Weſen von Gott, wie ein Sohn von ſeinem Vater, aber nicht auf die in der Welt gewoͤhnliche Art, mit welcher Unvollkommenheiten verknuͤpft ſind, ſondern auf eine hoͤ- here uns unerklaͤrbare Weiſe. Chriſtus hat eben das Weſen, welches der Vater hat, und iſt ihm alſo voll- kommen aͤhnlich und gleich. Hebr. 1, 3. Chriſtus, als der erſtgebohrne einzige Sohn Gottes hat ein voͤlliges Recht an allem, was Gott hat, wie der erſtgebohrne einzige Sohn der alleinige Erbe ſeines Vaters iſt. Chri- ſtus iſt endlich mit Gott durch die innigſte Liebe verbun- den, wie ein einziger Sohn mit ſeinem Vater. Sie ſehen hieraus, Gott hat uns die Verhaͤltniſſe, in denen er mit Chriſto ſteht, unter dem Bilde eines Vaters und eines Sohnes offenbahrt, weil in der ganzen uns bekann- ten Natur kein anderes Bild vorhanden iſt, das dieſe innig- ſte Vereinigung genauer und vollkommener anzeigen koͤnne. Finden Sie nun in dieſer Vorſtellung etwas widerſprechendes? Nein, antwortete der Graf, hier iſt gar kein Widerſpruch. Das ganze Geheimniß liegt nur in der unerklaͤrlichen Art, wie Chriſtus ſein Weſen von Gott dem Vater hat. So kann alſo, ſetzte ich hinzu, die Vernunft gegen den Satz, Chriſtus iſt Gottes Sohn, mit

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/168>, abgerufen am 22.11.2024.